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Silent University Sommerfest

Diese Universität hilft asylsuchenden Akademikern und Fachkräften mit einem tollen Konzept – das muss auch mal gebührend gefeiert werden.

Die Silent University gibt denen eine Stimme, die bisher nicht oder kaum gehört wurden. Sie ist eine unabhängige Plattform zum Austausch von und für Menschen mit dem Status Flüchtling oder Asylsuchender und natürlich Interessierter. „University“, weil dabei speziell die Asylsuchenden mit einer akademischen oder Fachausbildung angesprochen sind, die hier nicht arbeiten oder praktizieren können, weil ihnen die Erlaubnis fehlt.

Auch in Hamburg ist die Silent University aktiv. Im August hielt der libysche Journalist Salah Zater einen Vortrag namens Meinungsfreiheit im Kontext der Revolution in Libyen. Die Themen sind gut und wichtig – deshalb möchte eine solche Institution sich und seine Errungenschaften feiern. Das Sommerfest der Silent University Hamburg ist dafür bestens geeignet und wie es sich für die gute Jahreszeit gehört, findet es – so möglich – im August-Lütgens-Park in Altona statt. Mit Musik, Drinks und vielen Informationen.

Text: Andra Wöllert

 

Pop-up-Lädenfestival

Wilhelmsburer begegnen dem Leerstand in ihrem Viertel und stellen ein Festival auf die Beine. Nun ziehen kreative Ideen ins verlassene Theater, Sonnenstudio und Co.

Plötzlich steht die seit Jahren geschlossene Videothek in der Veringstraße voller Bananenstauden und Orangenbäumen. Und der verrammelte Kiosk ein paar Schritte weiter ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht – als Comicladen für Graphic Novels … Nein, das ist keine Halluzination, auch keine optische Täuschung, sondern Teil des Pop-up-Lädenfestivals in Wilhelmsburg. Eineinhalb Monate lang erwecken junge Einzelhändler, Designer und Kreative den Leerstand im Reiherstiegviertel zu neuem Leben. Mit ziemlich ungewöhnlichen Ideen. So können Besucher des Speiselabors Wilhelmsburg Jens Block beim Züchten von Gourmetpilzen zusehen und in der Nonstop Schwitzen-Bar werden schmackhafte Smoothies angerichtet – mithilfe von Fahrrad betriebenen Küchenmixern. Insgesamt werden zwölf Ladenflächen bespielt, dazu finden geführte Pop-up-Shoppingtouren, ein Foodtruck-Festival, der Kulturflohmarkt FlohZinn sowie Tresensport zugunsten der guten alten Gardinenkneipe statt.

Text: Julia Braune

Öffnungszeiten der einzelnen Läden: siehe Ladenkarte

 

ZerreissProbe

Politisch motivierte, sozial engagierte Straßenmusik: Das Gemeinschaftsprojekt aus HörZu und Momoyle lädt zur CD-Releaseparty ins Gängeviertel.

Alles kommt wieder. Vielleicht war’s auch nie weg. Jedenfalls hat die Sprache der 1968er irgendwie wieder ins Hier und Jetzt gefunden. „Während manche noch immer von den krassen Wochen vor einem Jahr in Hamburg schwärmen, wo jeden Tag fett Sponti ging und Refugees are welcome here öfter gerufen wurde als Stunden geschlafen, schlafen andere immer noch auf der Straße.“ In diesem allerfeinsten APO-Sprech hat HörZu erst kürzlich zu einem Soli-Konzert geladen. Natürlich ist das trotzdem ehrlich und ernst gemeint, und deshalb auch gut und richtig; was wer auf sein Flugi schreibt, ist ja jedem selbst überlassen. Jedenfalls haben sich HörZu mit Momoyle zusammengetan und so das Projekt ZerreissProbe zur Welt gebracht: politisch motivierte und sozial engagierte Straßenmusik, gemischt mit Ska, Punk und Theater, seit Kurzem verewigt auf CD. Zur Releaseparty samt Konzert laden sie nun ins Gängeviertel. Hasta Siempre, comandante!

Text: Nik Antoniadis

 

„The Disintegration Machine Part 2“

Inspiriert von Arthur Conan Doyle, eröffnet Almut Middel im Westwerk ihre Ausstellung zu Professor Challengers lettischer Desintegrationsmaschine.

Mit Sherlock Holmes und Dr. Watson haben wir Arthur Conan Doyle zwei der langlebigsten Exzentriker der Literaturgeschichte zu verdanken. Was wenige wissen: Er hat eine weitere illustre Persönlichkeit geschaffen – Professor Challenger, der Protagonist einer skurrilen Science-Fiction-Geschichte, die jetzt Anlass einer Ausstellung im Westwerk wurde.

In Doyles Short Story erfährt dieser eigentümliche Professor von der unheimlichen Maschine eines lettischen Erfinders: Sie kann in bester Star-Trek-Manier Dinge und Körper auflösen und wieder zusammensetzen. Natürlich macht er sie ausfindig, muss aber feststellen, dass der lettische Wissenschaftler ein gewissenloser Wahnsinniger ist, der seine Desintegrationsmaschine als Kriegswaffe an eine europäische Nation verkaufen will. Die drohende Katastrophe kann nur abgewendet werden, indem Challenger den Letten kurzerhand desintegriert und dann in diesem aufgelösten Zustand belässt.

Diese bizarre Kurzgeschichte aus dem Jahr 1929 ist für die Künstlerin Almut Middel Anlass und Inspiration einer ganzen Reihe von Arbeiten geworden, großformatige Zeichnungen und Aquarelle, bei denen Vorstellungen von Auflösung, Grenzüberschreitung und dem Unvorstellbaren im Mittelpunkt stehen, zu sehen bis zum 6. September im Westwerk.

 

DJ Cable

Thugstep-Pionier mit dunklen, basslastigen Styles: His Darkness DJ Cable gibt sich beim Ching Zeng Summer Camp im Moondoo die Ehre.

Das Düsseldorfer Freestyle- und Hip-Hop-Label Ching Zeng schlägt ja bekanntlich seit einiger Zeit sein Summer Camp jeden Freitag im CMYKlub im Moondoo auf. Für das letzte Klub-Date in diesem August lässt man dafür Triangulum-Labelchef und Thugstep-Pionier DJ Cable aus der Freestyle-Welthauptstadt London einfliegen. Thugstep? Ja! Die Fusion aus Dubstep, Hip-Hop und Grime präsentierte der Mann mit seinem dunklen, energiegeladenen und vor allem bass-infizierten Styles bereits auf Festivals wie Bestival, Glastonbury und Wireless sowie als Tour-DJ von Acts wie Chase & Status, Snoop Dogg und Tyga. Unterstützung kommt von Camp-Kurator Crack-T, der seinen Homie an den Decks supportet.

Text: Ole Masch

 

Mama’s Gun

Soundtrack fürs offene Verdeck: Die fünf englischen Funketeers machen auf ihrer Europatour Halt im Molotow, um ihr neues Album vorzustellen.

Zwischen aktuellen Charthits und dem üblichen Radiomainstream wirkt die Musik von Mama’s Gun, die gerade mit Cheap Hotel ihr drittes Album veröffentlicht haben, wie aus der Zeit gefallen. Tief verwurzelt im Soul und Funk der 1970er und 1980erJahre, klingen die Songs der fünf Engländer zuweilen so, als hätten sich Marvin Gaye, Stevie Wonder und Prince im Sommer 1977 zu einer Cabriofahrt entlang der kalifornischen Küste verabredet. Mama’s Gun sind als Band zweifelsohne die Summe ihrer Teile, weshalb es schwerfällt, ihre Musik in eine Schublade zu stecken. Aber am Ende des Tages macht die Band ja keine Musik für geschlossene Schubladen, sondern fürs Autofahren mit offenem Verdeck. Oder für die Bühne im Molotow.

Text: Katharina Grabowski

 

„Das Tagebuch der Anne Frank“

Die Geschichte um das jüdische Mädchen neu erzählt: Im Ernst Deutsch Theater wird „Anne Frank“ mit bisher ungehörten Originaltexten aufgeführt.

Eine Weltpremiere war das: Die neue Fassung in dem eigens dafür gebauten Theater am alten Holzhafen von Amsterdam. Auf einer überdimensionalen dreistöckigen Bühne mit originalgetreu nachgebauten Schauplätzen wurde Annes Leben als Multimedia-Show für über Tausend Zuschauer erlebbar gemacht; die Tagebuchseiten sowie historische Filmaufnahmen aus der Nazi-Zeit wurden auf große Leinwände projiziert. Die Zuschauer konnten mit dem Boot anreisen und sich im Vorfeld ein feines Dinner im Restaurant über dem Hafen gönnen. Viele fragten sich, ob so viel Pomp angesichts der Thematik angebracht sei. Auf der vergleichsweise kleinen Ernst-Deutsch-Bühne kann man sich hingegen ganz auf den Stoff konzentrieren. Diesen erarbeitete das Autorenpaar Leon de Winter und Jessica Durlacher, das erstmals Originaltexte des ungekürzten Tagebuchs von Anne Frank als Grundlage für die Bühnenversion benutzen durfte.

Text: Natalia Sadovnik

 

An Analysis Of Female Representation in Hip Hop

Salt ’n‘ Pepa, Erykah Badu oder Nicki Minaj sind Frauen und rappen – könnten aber unterschiedlicher nicht sein. Ein Workshop mit Rapperin Akua Naru klärt auf.

Hip-Hop ist in vielen Köpfen bis heute nur eine nicht ernstzunehmende Jugend-Subkultur, die selten eine tiefgründige oder politische Botschaft vermittelt. Schuld daran ist sicher auch das ein oder andere oberflächliche Video: prollige Rapper mit prolligen Autos und prolligem Schmuck vor protzigen Villen oder im protzigen Swimmingpool im Garten der protzigen Villa – gekrönt von einer Wagenladung prolliger und knapp oder gar nicht bekleideter Frauen. Dass dieses Phänomen aber nur einen Bruchteil des Hip-Hop-Universums ausmacht, geht an der engstirnigen Version Mensch vorbei.

Dabei gibt es viele weitere Aspekte allein in der Hip-Hop-Musik: Concious Rap zum Beispiel, der so sozialkritisch ist wie kaum ein anderes musikalisches Genre oder auch Frauen, die anstelle zum knappen Bikini lieber öfter zum Mic greifen (oder beides). Obwohl es weltweit bekannte Beispiele wie Da Brat, Lauryn Hill, Erykah Badu oder Nicki Minaj gibt, sind Frauen bis heute nicht so akzeptiert wie die Herren der Schöpfung, aber mindestens genauso vielfältig in puncto Aussage, Inhalt und Aufmachung. Ihre Rolle in der Entwicklung des Hip-Hops oder in Genderfragen ist wichtiger als sie tatsächlich Aufmerksamkeit bekommt. Die in Deutschland lebende Musikerin Akua Naru möchte das ändern. Am Donnerstag gibt sie einen Workshop plus Vortrag mit dem Titel An Analysis Of Female Representation in Hip Hop from Salt-n-Pepa to Nicki Minaj in der Hip Hop Academy Hamburg.

Text: Andra Wöllert

 

„Frank“

Popstar-Träumer trifft auf Pseudo-Genies: Wie es wohl ist, mit einem Haufen Halbirrer Musik zu machen, erzählt dieser Film im 3001 Kino.

Psychisch labile Musiker, exzentrische Bandleader, maskierte Künstler – an Anspielungen mangelt es Frank nicht gerade. Gewidmet ist diese absurde Musikerkomödie aber dem 2010 verstorbenen englischen Sänger, Gitarristen und Komiker Chris Sievey. Dessen verkleidetes Showmaster-Alias Frank Sidebottom war nicht nur für den Film titelstiftend, sondern bot auch die Vorlage für die Gestaltung der kürbisförmigen Kopfbedeckung von Hauptdarsteller Michael Fassbender.

Manch Klischee wird in Lenny Abrahamsons flott erzählter, schwarzhumoriger und dennoch rührender Groteske beherzt auf den Müllhaufen der Popgeschichte entsorgt: der Mythos von „Genie und Wahnsinn“, die „qualvolle“ Suche nach kreativer Inspiration, Fragen um Verweigerung und Anbiederung, der Traum vom großen Durchbruch …

Soronprfbs heißt die Combo im Film, die, wie sich schnell herausstellt, von einem Haufen Halbirrer mit Musikinstrumenten kaum zu unterscheiden ist. Im Zentrum der talentarmen Psychos steht eben erwähnter Frank, dessen Gesicht, bis auf seine Eltern, noch nie jemand gesehen hat – und der innerhalb der Gruppe als Genius verehrt wird. Zu Recht? Das kann ab Donnerstag bei den Vorführungen im 3001 Kino entschieden werden.

Text: Michele Avantario

 

Außenlinie Europas

Wo hört Europa auf? Wo beginnt es und wie sieht es dort aus? Fotograf André Lützen spircht über sein Fotoprojekt an der „Außenlinie Europas“.

Das Prinzip Hoffnung in der zeitgenössischen Fotografie – das ist das Thema der Ausstellung When there is Hope in der Hamburger Kunsthalle und diese nimmt wegen sozialer und politischer Umbrüche sowie globaler Veränderungen und Umwälzungen in unserer Zeit sehr verschiedene Formen an.

Der Hamburger Fotograf André Lützen ist einer der Künstler, dessen Arbeiten in der Ausstellung zu sehen sind. Wo hört Europa auf? Wo beginnt es und wie sieht es dort aus? Für die Beantwortung dieser und anderer Fragen ist er an die Außenlinie Europas im Norden, Osten und Süden gereist. Er zeigt Spuren legaler und illegaler Immigration, verzweifelte Schutzsuche – und nimmt dabei zum Teil die Perspektive der Flüchtlinge ein. Ein hochaktuelles Thema, über das er am Donnerstag mit der Kuratorin Petra Roettig im Lichthof der Kunsthalle auch spricht.

Text: Sabine Danek