Lesezeichen
 

Familienkrach am Donnerstach

Love and music is in the Air: Glaubt man dem Veranstalter, wird diese Party im Waagenbau ein besonders familiäres Feiererlebnis.

Familylove – dieser Name kommt nicht von ungefähr. Die Veranstalter und Musiker sind privat wie geschäftlich echte Busenfreunde und diese Liebe wollen sie bei ihrer Party Familienkrach am Donnerstach im Waagenbau teilen. Der Krach rührt aber nicht etwa daher, dass die Familienmitglieder Blech & Trommel, Kippe & Kiste, Kuhlmann & Strange und Tom Eye & Einfach Paul – die zufällig alle im Duo antreten – Stunk haben, weil sie sich nicht auf ein Genre festlegen, sondern weil sie ihre geliebte Mucke gehörig aufdrehen. Dabei lassen sie sich auch nicht auf ein Genre festlegen. Was gefällt, wird gespielt. Tendenz elektronisch. Und wenn die Boys und Girls von Familylove dann Techno und Co. auflegen, dann – wie auf ihrer Facebookseite bekundet – sowieso nur mit Herz. Und mit euch am liebsten auch.

Text: Andra Wöllert

 

Fantasy Filmfest

Monsterwespen, Wiederauferstandene oder Kung Fu Killer: Die Fantasy Filmwelt kann sich alles erlauben. Den Beweis liefert ein Festival im Savoy Kino.

Nun ist es ja genau der Vorteil von fiktiven Filmen, dass sie nicht unbedingt die Realität widerspiegeln müssen. Besonders viele Filmemacher nutzen genau diese Chance und lassen ihrer Fantasie freien Lauf. Zukunftsvisionen, Schlaraffenländer, Extraterrestrisches, Zauberwälder oder nie gesehene Kreaturen beherrschen dann die Leinwand und nehmen den Zuschauer mit in fremde Welten. Und was ist noch fantastischer als ein Fantasy Film? Ein ganzes Fantasy Film Festival. Seit dem 20. August residiert das Fantasy Filmfest in Hamburg im Savoy Kino und zeigt Filme aus Neuseeland, den USA, Italien, Frankreich oder China. Zu einigen Filmen wurden außerdem Gäste geladen. Am Montag präsentieren Regisseur Benni Diez und Produzent Benjamin Munz ihren Film Stung, in dem Monsterwespen auf blutige Jagd auf eine Partygesellschaft gehen. In ABCs of Superheroes (Foto) bewundern wir Brüste in allen Formen und Farben. Was für ein Fest!

Text: Andra Wöllert

 

„Old Boyz in the Hood“

Sven Amtsberg und Gunter Gerlach leisten im Musikpavillon von Planten un Blomen unvergessliche literarische Nachbarschaftshilfe.

Gunter Gerlach und Sven Amtsberg haben gemeinsam 800 Kurzgeschichten und 49 Gedichte zum Thema Nachbarschaft verfasst. Außerdem haben sie eingestanden, dass sie eineiige Zwillinge sind – vom Leben nicht immer auf Samt gebettet, vom Klima in St. Tropez, von ignoranten Feuilletonisten und anderen Unbilden gezeichnet, aber ehemals identisch in Aussehen, Geisteshaltung und Talent. Jetzt, da es endlich ausgesprochen ist, wollen sie der Welt ihr Werk nicht länger vorenthalten und laden zum Picknick in den Musikpavillon von Planten un Blomen. Weil keiner von beiden musikalisch ist, werden sie von dem Hamburger Musiker Sven Bünger begleitet. Gepicknickt wird auch bei Regen, denn der Pavillon ist überdacht und die beiden Wortführer sind wetterfest. Den Picknickkorb muss aber jeder selbst mitbringen.

 

Kopf oder Gral? – Bertold Hering

Kurzfilme zwischen Genialität und Demontage: Das Metropolis-Kino zeigt einen Teil des Werks des Hamburger Filmemachers Bertold Hering.

Die Bedingungen der Wahrnehmung sind Bertold Herings liebstes Spielzeug, wenn er seine Kurzfilme konzipiert und dreht. Dessen Grenzen und Dimensionen stellt er besonders gern heraus und so geht es in einem Film über die Fruchtbarkeitsgöttin Demeter beispielsweise darum, dass die genormten Farben RAL 6018 grasgrün und RAL 6002 laubgrün gar keinem vegetativen Grün entsprechen, obwohl die Bezeichnung genau das implizieren möchte. Hering studierte Film an der HfBK. Seine Filme zwischen Genialität und Demontage produziert er seit 1973 und wie man die unter widrigsten Bedingungen dreht, erzählt er am Dienstag selbst im Metropolis Kino. Das zeigt dann in der Reihe kinelab zudem oder vor allem fünf Werke des Filmemachers unter dem Titel Kopf oder Gral? – darunter auch der Grün-Schwindel in Demeters Weg.

Text: Andra Wöllert

 

Best Of Poetry Slam

Das Woodstock der Literatur: Zum Slammer-Großereignis gesellen sich Deutschlands größte Bühnenpoeten auf die Bühne der Bahrenfelder Trabrennbahn.

Eins ist mal klar: Die Zeiten, in denen sich ein paar Spaßvögel auf kleinen Bühnen trafen, um vor einer Handvoll schadenfroher Zuschauer intellektuell blank zu ziehen, sind vorbei. Nach zehn Jahren Kampf der Künste ist Poetry Slam kein Nachtschattengewächs mehr, keine Literatur aus der Dunkelkammer, keine subkulturelle Seitenstraße und schon gar nicht die Stimme aus dem Off. Poetry Slam ist massentauglich. Was sagt uns das? Der Hamburger Royal mit Käse ist schließlich auch massentauglich. Oder der Selfie Extender Stick. Sogar Oberlippenbärte sind massentauglich. Egal. Poetry Slam isses jetzt eben auch. Es ist wirklich groß, so groß, dass man mal eben die Trabrennbahn klarmacht, weil da 15.000 Menschen Platz finden und weil das dann der größte Poetry Slam der Welt ist. Zu diesem historischen Ereignis finden sich natürlich nur die weltbesten Slammer ein: Julia Engelmann, Torsten Sträter, Patrick Salmen, Jan Philipp Zymny, Sebastian 23, Andy Strauß und selbstverständlich Moderator Michel Abdollahi, ohne den sich jeder Poetry Slam so einsam anfühlen würde wie Elmex ohne Aronal.

Text: Nik Antoniadis

 

„Der Sommer mit Mamã“

Das 3001 Kino zeigt die preisgekrönte brasilianische Gesellschaftskomödie über die familiären Dissonanzen einer Hausangestellten.

In die Küche darf sie, wann sie möchte. Ins Wohnzimmer nur, wenn sie gerufen wird. Das gute Eis im Kühlschrank ist dem Sohn der Familie vorbehalten, vom billigen darf auch sie essen. Und bieten ihr die Herrschaften mal etwas an, gilt es stets, dies abzulehnen. In den 17 Jahren als Nanny im Haus einer vermögenden Familie in São Paulo hat Val (Regina Casé) solche Regeln nicht nur fraglos zu ertragen gelernt. Sie ist auch dem Dienstherrensohn Fabinho mehr zur Mutter geworden als dessen leibliche Erzeugerin.

Doch auch Val ist Mutter. Einst ließ sie ihre Tochter Jessica zurück, um für ihren Unterhalt Geld zu verdienen. Zehn Jahre hat sie Jessica nicht gesehen, als diese zu ihr nach São Paulo zieht und den Alltag durcheinanderwirbelt.

Fulminant und lebensnah füllt die beim Sundance-Festival preisgekrönte Regina Casé ihre Figur mit frohlauniger Vitalität. Und doch wirkt die Stimmung in Der Sommer mit Mamã durch ihre Aura absoluter Selbstverständlichkeit schonungslos hart. Erst gegen Ende drängen Leichtigkeit und komödiantische Töne die Realität stärker an den Rand dieses luxuriösen Kammerspiels, das jetzt im 3001 Kino läuft.

Text: Marcelo Millot

 

Yamato

Der Herzschlag alles Lebendigen: Die japanische Rhythmus-Truppe präsentiert ihre neue Show in der Hamburgischen Staatsoper.

Im archaischen Japan galt Trommeln als die geeignete Form, mit den Göttern ein Gespräch anzufangen. Und weil die in einiger Entfernung vermutet wurden, musste entsprechend laut getrommelt werden. Diesen Brauch setzt die japanische Gruppe Yamato bis heute fort. Mit der neuen Show kommen sie in der Sommerpause in die Hamburger Staatsoper: Bakuon – Legend of the Heartbeat zelebriert den Herzschlag alles Lebendigen und überträgt die pulsierenden Rhythmen von riesigen Trommeln unmittelbar in den Brustkorb des Publikums. Die Performer ähneln Samurai weit mehr als Musikern, wenn sie ihre Stöcke wie Schwerter benutzen und mit ganzem Körpereinsatz spielen. Das machen sie nicht nur auf über 40 fellbespannten Hohlkörpern, sondern auch mit anderen traditionellen japanischen Instrumenten, der dreisaitigen Shamisen und bronzenen Chappa-Zimbeln. Klangvolles Kommunizieren auf hohem Niveau.

Text: Dagmar Ellen Fischer

 

„Wir sind keine Barbaren“

Philip Löhles Stück entstand während der unsäglichen Debatte um „Überfremdung“ in der Schweiz, ist aber in Hamburg kein bisschen weniger aktuell.

Neben Barbara und Mario sind neue Nachbarn eingezogen, Paul und Linda. Die Paare plaudern ein wenig über Sport, veganes Kochen und die Wahl zwischen Rosé und Prosecco. Kaum haben die Nachbarn sich angenähert, zerstreiten sie sich wieder. Der Grund ist ein Fremder, der bei ihnen Asyl sucht. Barbara und Mario nehmen den Flüchtling auf, ohne zu wissen, wie er heißt oder woher er kommt.

Ein bisschen wie Der Gott des Gemetzels plus X – das X steht für das Unbekannte, eine Projektionsfläche der Schuldgefühle, Ressentiments, Sehnsüchte und vor allem Ängste. Das Stück des Dramatikers Philipp Löhle erzählt von der Angst vor dem Fremden und entstand während der Schweizer Debatte um „Überfremdung“. Es wurde in Bern uraufgeführt, während das Land sogenannte Einwandererkontingente einführte, und feiert nun Premiere im Theater Kontraste im Winterhuder Fährhaus.

Text: Natalia Sadovnik

 

„L’Chaim! – Auf das Leben!“

Vom Millionär zum Altenpfleger: Chaim Lubelski ist ein Lebemann sondergleichen. Doch als seine Mutter pflegebedürftig wird, ändert sich alles.

Er führte ein Leben wie eine Achterbahn. Er war Hippie und Dealer, lebte in Deutschland, Paris und London, war in Afghanistan, wurde in New York Geschäftsmann und feierte als hochrangiger Profi-Schachspieler Erfolge. Er ging, wohin der Wind ihn trug oder Ideen lauerten. Gerade ist Chaim Lubelski – mittlerweile über 60 Jahre alt – nach Antwerpen gezogen, in ein Altersheim. Darin wird nicht etwa er gepflegt, Lubelski betreut seine Mutter Nechama. Sein Cousin Elkan Spiller hat dieses Kapitel von Lubelskis Leben mit der Kamera festgehalten und heraus kam L’Chaim! – Auf das Leben! – eine Dokumentation über den Ex-Millionär und Lebemann sowie über die Erinnerungen Nechamas an die Familie und den Holocaust. Zur Premiere im Abaton am Montag kommen übrigens Protagonist und Regisseur höchstpersönlich.

Text: Andra Wöllert

 

Ruleta Rusa

Dieser spanische Punk und Hardcore made in San Francisco ist nichts für seichte Gemüter. Aber die finden eh nur selten ins Hafenklang.

Wie muss man sich Russisches Roulette auf Spanisch vorstellen? Zunächst einmal gibt es Entwarnung: Im Gegensatz zum Original ist diese Variante nicht tödlich, aber bösartig und vor allem musikalisch. Ruleta Rusa ist eine spanischsprachige, fünfköpfige Band aus San Francisco und spielt Punk inspiriert von der spanischen Szene mit Bands wie Eskorbuto, RIP, MCD oder La Uvi und vom kalifornischen Punk und Hardcore der frühen Achtziger. José, Andrew, Ratboi, Jimoh und Josh nennen diese Mischung auf ihrer Facebook-Seite Rock Basura und auf ihrer Europatour wehen sie den Fans ihren explosiven, bösartig aber eingängig klingenden Sound live um die Ohren. Zum Glück ist das Hafenklang, wo das Konzert am Montag stattfindet, derartige Soundgewitter gewöhnt. Also Freunde zusammen sammeln und schön moshpitten auf Spanisch.

Text: Andra Wöllert