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König Artus

Guter Stoff mit Anleihen bei Shakespeares „Sommernachtstraum“, Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“ und „Harry Potter“ – für Kinder ab acht Jahren.

Merlin betritt die Bühne, am Handgelenk eine auffällige Armbanduhr. Schnell wird klar, dass Heiner Stadelmann nicht etwa vergessen hat, sie abzunehmen, sondern dass der große Zauberer durch die Zeit reisen kann. Und so weiß er zwar, dass England nicht zum letzten Mal in einer Krise steckt, aber gerade jetzt dringend Hilfe benötigt. Seit 15 Jahren ohne Herrscher, sind die Menschen im Land gebeutelt von Kriegen zwischen den einzelnen Grafschaften. Ein kluger König muss her, um das Land zu befrieden… Ein gut gewählter Stoff in Zeiten, in denen die Nachrichten voll sind mit Unruheherden aus aller Welt. Markus Bothe inszeniert das Stück frisch und kindgerecht (zumindest für Kinder ab acht Jahren), mit trefflich eingebauten Witzen und Verweisen auf den Sommernachtstraum, Monty Pythons Ritter der Kokosnuss und den unvermeidlichen Harry Potter. Mit Brille und schwarzen Locken gleicht Artus dem Superstar unter den Zauberlehrlingen, doch er ist keine Kämpfernatur, seine Stärke ist der Glaube an wahre, friedensstiftende Ritterlichkeit. Insgesamt ist König Artus eine gelungene Inszenierung mit rasanten Kampfchoreografien und großen Zaubereien.

Text: Lisa Scheide

 

Merchandise

Die kürzlich zu einem Quintett angewachsene Band aus Tampa, Florida, präsentiert ihr neues Album „After The End“ live im Hafenklang.

Obwohl die Smiths und ihre Songs als Inbegriff des unglücklichen Heranwachsens gelten, einer recht universellen Erfahrung, sind ihre Nachahmer in den USA halbwegs überschaubar geblieben. Ein Jahrzehnt später haben sich dann sowieso Emocore-Bands ums unverstandene Jungvolk bemüht. Eigentlich ein Geniestreich, dass Carson Cox und seine Band Merchandise beide Trauerklöße in einen Sack packten: Die Band aus Tampa in Florida hat zunächst krude Tapes mit noisigen Punksongs veröffentlicht, über denen aber immer schon Cox‘ kehliges Morrissey-Imitat strahlte. Erst mit ihrem dritten Album After The End haben Merchandise allerdings so etwas wie eine Pop-Platte aufgenommen. Immens eingängige Songs wie Enemy und Little Killer mögen zwar nach den Achtzigern klingen, aber wie jene, die man immer noch gerne aus dem Plattenschrank kramt. Das ist ja dann schon wieder zeitlos.

Text: Michael Weiland

 

„Von Mädchen und Pferden“

Monika Treut präsentiert ihren „queeren Western“: Ein Problemteenager und eine höhere Tochter verlieben sich auf einem Reiterhof ineinander.

Die Geschichte des Filmes Brokeback Mountain ist hinlänglich bekannt: Im amerikanischen Drama von Regisseur Ang Lee aus dem Jahr 2005 verlieben sich zwei Cowboys (Heath Ledger und Jake Gyllenhaal) ineinander. Auch hierzulande greift eine Filmemacherin das Thema gleichgeschlechtliche Liebe im ländlichen Raum auf und drehte eine Art „queeren Western“. Diesmal sind es zwei junge Frauen, die sich auf einem Reiterhof in Rodenäs nahe der dänischen Grenze begegnen und annähern. Regisseurin Monika Treut erzählt in Von Mädchen und Pferden die Geschichte der 16-jährigen Alex (Ceci Chuh), eines Problemteenagers mit Null-Bock-Mentalität, die ein Praktikum auf dem Reiterhof machen muss, und Kathy (Alissa Wilms), einer höheren Tochter aus Berlin. Über die Tiere knüpfen sie ein enges Band zueinander. Wunderschöne Aufnahmen aus Nordfriesland treffen hier auf viel Gefühl. Die Hamburger Regisseurin ist bei der Vorstellung zu Gast.

Text: Lena Frommeyer

 

Kurze Tage, lange Filme

„Filibuster“ im B-Movie: Das kleine Kino in St. Pauli zeigt vom 1. bis 27. Dezember sechs Filme mit einer Länge von bis zu vier Stunden.

Drei Stunden lang und doch viel zu kurz: Für ihre Darstellung eines Paars in Blau ist eine warme Farbe (Foto) (4./7./13.12.) haben Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux im vergangenen Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes gemeinsam mit dem Regisseur Abdellatif Kechiche die Goldene Palme erhalten – ein Novum in der Geschichte des Festivals. Das intensive Beziehungsdrama steht am Anfang einer Reihe „überlanger“ Produktionen, die im Kinoalltag oftmals keine Chancen haben, vor allem zwischen den Jahren aber ein Publikum finden. Neben erfolgreich gestarteten Filmen wie dem römischen Gesellschaftsporträt La Grande Bellezza (7./14./ 21.12.) sind auch Erstaufführungen dabei, etwa das vierstündige Sozialdrama Norte – The End of History (27.12.), für das der philippinische Regisseur Lav Diaz den Goldenen Löwen in Locarno erhielt.

 

Soul Of Hamburg

Das Duo released sein Fotobuch, Flexibles Flimmern zeigt die Doku „Everybody Street“ und die besten Bilder des Wettbewerbs „Erkunde Hamburgs Straßen“ werden ausgestellt.

Wenn man durch die Straßen läuft, sieht man ständig etwas, das man festhalten möchte. Auf einem Foto. Um den Moment zu verewigen. Das Leben zu fotografieren. Ein Duo, das sich Soul of Hamburg nennt, hat sich auf diese Art der Fotografie spezialisiert. Ihre Bilder veröffentlichen sie in einem Blog. Gerade erst erschien ihr erstes Buch. Vom 1. bis 3. Dezember laden Soul of Hamburg, das mobile Kino Flexibles Flimmern und der Fotograf Fabian Melchers zu einem Gruppenevent in den Projektor. Zum einen präsentieren sie gemeinsam die Ausstellung Everybody Streetphotography 2, die 30 Gewinnerfotos des Wettbewerbes Erkunde Hamburgs Straßen umfasst. Knapp 500 Fotos wurden eingereicht, darunter auch Handyaufnahmen. Zum anderen zeigt Flexibles Flimmern am Dienstag ab 20 Uhr die kanadische Dokumentation Everybody Street von Cheryl Dunn. Die Filmemacherin illustriert darin die Entwicklung der New Yorker Street Photography in den vergangenen 90 Jahren und interviewt Fotografen, die das Genre maßgeblich prägten. Tickets können reserviert werden.

Text: Lena Frommeyer

Everybody Street – Trailer from Alldayeveryday on Vimeo.

 

Gereon Klug

Der Gründer der Hanseplatte schrieb jahrelang in seinen Newslettern über die Beschissenheit der Welt. Die E-Mails wurden Kult und das Buch „Low Fidelity“ ward geboren.

Gereon Klug schrieb für Hanseplatte, seinen Plattenladen im Karoviertel, die lustigsten Newsletter der Welt. Low Fidelity fasst die gesammelten Briefe in Buchform zusammen. Im Golem liest der humorvolle Schnauzbartträger am 3. Dezember aus den Newslettern, die viel mehr sind, als „Das-sind-unsere-neuen-Platten-Nachrichten“. Gereon Klug dazu: „Ich konnte zu den Platten nichts mehr sagen und ich dachte, das liest eh keiner mehr, schreibste halt irgendwas. Und dann kamen tatsächlich Reaktionen. Dass das Steinzeitmedium E-Mail überhaupt noch wer öffnet, obwohl man Hunderte davon am Tag kriegt und alle facebooken – ich bin erstaunt und froh darüber, dass mir das eine Zeitlang gelungen ist.“ Nun, worüber schrieb der Mensch, der auch als Tourmanager des Komiker-Trios Studio Braun arbeitete? Er habe sich an der Beschissenheit der Welt und den Zumutungen der Moderne abgearbeitet. „Wir sind umzingelt von schlimmen Sachen, sexuell, religiös, optisch, ästhetisch, politisch.“ Also reichlich Stoff, an dem er sich austobte.

Text: Lena Frommeyer

 

Ohne Worte

Dafür aber mit Händen und Füßen – die neue Ausstellung „Dialog im Stillen“ bittet zum stummen Gespräch. Eine vorherige Reservierung ist notwendig.

Bisher brachte die Erlebnisausstellung Dialog im Dunkeln uns den Alltag von blinden Menschen näher – seit Herbst 2014 beschäftigt sich die Ergänzung Dialog im Stillen mit dem Thema Gehörlosigkeit. Gleich zu Beginn der 60-minütigen Tour setzen die Besucher schalldichte Kopfhörer auf: Die Umwelt ist verstummt, während die gehörlosen „Sprachlehrer“ durch die fünf Stationen der Ausstellung und in die nonverbale Kommunikation einführen. Mimik, Hände und Körperhaltung rücken in den Mittelpunkt. Anhand von Tafeln, Licht- und Schatten-Leinwänden und vielen Übungen erklären die Guides einfache Gebärden: Sie zeigen wie man das zentrale Sprachorgan, die Hand, flink und präzise bewegt. Wer noch tiefer in die Welt der Gehörlosen eintauchen möchte, der kann sonntags am Brunch im Stillen teilnehmen: Rund ein Dutzend Leute – natürlich mit Kopfhörern – sitzt an zwei großen Tischen. Ohne Worte, dafür mit Händen und Füßen wird sich dabei unterhalten, nach der Butter oder dem Kaffee gefragt. Schnell kommt man ins Gespräch – mit dem gehörlosen Personal und den „ertaubten“ anderen Gästen. Nicht zuletzt wohl auch aufgrund der Tatsache, dass der vielleicht größte Vorteil der Gebärdensprache ist, auch mit vollem Mund sprechen zu können.

Text: Jannis Hartmann

 

Aleksej German

Im Rahmen des Deutsch-Russischen Kinoforums ist die Witwe des Filmemachers Aleksej German zu Gast im Metropolis.

Unabhängige Produktionen über die Ukraine und eine Werkschau des Regisseurs Aleksej German (geboren 1938) stehen im Mittelpunkt des Programms, das mit 22 Filmen den internationalen Kinodialog fördern möchte. Mit dem kritischen Kriegsfilm Straßenkontrolle war German schon in den frühen 1970er Jahren in der westlichen Filmwelt bekannt geworden, nun präsentiert seine Witwe das filmische Vermächtnis: Es ist schwer, ein Gott zu sein (Originaltitel: Trudno byt bogom) ist eine dreistündige Zeitreise in die Menschheitsgeschichte. Am 1. Dezember stellt die russische Autorin Svetlana Karmalita das Werk ihres 2013 verstorbenen Mannes Aleksej German vor. Weitere Filme im Rahmen des Deutsch-Russischen Kinoforums sind noch bis zum 5. Dezember im Metropolis Kino zu sehen.

 

Easy October

Ruhig, akustisch, emotional: Die schwedische Band macht Musik wie gemacht für einen Roadtrip – oder die Hasenschaukel.

Kristoffer Hedberg kennt man hierzulande kaum. Solo schrieb er bisher hauptsächlich Songs in schwedischer Sprache. Gleichzeitig ist der Musiker die zentrale Stimme des 2011 gegründeten Bandprojekts Easy October. Mit seinen Kollegen Nike Ström, Kristofer Åström und Patrik Carlsson an der Seite schwenkt er auf englische Lyrik um. Das hat den wundervollen Effekt, dass nun eine breitere Öffentlichkeit eine Idee davon bekommt, wofür es sich zuvor gelohnt hätte, Schwedisch zu lernen. Punktgenau sind seine Texte, denen mit Melodien sanft Leben eingehaucht wird, die man anstandslos im Mittleren Westen der USA verorten könnte. Ruhig, akustisch, emotional – bei Göteborg muss es ebenfalls weite Prärien geben und Easy October liefern den perfekten Soundtrack für einen Roadtrip durch die Natur – oder eben für einen netten Abend in der Hasenschaukel.

 

„Tauberbach“

Das Tanzstück des belgischen Choreografen Alain Platel ist am 30. November zum vorerst letzten Mal auf Kampnagel zu sehen.

Die Arbeit des belgischen Choreografen Alain Platel begeistert sowohl die Kritiker als auch das Publikum. Seine neueste Produktion Tauberbach wurde von der Zeitschrift Tanz zur Produktion des Jahres gekürt. Platel ließ sich von einem Gehörlosen-Chor inspirieren, der Kompositionen von Johann Sebastian Bach aufführte (Achtung, Wortspiel: Tauber Bach). Die fünf Tänzer des Kollektivs Les Ballets C de la B und die Schauspielerin Elsie de Brauw zeigen, wie man im vermeintlich Krankhaften, Andersartigen und Hässlichen das Schöne entdeckt. Oder, wie es die Veranstalter ausdrücken: „Ein Universum am Rand unserer Wahrnehmung, in dem die Logik unserer Sinne außer Kraft gesetzt wird.“ Platels Choreografie war in den letzten zwei Tagen bereits auf Kampnagel zu sehen. Die vorerst letzte Gelegenheit bietet sich nun am 30. November.

Text: Natalia Sadovnik