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Wreckless Eric

Zwischen den Stühlen des Musikbusiness hat Wreckless Eric Songs geschrieben, die nie groß wurden, dafür auf den kleineren Bühnen legendär sind.

Den ganz großen Erfolg konnte der britische Wreckless Eric nie für sich verbuchen und trotzdem kann man ihm Legenden-Status zuschreiben. Vielleicht zu eingängig für den Punk, zu eigenwillig und chaotisch für den Mainstream, spielte er stets irgendwo zwischen den Stühlen, gründete Bands, um sie kurze Zeit später wieder aufzulösen, gab sich einen Lebensabschnitt der Karriere des Vollzeitalkoholikers hin, wie er selbst erklärt, und schrieb schließlich seine Autobiographie mit dem Titel Ein dysfunktionaler Erfolg – Das Wreckless-Eric-Handbuch. Vielleicht braucht es eben all diese Zutaten, die so weit weg vom klassischen Erfolg einsortiert sind, um schließlich das im Gepäck zu haben, was der Brite mit dem Cockney-Akzent bei seinen Konzerten auf die Bühne bringt. Diese Songs, die rücksichtslos vereinen, was ihm selbst passt, die sich schnoddrig im Kopf festsetzen.

Text: Miriam Mentz

 

Shantel & Bucovina Club Orkestra

Man sollte vorsichtig mit Begriffen wie „Live-Spektakel“ umgehen. Bei Shantel befinden wir uns jedoch punktgenau in der Wortdefinition.

Hätte man nur zehn Sekunden, um zu erklären, warum man eine Show von Shantel und seinem Bucovina Club Orkestra besuchen sollte, schmisse man vermutlich schnell mal Songtitel wie Disko Partizani oder Disco Boy in den Raum, ergänzt um den Verweis darauf, dass es sich hier um den mindestens gefühlten Erfinder des Balkan-Pop handle. Würde man nun noch etwas mehr ausschweifen dürfen, sei zu erwähnen, dass man diesem Künstler und Produzenten so nicht gerecht wird, der einer der gefragtesten Downbeat-Acts der 1990er war, Filmmusik für Fatih Akin und Sasha Baron Cohen schrieb, auf so ziemlich jedem wichtigen Festival der Welt eine Bombenshow ablieferte und ein immer anzuführender Beweis dafür sein könnte, dass Mannheim als Musikstadt nicht völlig versagt hat, sondern sogar Musiker in die Welt entlassen hat, denen wir liebend gerne unsere Ohren und aktuelle Stimmung anvertrauen.

Text: Miriam Mentz

 

Bücherflohmarkt

Sach-, Fach- und Kinderbücher, Reiseführer, Ratgeber und Belletristisches zum Schnäppchenpreis – viel Spaß beim Stöbern!

Das kann man mittlerweile eine schöne kleine Tradition nennen: Stets zum Jahresende findet im Lichthof der Staats- und Universitätsbibliothek ein Bücherflohmarkt statt. Das Niveau der angebotenen Ware ist hoch, schließlich landen hier nur Bücher auf dem Tisch, die die Uni auch in ihre Bücherei aufnehmen würde. Oder wie es die Veranstalter ausdrücken: „Es handelt sich um Dubletten zum Bestand der Bibliothek, die uns aus Geschenkzugängen erreicht haben“, darunter Fachbücher aus verschiedenen Wissensgebiete (mit Schwerpunkt Geisteswissenschaften) sowie Unterhaltsames aus der Belletristik, Reiseführer, Kinderbücher und Ratgeber. Weiterhin wissenswert: „Wie jedes Jahr gibt es eine Höchstgrenze von 10 Bänden pro Käufer, ausgenommen mehrbändige Werke. Der Erlös aus dem Buchverkauf wird zum Kauf von aktueller Literatur für die Bibliothek verwendet und hilft so, unseren Buchbestand aktuell und attraktiv für unsere Benutzer zu halten.“ Na dann, nichts wie hin.

 

Marianne Faithfull

Die Sängerin, Schauspielerin und Rock’n’Roll-Überlebende präsentiert ihr neues Album, „Give My Love To London“, live auf Kampnagel.

Sie ist seit über 50 Jahren prominent und geht nun langsam auf die Siebzig zu. Erst seit wenigen Jahren, so Marianne Faithfull in einem Interview mit dem ZEIT Magazin, werde sie für ihr Schaffen angemessen respektiert. Mit Give My Love To London ist kürzlich ihr 19. Album erschienen. Der Titel ist nicht etwa als späte Liebeserklärung an jene Stadt gemeint, zu dessen „swingin‘ sixties“ die Sängerin, Darstellerin und Großnichte von Leopold von Sacher-Masoch einiges beigetragen hat, sondern verstrahlt einen amüsant-subtilen Sarkasmus, wenn man weiß, dass Faithfull ihre Abneigung gegen die englische Hauptstadt auch jederzeit offen zu formulieren wagt. Normalerweise zwischen ihren Wohnsitzen in Paris und Irland pendelnd, begibt sich Marianne Faithfull jetzt noch mal auf große Tournee. Es wird dem Vernehmen nach wahrscheinlich ihre letzte sein.

 

Deltron 3030

Die Hip-Hop-Supergroup um den Produzenten Dan the Automator feiert nach vierzehn Jahren ihr Comeback im Uebel & Gefährlich.

Wer hätte gedacht, dass man die noch mal zu sehen bekommt? Deltron 3030 traten erstmals im Jahr 2000 in Erscheinung. Ihr selbstbetiteltes Debüt setzte Maßstäbe in puncto Originalität und Abgeklärtheit. Von Könnern wie dem Produzenten Dan the Automator, dem Rapper Del tha Funkee Homosapien und dem DJ-Virtuosen Kid Koala war auch nichts anderes zu erwarten. Danach verschwand die All-Star-Group wieder in der Versenkung, während die einzelnen Mitglieder an ihren jeweiligen Solokarrieren und anderen Projekten (so zum Beispiel Gorillaz) weiterbastelten. Letzten Herbst erschien dann überraschenderweise das zweite Album von Deltron 3030, das den passenden, aber auch irgendwie lieblosen Titel Event 2 trägt. Im Rahmen seiner Europatour kommt das Trio nun in Bandbegleitung (sie nennen es „Orchestra“) nach Hamburg. Auf die Live-Show kann man gespannt sein.

 

Brittani Sonnenberg

Wie ist es, auf mehreren Kontinenten gleichzeitig aufzuwachsen? Die amerikanische Schriftstellerin stellt ihr Buch im Nochtspeicher vor.

Brittani Sonnenberg ist eine „Nomadin des Kapitalismus„. Sie gehörte zu jenen Kindern, deren Eltern für internationale Konzerne und Organisationen auf der ganzen Welt arbeiteten, mal auf diesem und mal auf jenem Kontinent leben und nirgendwo richtig zu Hause waren. Die Schriftstellerin wurde als Kind einer amerikanischen Familie in Hamburg geboren und wuchs zwischen London, Shanghai und Singapur auf. Das klingt aufregend – und entwurzelt. Was macht so ein Leben mit einem? Brittani Sonnenberg hat ein Buch darüber geschrieben, den Roman Heimflug (Home Leave). Sie stellt ihn am 26. November im Rahmen der Reihe Der Norden liest vor. Unterstützung bekommt sie dabei von der deutsch-amerikanischen Schauspielerin Lavinia Wilson und die in Hamburg lebende, New Yorker Musikerin Eva Keretic.

Text: Lena Frommeyer

 

King Tuff

Matte, Kutte, Sonnenbrille: Kyle Thomas und seine Mannen erklären die Gemeinsamkeiten von Sex und Rock’n’Roll am 26. November im Hafenklang.

Och Gottchen, wie die aussehen: langes Haar, Arschloch-Sonnenbrille, Stirnband, Jeans-Kutte und jede Menge Sticker… Seriös ist was anderes. Aber keine Bange: Die wollen nur spielen, und zwar den guten, alten Rock’n’Roll (einen Gebrauchtwagen würde man denen jedenfalls nicht abkaufen). Also: Cool abgehangener Garagenrock und dreckiger Heavy-Blues ist das Metier von Kyle Thomas, der sich auf der Bühne King Tuff nennt und von zwei Kumpels an Bass und Schlagzeug begleiten lässt. Seit fast zehn Jahren ist Thomas als tuffer König unterwegs. Drei Alben sind in diesem Zeitraum erschienen, das letzte beim legendären Sub-Pop-Label. King Tuff bezeichnet die Platte als „rock & roll sexperience“: „Rock’n’Roll and sex are the same thing. They both involve energy, juices, rhythm, sound, excitement, pleasure, at least a little bit of talent, screaming and orgasm faces.“ Keine Frage, das wird mit Sicherheit ein lustiger Abend.

 

Benjamin Booker

Rau, elektrisch verstärkt und nicht unauthentisch: Ein 25-jähriger US-Amerikaner trägt die Fackel des Blues ins 21. Jahrhundert.

Die Musikgeschichte ist ein endloses Weiterreichen der Fackel, explizit bei Folk- oder Jazzstandards, etwas verklausulierter in den Samples und Zitaten von Popmusik. Und wenn ein Mittzwanziger wie Benjamin Booker sich in seinem punkigen Bluesstücken auf jüngere Acts wie die White Stripes bezieht (statt, sagen wir mal, Robert Johnson oder Leadbelly), ist das nicht unauthentisch, sondern im Gegenteil ehrlich. Der Gitarrist spielt nicht nur elektrisch, er wirkt auch selbst so. In den Liedern seines Debütalbums steht er hörbar unter Strom, als hätte der junge, wütende Conor Oberst den Soul gefunden. Punk, Blues und mehr als solides Songwriting treiben Benjamin Bookers Songs an, deren Energielevel zuverlässig im roten Bereich bleibt. Dagegen ist Idol und Jam-Partner Jack White schon fast Classic Rock. Die Fackel brennt in seiner Hand jedenfalls gleißend hell.

Text: Michael Weiland

 

Melodica Festival

Das 8. Melodica Festival Hamburg wirft seinen Schatten voraus – das Warm-up findet am 24. November in der Pony Bar statt.

Nach einer kreativen Pause im letzten Jahr findet das Melodica Festival nun zum 8. Mal wieder in Hamburg statt, erneut präsentiert vom Originalton e.V. Hamburg. Zur Warm-Up-Veranstaltung am 24. November in der Pony Bar geben sich River Crombie (Foto) aus Australien und der Hamburger Singer/Songwriter Torben Stock die Ehre. Das eigentliche Festival startet am Freitag, den 28. November, in der Hasenschaukel – wiederum mit Crombie sowie einigen „Allstar-Künstlern“ aus dem Hamburger Melodica-Netzwerk. Am Samstag und Sonntag darauf sind im soziokulturellen Stadtteilzentrum Kölibri am Hein-Köllisch-Platz jeweils ab nachmittags in bester Kaffeehaus-Atmosphäre weitere akustische Höhepunkte (zum Beispiel von Robert Bearsby, R.T. Woods und Meadows Ever Bleeding) erleben. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

 

American Authors

Ihren Pop-Rock-Songs scheint die Sonne aus dem A****. Das Indie-Quartett aus New York spielt live im Knust.

Wenn man seinem Debütalbum den Titel Oh, What A Life verleiht, kann man nur Vollblutoptimist oder Zyniker sein. Das amerikanische Quartett, das sich American Authors nennt und hinter eben dieser Tonträgerveröffentlichung von vergangenem März steckt, zählt in die erste beider Kategorien und somit zu einer der vermeintlich kleineren Fraktionen der Musikwelt. Die vier Bandmitglieder lernten sich auf dem Berklee College Of Music kennen und brachen gemeinsam das Studium ab, um in einer kleinen Wohnung in Brooklyn zu leben und Musik zu machen. Die Pop- und Rocksongs, die hier entstanden – wie unter anderem der Radiohit Best Day Of My Life – behandeln nicht ausschließlich die Sonnenmomente des Lebens, doch bleibt der optimistische Weltblick erhalten. Ziemlich sicher, dass ein Konzertabend mit dieser Band dem allgemeinen Wohlbefinden nur zuträglich sein kann.

Text: Miriam Mentz