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Die Zimmermänner

Die Hamburger Intelligent-Pop-Institution um Detlef Diederichsen, Rica und Timo Blunck tritt im Hafenklang auf. Das Konzert ist ausverkauft.

Verve, Charme und ein Hauch von jugendlicher Unbeschwertheit: Mit Ein Hund namens Arbeit ist den Zimmermännern – immerhin schon seit 1980 mit längeren Unterbrechungen aktiv – ein wirklich tolles neues Album geglückt, das überwiegend beschwingte Instrumentierung und die Weisheit des Alters in zwölf frechen Popsongs vereint. Stark. Auch schön: das Fünf-CD-Boxset Die Wäscheleinen waren lang, welches das Schaffen der Zimmermänner von 1980–1984 zusammenfasst. Beide Tonträger sind beim Hamburger Label Tapete erschienen. Anlässlich dieser Veröffentlichungen treten Die Zimmermänner am 28. November im Hafenklang auf. Das Konzert ist jedoch ausverkauft. Wer die Band dennoch sehen möchte, sollte sich rechtzeitig Karten für den Auftritt am 10. Januar 2015 im Nachtasyl besorgen.

 

„If We Ruled The World“

Migration und Globalisierung sind die Themen des Theaterkollektivs Hajusom, das in diesem Jahr seinen 15. Geburtstag mit einem Fest auf Kampnagel feiert.

Zum Hajusom-Netzwerk gehören rund 55 junge Menschen unterschiedlicher Herkunft, die mit internationalen Künstlern bereits zahlreiche Produktionen auf die Bühne brachten. Seit Jahren zeigt das Theaterkollektiv, das sich mit Migration und Globalisierung auseinandersetzt, wie transnationales Theater funktionieren kann. Ende dieses Jahres fahren sie nach Burkina Faso, um mit den Künstlern aus Ouagadougou eine Produktion zu entwickeln, die im März 2015 auf Kampnagel zu sehen sein wird. Zunächst gilt es jedoch, für Hajusom die Erfolge des Jahres 2014 zu feiern: ihren 15. Geburtstag und den mit 20.000 Euro dotierten Max-Brauer-Preis, mit dem sie für ihr kulturelles Engagement ausgezeichnet wurden. Außerdem hat Hajusom im Verlag Theater der Zeit das Buch Masters of Paradise veröffentlicht, das sich mit dem modernen Nomadentum auf und hinter der Bühne auseinandersetzt. Das nehmen die jungen Theatermacher zum Anlass, um ein politisches Festival unter dem Motto Migration-Flucht-Utopie auf die Beine zu stellen. Neben Konzerten, einer Rauminstallation und einer Kinovorstellung stehen Diskussionsrunden und Kunstaktionen im Freien auf dem Programm sowie eine Gala-Performance.

Text: Natalia Sadovnik

 

„Züri brännt“

Punk, Protest und Straßenschlachten: Das Lichtmeß-Kino zeigt eine Videodokumentation über den heißen Sommer 1980 in Zürich.

Jugendunruhen in Zürich, 1980: Als damals der Umbau des Opernhauses mit 60 Millionen Franken subventioniert werden sollte, erlebte die Schweizer Bankenmetropole einen heißen Sommer. Der Opernhauskrawall war nur eine von zahlreichen 
Demonstrationen, Besetzungen und anderen Aktionen, mit welchen die Jugendlichen 
im „heißen Sommer“ 1980 gegen die „Behäbigkeit und den verstaubten Mief des 
konservativen Bürgertums in der Zwingli-Stadt“ aufbegehrten. In den Straßen von Zürich kam es zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, die während eines Jahres immer wieder aufflammten. Züri brännt verkündete nicht nur ein Punk-Stück der Zürcher Band TNT, ebenso explosiv geriet die gleichnamige Videodokumentation. Ihre Darstellung der Straßenschlachten aus Sicht der Aktivisten und ihre fantasievollen Aktionen zur Unterwanderung der Hochkultur regten damals nicht nur zu ästhetischer Nachahmung an.

 

Tagebuchlesung

Der Verein Clubkinder bringt Menschen dazu, aus den Aufzeichnungen ihres Teenager-Ichs vorzulesen. Kelly Familie, Herzschmerz, Zoff – wir waren doch alle gleich…

Wenn man den Freund der besten Freundin geküsst hat, seinen Po zu dick und die Brust zu flach fand oder für den Sportlehrer schwärmte, dann schrieb man das als Teenager in sein Tagebuch. Mit einem Schnappschloss vor neugierigen Blicken geschützt lag das gute Stück versteckt im Jugendzimmer. Gibt es das wohl heute noch bei Heranwachsenden – ein klassisches Tagebuch? Oder bloggen die lieber? Wie auch immer… Regelmäßig lädt der gemeinnützige Verein Clubkinder zur Tagebuchlesung. Meist sitzen dann Mitglieder der Generation Y auf der Bühne und lesen vor, was ihr Teenager-Ich damals bewegte. Es wird peinlich, herzzerreißend, altklug – auf jeden Fall lustig. Die nunmehr 12. Ausgabe soll einem besinnlichen Motto gewidmet sein, die Einnahmen dienen (wie immer) als Spende dem guten Zweck. „Ich habe mich in Angelo Kelly verliebt.“ „Wenn einer in dich hineingucken will, außer ich, darfst du dich nicht aufmachen lassen.“ Man darf sich auf Sätze wie diese freuen. Vielleicht haben wir uns ja seitdem gar nicht so sehr verändert.

 

Kate Tempest

Spoken-Word-Poetry zwischen James Joyce und Wu-Tang Clan: Die 28-jährige Britin stellt ihr Debütalbum live im Molotow vor.

Wo hört Spoken-Word-Poetry auf und wo fängt Rap an? Der Übergang ist seit jeher fließend. Und spätestens seitdem sich Rap Ende der 1990er Jahre in alle möglichen musikalischen Richtungen weiterzuentwickeln begann und MCs über den HipHop-Tellerrand zu blicken gelernt haben, scheinen die Grenzen endgültig verwischt. Die 28-jährige Kate Tempest aus London ist auf dem weiten Feld der Wortkunst zu Hause. Literatur und Rap, James Joyce und der Wu-Tang Clan sind ihr gleich wichtig. Dass sie mit diesem freidenkerischen Ansatz den Ninja-Tune-Label-Ableger Big Dada für eine Plattenveröffentlichung gewinnen konnte, will da nicht weiter verwundern. So erschien dort kürzlich ihr Everybody Down betiteltes Debütalbum, das sie nun auf einer Europa-Tournee live vorstellt. Über ihren Zwischenstopp im Molotow freuen wir uns.

 

 

„Grotesken des Alltäglichen“

Vier Positionen am Rande des guten Geschmacks: Im Gängeviertel zeigen Künstler verstörende Absurditäten des täglichen Lebens. 

Die „Ästhetik des Absonderlichen“ hat es den vier KünstlerInnen angetan, die ab dem 27. November gemeinsam in der Galerie Speckstraße ihre Werke ausstellen. Die Bilder, Collagen, Skulpturen und Videos von Maaike Dirkx, Jens Rausch, Boje Arndt Kiesiel und Nino Svireli spüren den Verführungen der Konsumwelt und anderen Absurditäten des täglichen Lebens nach, „zitieren dabei teils ironisch, teils verstörend das unersättliche Verlangen nach ‚mehr'“ (Veranstalterinfo) und liefern Antworten auf Fragen wie: Warum ist die Cornflakes-Packung nicht nur für Kinder so verführerisch? Inwiefern stellen Plastik-Umverpackungen ein Spiegelbild unserer Zeit dar? Und warum steckt in jedem absurd-grotesken Dialog auch immer ein Moment der Poesie? Die Ausstellung läuft noch bis zum 6. Dezember.

 

Bunker Slam

Der „Kampf der Künste“ geht in seine 44. Runde – mit Slam-Poeten aus der ganzen Republik, Moderator Michel Abdollahi und DJ Johnboy Jones.

Auf zum nächsten Poetry-Slam in „Hamburgs härtester Arena“ (womit nicht nur das Bunker-Gemäuer des Uebel & Gefährlich gemeint sein dürfte). Mit Nick Pötter, Bo Wimmer, Sebastian Lehmann, Dominik Bartels, Malte Roßkopf, Andy Weber, Maik Martschinkowsky und Fabian Navarro treten am 27. November acht Slammer aus Berlin, Hamburg, Marburg, Helmstedt und Münster gegeneinander an, um im Rahmen der mittlerweile 44. Ausgabe des 2005 ins Leben gerufenen Kampf der Künste die Gunst des Publikums für sich zu gewinnen. Die Moderation übernimmt wie immer Michel Abdollahi. Für duften Disco- und House-Sound ist diesmal DJ Johnboy Jones zuständig. Kleiner Tipp am Rande: Unter dem Titel Best of Poetry Slam #1 ist in diesem Jahr ein 210 Seiten starkes Buch mit zahlreichen Illustrationen herausgekommen, das die Höhepunkte der letzten zehn Jahre versammelt.

 

Kollektiv22

Die junge Hamburger Band singt und rappt auf Deutsch, Englisch und Französisch. Ihre Mischung aus Pop und Poesie zieht für ein Konzert in den Mojo Club.

Man sagt ja, zu viele Köche verdürben den Brei, aber das muss ja nicht für alles gelten, was aus der Küche getragen wird. Kollektiv22 nennen ihren Stil „musikalisches Ratatouille“, weil jedes der sieben Bandmitglieder etwas in den Topf geschnippelt hat: Folk, Reggae, HipHop, Chanson, Soul, Pop und Rock stehen auf dem Herd. Jetzt reicht es allerdings auch mit den kulinarischen Metaphern, zu den harten Fakten: Bei der Band handelt es sich um junge Musiker aus Hamburg, die auf Deutsch, Englisch und Französisch singen und rappen. Im Mai erschien ihr Debütalbum Geschichten ohne Versmaß, das mit einem ausverkauften Release-Konzert im Uebel & Gefährlich von den Fans freudig begrüßt wurde. Die Mischung aus Pop und Poesie kommt eben gut an: eine Boyband für Traumtänzer und Tagebuchschreiber. Um noch einmal in die Küche zurückzukehren: Kollektiv22s lange Zutatenliste ist ganz offensichtlich ein Erfolgsrezept.

Text: Michael Weiland

 

Lesung im Ledigenheim

Die Hamburger Autorin Petra Oelker stellt im Wohnheim für Männer ihren historischen Roman vor und unterstützt das Projekt „Das Ledigenheim erhalten!“.

Das Ledigenheim in der Rehhoffstraße bietet seit über hundert Jahren Männern ein Zuhause. Oft sind es Hafenarbeiter und Seefahrer, die hier leben. Jedoch ist der Fortbestand der Einrichtung bedroht. Jahrelang wurde die Instandsetzung des Gebäudes vernachlässigt. 2009 kaufte es ein dänischer Investor. Ob dieser das Haus langfristig als Männerwohnheim weiterführen möchte, scheint fraglich. Es ist die alte aber nicht minder brisante Investor-gegen-Minderheiten-Geschichte. Die Hamburger Autorin Petra Oelker liest am 24. November im Ledigenheim aus ihrem historischen Roman Das klare Sommerlicht des Nordens. Die Schriftstellerin verzichtet an diesem Abend auf ihr Honorar zugunsten des sozialen Projekts Das Ledigenheim erhalten! Im Roman kreuzen sich in der Kaiserzeit die Wege zweier völlig gegensätzlicher Frauen: Sidonie Eschberger lebt in einer Villa an der Außenalster, gehört zur jüdischen Oberschicht und möchte ihre gesellschaftlichen Fesseln sprengen. Dora Lenau arbeitet als Näherin in der Neustadt und träumt von finanzieller Unabhängigkeit.

Text: Lena Frommeyer

 

Ben Howard

Dunkle Töne, großes Fingerpicking: Der englische Singer/Songwriter gastiert mit neuer Scheibe „I Forget Where We Were“ am 25. November in der Sporthalle.

„Hot sand on toes, cold sand in sleeping bags.“ So sprach Ben Howard auf Every Kingdom (2011) über warme Sommertage und uns aus dem Herzen. Die neue Scheibe, I Forget Where We Were (2014), kommt schon vom Artwork düsterer daher und ist Anlass für eine spätherbstliche Konzertreise. Die Platte beginnt mit dunklen Tönen in Small Things, über die Howard mit trauriger Stimme singt „Has the world gone mad. Or is it me?“. Gänsehaut. Song zwei und sechs sind flotter. Der Titeltrack handelt dann doch vom Sommer, wenn auch von einem, der vorbeigeht. End Of The Air geht instrumental ab Minute 4.45 Uhr richtig ab, live darf man sich hingegen auf Stücke wie In Dreams mit großem Fingerpicking an der Gitarre freuen.

Text: Lena Frommeyer