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Benjamin Booker

Wie wär’s mit einem Newcomer? Benjamin Booker kommt aus New Orleans und hat just Ende April dieses Jahres sein Live-Debüt im US-amerikanischen Fernsehen gegeben. David Letterman, in dessen Show der Musiker aus New Orleans zu Gast war, zeigte sich sichtlich begeistert von der vorgetragenen Nummer namens Violent Shiver aus Bookers jüngst erschienenem, selbstbetitelten Debüt-Album. Darauf geht Bookers junge Band ziemlich traditionell zu Werke – ihr Stil schwankt zwischen unpeinlichem „Adult Orientated Rock“ und roh gehaltenem Singer/Songwriting. Bookers Qualitäten als Sänger werden vor allem in dem Stück Have You Seen My Son? deutlich: Egal, ob er den Song allein zur Akustischen singt oder elektrisch verstärkt mit Bandbegleitung – mit dieser Stimme würde sogar ein Weihnachtslied interessant klingen. Okay, um eine musikalische Neuerfindung handelt es sich hier sicher nicht. Aber wer mal wieder einen Geheimtipp entdecken möchte, der vielleicht schon im nächsten Jahr auf großen Bühnen steht (remember White Stripes), sollte sich am Dienstagabend in das Molotow Exil begeben.

Text: Michele Avantario

 

X-Faktor Kampnagel

Wer seine Inszenierung auf die Bühne von Kampnagel bringt, dem werden per se Attribute wie „Eigenwilligkeit“ oder „Rebellion“ zugeschrieben. Die Kulturfabrik ist ein Schmelztiegel für Künstler mit Charakter. Alle zwei Wochen kann man diese in der Reihe X-Faktor treffen und kennenlernen – bei einem Blind Date, man weiß nie, wer kommt. Die Ankündigung verspricht, dass internationale und lokale Choreografen, Tänzer, Theatermacher, Musiker, Regisseure, Dramaturgen, Performer oder andere Kunstschaffende zu Gast seien, die ihr Publikum kennenlernen möchten.  Entstehen darf dann gerne mehr als nur ein Smalltalk. Nicht schüchtern sein – künstlerisch intime Gespräche sind erlaubt. Beispielsweise könnte man die Hamburger Künstlerin Sylvi Kretzschmar fragen, was sie gefühlt hat, als ihr ehemalige Bewohner der vom Abriss betroffenen Esso-Häuser für ihre Nachruf-Performance auf den AB sprachen. Oder man spricht mit dem israelischen Wahlberliner Ariel Efraim Ashbel und dem Anthropologen Romm Lewkowicz über „weiße“ Kuriositäten und Völkerschauen in ihrem Stück All white people look the same to me. Aber man weiß ja leider nicht, wer zur Session am 26. Mai kommt.

Text: Lena Frommeyer

 

We Have Band

Wie kann man sich als Trio bloß freiwillig einen so unsagbar nichtssagenden Bandnamen aussuchen wie We Have Band? Dass ihre Fans sie nur noch „WHB“ nennen, macht das Ganze auch nicht besser – klingt das doch eher wie eine Unterabteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Wenn doch wenigstens die Musik der drei Briten aus Manchester etwas mehr Profil hätte … Sei’s drum: Ihr recht harmloser und gefälliger, mit elektronischen Sounds unterfütterter Pop erfreut sich dennoch (oder eben gerade aufgrund seiner relativen Beliebigkeit) zunehmend größerer Beliebtheit. Dem scheint auch eine müde Coverversion von Bowies eh schon mittelmäßigem Hit Let’s Dance kein Abbruch zu tun. Doch um bei all dem Gemecker mal etwas Positives anzumerken: Je mehr elektronische Kisten sie live ausgeschaltet lassen, desto interessanter klingen die Songs von We Have Band. Nette Stimmen haben die drei ja …

 

Poppige Stewardesses

Eines von vielen Band-Projekten, welche die umtriebige Hamburger Musikerin Catharina Boutari in den letzten Jahren angestoßen hat, ist The Stewardesses. Mit Uh Baby Uh ging es Mitte der 1990er los, das Girl-Power-Kollektiv Die Fiesen Diven folgte kurze Zeit später. 2001 gründete sie zusammen mit der im letzten Jahr überraschend verstorbenen Sängerin und Schauspielerin Chantal de Freitas das Label Pussy Empire sowie die Band The Stewardesses. Mit Letzteren geht es jetzt noch mal auf die Bühne, um einem Wunsch der verschiedenen de Freitas gerecht zu werden, nämlich die Songs, die kurz vor ihrem Tod im Studio entstanden, wenigstens ein Mal live aufzuführen. Im Juli jährt sich der Tod ihrer ehemaligen Band-Kollegin zum ersten Mal. Wenige Wochen vorher erweist ihr die Gruppe eine ganz besondere, musikalische Ehrung.

Text: Michele Avantario

 

Französischer Roadmovie

In jede anständige Filmsammlung gehören legendäre Roadmovies. Jetzt mal ehrlich – wenn Menschen auf einer Fahrt auf der Landstraße von Ost nach West, immer an der Küste entlang oder einmal quer durch’s Land verrückte Dinge erleben, sich verlieben, vor dem Gesetz fliehen, die Welt retten, dann kriegt das doch jeden, der kein Herz aus Stein hat. Easy Rider, Bonnie and Clyde, Death Proof, Little Miss Sunshine, Fear and Loathing in Las Vegas, On the Road … die Liste könnte ganz schön lang werden. Fehlen dürfte auch nicht dieser neue Beitrag aus Frankreich: In Water Music zuckeln fünf junge Musiker in einem Van von der Atlantikküste los in Richtung Schweiz. Wichtig ist ihnen dabei nur, immer in der Nähe von einer Möglichkeit zum Schwimmen zu sein. Auf ihrer Tour verschlägt es sie in den Osten Europas, wo sie anderen Menschen und Musikstilen begegnen – skurril und erleuchtend sind diese Treffen. Nach der Filmvorführung im B-Movie geben die Männer aus dem Film ein Akustik-Konzert und spielen eine wilde Mischung aus eigener, lokaler und folkloristischer Musik. Hinter dem Projekt steckt das Collective One Take, es setzt sich aus französischen Musikern und Filme- und Programmmachern zusammen – dies ist ihre erste gemeinsame Arbeit.

 

Störungen im Frappant

Manche Übersetzungsfehler amüsieren – beispielsweise, wenn an einer geschlossenen Tür des Justizzentrums in Wien ein Schild mit der Aufschrift: „Sorry, we are close!“ hängt. „Entschuldigt, wir sind nah!“ Freud’scher Vertipper? Die Ausstellung The Sun Is When Calling im Frappant thematisiert Missverständnisse durch mediale Übersetzungsverfahren in modernen Videoarbeiten, Installationen und Zeichnungen sowie die vorausgegangenen und resultierenden Störungen. Die Künstler Swen-Erik Scheuerling (Deutschland), Michael Zachary (USA), Pete Froslie (USA) und Janne Höltermann (Deutschland/USA) setzten sich mit Prozessen auseinander, kreierten fiktive und imaginierte Architektur, Räume und Geschichten, in denen mediale und optische Verfahren im Fokus stehen. Ein Paradebeispiel an Übersetzungsfehler wurde zum Ausstellungstitel: der Nonsense-Satz „The Sun Is When Calling“ ist das Ergebnis einer missinterpretierten Übersetzung von einem der ersten Testsätze, die über eine Telefonleitung übermittelt wurden.

Text: Lena Frommeyer

Ausstellung: 24.5.–1.6.
Di-Fr 16–19, Sa/So 14–19 Uhr

 

Opa Chaos UK

Lange bevor der Name des südenglischen Kaffs Portishead durch den gleichnamigen TripHop-Act Mitte der 1990er berühmt wurde, gründete sich dort eine der einflussreichsten Hardcore-Punk-Bands der britischen Inseln. Chaos UK, so ihr Name, sind seit 1979 im Dienst, haben seitdem mehrmals die Besetzung gewechselt, sich jedoch nie wirklich aufgelöst. Die Musiker dürften mittlerweile allesamt über 50 Jahre alt sein, die Nieten-Lederjacken und Mohawk-Frisuren wurden abgelegt. Dennoch scheinen Chaos UK ihren Druck bis heute nicht verloren zu haben. Nach einer längeren Pause melden sich die Briten nun zurück. Ein neues Album ist zwar nicht angekündigt, aber was soll’s: Olle Nummern wie A Month Of Sundays, Used And Abused und Skate Song bringen es immer noch. Am Ende des Abends heißt es dann: „Hope you got a fuckin‘ headache!“ – aber gern doch.

Text: Michele Avantario

 

Posen in der Laeiszhalle

Erstaunlich: Als die US-amerikanische Pianistin, Songschreiberin und Sängerin Tori Amos 1988 ihr erstes Album veröffentlichte (damals noch mit der Band Y Kant Tori Read), wurden davon gerade mal ca. 7000 Exemplare verkauft. Dann wurde sie vom A&R-Mann einer großen Plattenfirma entdeckt und gefördert. Das vorläufige Ergebnis: Little Earthquakes, ihr erstes reguläres Solo-Album, schoss mit über 2 Millionen verkaufter Einheiten in die US-, englischen und deutschen Charts. Es hagelte begeisterte Kritiken, in denen es aber nicht immer um ihre Musik und Texte ging, sondern auch gern mal über ihre roten Haare, ihre Pumps und Posen am Piano palavert wurde – was vermutlich daran lag, dass die meisten Rezensenten männlich waren. Seitdem sind ein Dutzend weiterer Alben von Tori Amos erschienen. Zuletzt, Anfang Mai, kam Unrepentant Geraldines heraus, das nach einigen Ausflügen in Richtung Kunstmusik wieder die Songschreiberin Tori Amos in den Vordergrund stellt.

Text: Michele Avantario

 

Bela B in der Fabrik

Egal, ob man nun mit seiner Stammband Die Ärzte jemals etwas anfangen konnte oder nicht: Dass Bela B ein Top-Schlagzeuger, -Songwriter und -Texter sowie ein sympathischer Sänger und Entertainer ist, steht wohl außer Frage. Über 20 Jahre nach Gründung der Ärzte startete Bela B alias Dirk Albert Felsenheimer seine Solo-Karriere („nebenher“ arbeitete er als Sprecher, Autor und Darsteller). 2006 erschien mit Bingo das erste Album unter seinem Namen. Für das aktuelle Werk wie auch für die Tour, die ihn in die Hamburger Fabrik führt, hat sich Bela B. eine Band gesucht, die ihn auf akustischen Instrumenten begleiten. Smokestack Lightnin‘ kommen aus Nürnberg und haben bereits sechs Alben veröffentlicht. Außerdem an der Seite des Punk-Docs: die Produzentin und Musikerin Peta Devlin, ehemaliges Mitglied bei den Hamburger Bands Die Braut haut ins Auge, Oma Hans und Cow.

Text: Michele Avantario

 

Soundkuchen in Superbude

Den Bandnamen könnte man programmatisch verstehen: Memoriez haben ein sehr gutes Erinnerungsvermögen. Die Sounds und Stile, die die Musik des Quartetts aus Hamburg prägen, speisen sich aus der Vergangenheit. Dass die vier Musiker aber auch mit mindestens einem Bein in der Gegenwart stehen, darauf weist schon die ungewöhnliche Endung im Bandnamen hin. Letztes Jahr haben Memoriez ihr Debüt-Album Huntin‘ A Hurricane veröffentlicht und konnten beim Wettbewerb Krach und Getöse 2013  von RockCity Hamburg einen Preis absahnen. Kein Wunder: Ihre mit Bass, Gitarre, Schlagzeug und Keyboard sparsam instrumentierten Songs klingen warm und sanft, mit einer Spur angenehmer Melancholie und der einen oder anderen Rock-Anleihe. Auszüge daraus spielen Memoriez bei ihrem Auftritt im Rahmen des Soundkuchens in der Superbude St. Pauli. Vielleicht haben sie ja auch schon ein paar neue Songs im Repertoire.

Text: Michele Avantario