Lesezeichen
 

Die Logistik der Idee

Wie kommt die Kunst in den Kopf? Über diese Frage streiten sich Kulturschaffende seit jeher. Divergent sind auch die Erklärungsversuche des Prozesses, wie es zu einem künstlerisch wertvollen Einfall kommt: Ist es der Zufall, eine erwerbbare Kompetenz oder eine innere, vielleicht sogar spirituelle, womöglich göttliche Eingebung, die ein Werk entstehen lässt? Ulrich Greiner, Präsident der Freien Akademie der Künste forscht nach der Ursache, nach dem Auslöser für Kreativität und konzentriert sich dabei auf eine Grundfrage der Kunst: Was ist Inspiration? Ziel der Veranstaltung ist es, dem Publikum zu vermitteln, „dass Kunst nicht allein das Gemachte ist, sondern tiefere Wurzeln hat“. Zum Abschluss der Reihe Inspiration am 7. Mai sucht Greiner das Gespräch mit der 39-jährigen Schriftstellerin Juli Zeh, die anhand eigener Texte seine Fragen beantworten wird.

TEXT: LENA FROMMEYER

 

Laut und leise

Keine Ahnung, was an einer Mischung aus Alternative Rock und Indie-Pop „rätselhaft“ sein soll, wie es die Presseinfo der jungen Baseler Band mit dem nicht gerade Suchmaschinen-kompatiblen Namen End behauptet. Beiden Genre-Begriffen ist seit langer Zeit jegliche Substanz abhanden gekommen (wenn „Alternative Rock“ jemals welche hatte), was nicht bedeuten soll, dass man nicht trotzdem ambitioniert Musik machen kann, obwohl man sich auf ausgetretenen Pfaden bewegt. Die fünf Schweizer bemühen sich in ihren Songs um herzergreifende Momente, die gelegentlich von explosiven Ausbrüchen konterkariert werden – die gute, alte Grunge-Masche also – in diesem Fall aber noch durchdrungen von britisch anmutendem Power-Emo-Glam á la Muse und Placebo. Als lokaler Support ist das Hamburger Trio The Age of Sound mit von der Partie.

TEXT: MICHELE AVANTARIO

 

Jeder darf lieben

Was war das für ein schöner Anblick, als Gabrielle Marion-Rivard, Hauptdarstellerin der kanadischen Produktion Gabrielle – (K)eine ganz normale Liebe, bei der Eröffnungsfeier vom Filmfest Hamburg 2013 wie ein Honigkuchenpferd grinsend, springen, tanzend, drehend die Tanzfläche rockte. In der Liebeskomödie, die das Festival eröffnete und am 5. Mai im Programmkino 3001 erneut in französischer Originalsprache zu sehen ist, spielt sie eine Frau, die, genau wie die Schauspielerin, das Williams-Beuren-Syndrom hat. Darüber hinaus zeichnet Gabrielle auf der Leinwand ein großes Talent für Musik und schier unbändige Lebensfreude aus. Sie lernt im Chor ihrer Therapiegruppe Martin kennen. Die beiden verlieben sich, aber viele Menschen in ihrer Umgebung sind gegen das Paar, trauen ihnen eine Liebesbeziehung und die damit verbundene Verantwortung nicht zu. Gabrielle und Martin finden trotzdem einen Weg, sich nahe zu sein. Der Film von Regisseurin Louise Archambault demonstriert, dass die Liebe behinderter Menschen kein Tabuthema sein darf.

TEXT: LENA FROMMEYER

 

Kunst im Bau

Im Mai 2013 hat die SAGA einen Kunstwettbewerb für die Grindelhäuser ausgeschrieben, jetzt hängen die drei Gewinnerarbeiten in den Eingangsfoyers in der Hallerstraße 12c und der Oberstraße 18b und f. In seinem Wohntableau #1 verdichtet Markus Lohmann die Einrichtung einer Wohnung in einer Vitrine, Michael Pfisterer hat Ockhams Rasiermesser/Teil 1 von 10 installiert und documenta X-Teilnehmerin Mariella Mosler beschwört in ihrer aufmunternden Lichtinstallation Wünschen (Foto) in der Hallerstraße das Glück. Die Grindelhochhäuser, von 1946 bis 1956 erbaut, waren schon immer ein Ort der Kunst. In den oberen Etagen wurden Wohnateliers für Künstler eingerichtet, in den Grünanlagen drumherum stehen Skulpturen aus einem Wettbewerb in den 1950ern. Eine Tradition, die von der SAGA wieder aufgenommen wird.

TEXT: SABINE DANEK

Orte: Hallerstraße 12c und Oberstraße 18b und f

 

Neo-Soul

Die Meilensteine in Eli „Paperboy“ Reeds Musikerlaufbahn lesen sich so herrlich aus der Zeit gefallen wie seine neo-souligen Songs klingen: Angefixt von der Plattensammlung des Vaters brachte sich der Bub selbst Klavier, Gitarre und Mundharmonika bei, machte eine Zeit lang Straßenmusik und wurde im College unter die Fittiche einer ehemaligen Soulsängerin genommen, die einen musikalischen Leiter für den Gottesdienst ihrer Kirche brauchte. Diese bodenständige musikalische Laufbahn – abseits von Internetkarriere und Spotify – hat Eli Reed geprägt, vielleicht bringt er auch deshalb Vinyl-only-Singles heraus. Der Typ hat sich zudem einen jazzigen Beinamen erspielt, als seien es die Goldenen Fünfziger. Im Mojo stellt der pausbäckige Typ mit der Tolle sein neues Album Nights Like This vor. Das steckt voll respektlosem Blue-Eyed Soul mit Tanzlaune und fettem Bandsound.

TEXT: MICHAEL WEILAND

 

Nudelsuppen-Drama

Interdisziplinarität ist oft ungeil: Schauspieler, die mit dem Singen beginnen, gehen gar nicht – Ausnahmen bestätigen die Regel. Auch Designer, die zu Malern werden (Sie sind gemeint, Herr Joop), oder Models, die sich als DJs probieren (Hallo, Frau Padberg), sind eher schwierig. Und was ist mit einem Regisseur, der ein Kochbuch veröffentlicht? Im Falle von Thomas Struck geht der Daumen nach oben – da stimmt nämlich das Gesamtkonzept. Als Kurator für Kulinarisches Kino bei mehreren europäischen Filmfestivals kennt sich der Mann aus und stellt in seinem Buch Filmrezepte 25 Produktionen vor, in denen Essen eine wichtige Rolle spielt. Das reicht von echten Klassikern bis hin zu Kleinst-Produktionen. Spitzenköche aus Deutschland, Luxemburg und Spanien entwickelten angelehnt an diese Auswahl neue Rezepte – pro Filmvorstellung ein Menü. Im Rahmen des Filmgourmet-Abends Look and Cook im Metropolis zeigt Regisseur und Hobbykoch Thomas Struck das japanische Nudelsuppendrama Tampopo und präsentiert sein Kochbuch.

TEXT: LENA FROMMEYER

 

Doo-Wop as Fuck

Sieben junge Leute aus Brooklyn, drei Frauen, vier Männer, alle stets gut gelaunt – zumindest ist kaum ein Foto von Ava Luna zu finden, auf dem die Hälfte der Bandmitglieder nicht total nett und liebenswürdig in die Kamera lächeln. Ava Luna ist das Projekt von Carlo Hernandez, der mittlerweile davor warnt, sich seine ersten Alben anzuhören, weil er sie für katastrophal hält. Koketterie? Understatement? Billiger Trick? Wer sich jedenfalls auch nur ein paar Stücke der neuen Platte, Electric Balloon, anhört, z.B. Crown oder Daydream, wird mehr davon haben wollen. So schön geht das absurd klingende Konzept „Doo-Wop-Soul meets Punk-As-Fuck“ bei ihnen auf. Schönheit, Schrägheit, Harmoniegesänge und „Quirkyness“, New-Wave-Zickigkeit und Handclaps, unverbrauchte Melodien und Rhythmen, eine Menge sympathischer Leute auf der Bühne – was will man mehr? Also: Ab ins Molotow-Exil!

TEXT: MICHELE AVANTARIO

 

Lieder machen

Seit fast fünf Jahren organisieren die Hamburger MusikerInnen Sasa Jansen, Meike Schrader und Stefan Waldow jeden ersten Sonntag im Monat die Konzertreihe Sängerknaben & Sirenen. Anfangs fanden die Singer/Songwriter-Abende im legendären Kiezclub Indra statt (Sie wissen schon: „Where the Beatles played first„), seit 2010 werden sie im Gängeviertel ausgetragen. Zur 45. Ausgabe haben sich vier Acts angekündigt: Mit Sasa Jansen, normalerweise stets mit ihrem Bootsmann unterwegs, gibt sich eine der GastgeberInnen diesmal solo am Klavier die Ehre; Joseh ist ein Hamburger Folk-Pop-Duo mit Gitarre und Harfe; Michael Witte aus Aachen präsentiert einige Auszüge aus seinem aktuellen, vierten Album Zirkushimmel; und Naima Husseini begleitet sich selbst mit Gitarre und Loopstation. Eine gute Gelegenheit, vier unterschiedliche Ansätze des hiesigen und heutigen Singer/Songwritings zu erleben.

TEXT: MICHELE AVANTARIO

 

Soul ohne Klischees

Da stimmt ja mal wieder alles: Der Typ macht (trotz des modischen Vollbarts) einen sympathischen Eindruck, seine Stimme klingt angenehm mellow, und das Wortspiel, das in seinem Künstlernamen steckt, ist amüsant und clever zugleich. Chet Faker heißt mit bürgerlichem Namen Nicholas James Murphy und kommt aus Australien. Der Mittzwanziger hat 2012 seine erste Platte veröffentlicht, auf der unter anderem eine gelungene Interpretation von Blackstreets R&B-Hit No Diggity (1996) zu hören ist. Auch mit seinem Debüt-Album, Built On Glass, stellt Chet unter Beweis, dass er eben kein „Faker“ ist – nein, der Mann hat Stil und tonnenweise Soul. Und er versteht es, damit toll und klischeefrei umzugehen. Egal, wie gefühlvoll er seine Songs angeht, nicht eine Sekunde entsteht hier der Eindruck von künstlich aufgeblasener Emotionalität. Das übliche Geknödel findet einfach nicht statt. Auf sein Live-Debüt in Hamburg darf man gespannt sein.

TEXT: MICHELE AVANTARIO

 

Klappe halten

Dialog im Dunkeln wartet mit einem neuen Konzept auf. In New York gibt es das schon: Ein Mal die Woche bietet das Restaurant Eat in Brooklyn ein „Schweige-Menü“ an. Jetzt zieht Hamburg nach – mit einem Brunch im Stillen. Das Konzept von Dialog im Dunkeln setzt allerdings weniger auf innere Einkehr und besinnliches Essen als auf das Kennenlernen von Gebärdensprache und den Alltag von gehörlosen Menschen. Gäste sitzen schweigend an Achter-Tischen bei einem gemeinsamen Brunch. An jedem Tisch bedient eine gehörlose Servicekraft, kein Wort ist zu hören. Eine kurze Einführung in die Gebärdensprache soll dem Publikum helfen, miteinander nonverbal zu kommunizieren, Kaffee nachzubestellen oder nach der Toilette zu fragen. Sicher eine interessante Erfahrung. In New York liegt der Fokus auf dem Schweigen und auf dem vegetarischen Essen, nicht auf der nonverbalen Kommunikation. Der junge Restaurantbetreiber brachte die Idee von seinem Aufenthalt in einem buddhistischen Kloster mit. Wer das Schweigen bricht, muss vor der Tür weiteressen. Solche drakonischen Strafen erwarten die Gäste in Hamburg allerdings nicht.

TEXT: LISA SCHEIDE