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Canailles

Bluecrass aus Kanada: Mit ungezügelter Energie jagt das Oktett aus Montreal mit seiner Mixtur aus Folk, Blues und Cajun durch das Knust.

Die Musik von Canailles lässt sich in drei Worten zusammenfassen: rau, wild, zügig. Diese acht Jungs und Mädchen aus Montréal, Québec spielen eine so rasante Mixtur aus Folk, Blues und Cajun, als wären sie auf der Flucht – und hätten reichlich Spaß dabei. Nicht ohne Grund hat diese Form musikalischer Energieentladung ihrem Stilmix in der kanadischen Heimat auch den Namen „Bluecrass“ eingetragen. Akkordeon, Mundharmonika, Waschbrett, Banjo und Kontrabass treffen auf französischen Chorgesang, der hier und da vollkommen auszubrechen droht und nicht selten in zügelloser Jodelei endet. Hinzu kommt der angenehm-verruchte Gang-Charakter dieser Band, der dieses Showspektakel im Knust komplettiert.

Text: Erik Brandt-Höge

 

Sommerfestival Kampnagel

Avantgarde für alle: Auf Kampnagel öffnet für fast drei Wochen die aufregendste und erlesenste Eventbude dieses Sommers.

Avantgarde klingt immer etwas nach Nischenkunst, die nur von wenigen verstanden wird und großer ästhetischer Bildung bedarf. Ein Vorurteil, findet András Siebold, künstlerischer Leiter des Sommerfestivals, und verspricht „Avantgarde für alle“. Er nennt sein Festival ein „Kunstplanschbecken“ und die Hallen und den Festivalgarten die „größte Eventbude des Sommers“. Siebold hat ein Programm zusammengestellt, in dem Tanz, Performances und Musik dominieren. Bereits der Auftakt macht klar, worum es ihm geht: Er möchte Grenzen aufbrechen und spartenübergreifende Arbeiten präsentieren. Bei Available Light zur Eröffnung am 5. August zeigt die Choreografin Lucinda Childs eine Arbeit aus dem Jahr 1983, die sie zusammen mit dem Komponisten John Adams und dem Architekten Frank Gehry gestaltet hat und für das Festival neu bearbeitet. Ein weiteres Highlight am Auftakttag ist der Syrer Omar Souleyman, der mit zahlreichen internationalen Größen zusammenarbeitete, darunter Björk, Modeselektor und Gilles Peterson. Damit wird ein erlesenes Musikprogramm eingeleitet, das Platz für Neuentdeckungen bietet wie den Rapper Cakes da Killa und Bekanntes wie den Pianisten Nils Frahm und die Noise-Metal-Combo Sunn O))). Das Festival wirft aber wie gewohnt auch einen kritischen Blick auf die Welt, so etwa in This Is Not Greece mit der aktuellen Krise, so dass bei aller Spannung und Unterhaltung nicht vergessen wird, dass Avantgarde – auch wenn sie für alle ist – keine leichte Kost ist.

Text: Heinrich Oehmsen

 

A Summer’s Tale

Sommermärchen: Die Premiere dieses neuen Open Airs sorgt für Kunst, Kutschfahrten, Kulinarik und viel Musik – mit ziemlich großen Namen.

Luhmühlen, zwischen Lüneburg und Garlstorf an der A7 gelegen, war bislang eher für seine Reitturniere bekannt. Jetzt kommt mit A Summer’s Tale ein Musik- und Kunstfestival hinzu, das es in dieser Form in Deutschland noch nicht gibt, das aber Vorbilder in Großbritannien hat wie das Latitude Festival. Veranstalter Folkert Koopmans, der seit 1997 das Hurricane Festival ausrichtet, möchte mit dem viertägigen Fest Musik, Kunst, Kulinarisches und Entspannung im Grünen miteinander verbinden. Seine Zielgruppe sind nicht trinkfreudige Teens und Twens, sondern ältere Kulturfreunde und Familien, die das Angebot in der Nordheide für einen Kurzurlaub nutzen wollen. Auf dem 7 Hektar großen Festivalgelände wird eine zentrale Konzertbühne gebaut, weitere Zeltbühnen verteilen sich auf dem idyllischen Waldgelände. Programmatisch bringt das Festival große Namen nach Luhmühlen: Patti Smith, Tori Amos, Zaz, Calexico, Damien Rice, Belle & Sebastian, Roísín Murphy. Für Lesungen wurden unter anderem Heinz Strunk, Jochen Distelmeyer und Clemens Meyer verpflichtet. Kinder werden in einem eigenen Zelt amüsiert und animiert; wer will kann mit dem Kanu auf der Luhe und mit der Kutsche über die Wiesen fahren. Das Camping-Areal für die maximal 10.000 Zuschauer ist mit 14 Hektar doppelt so groß wie bei herkömmlichen Festivals, aber eine Anreise ohne Zelt ist natürlich ebenso möglich.

Text: Heinrich Oehmsen

 

„Nutten, Koks und frische Erdbeeren“

Die ganze Wahrheit: Mary Roos und Wolfgang Trepper scheuen keine Mühen, Licht und Schatten des deutschen Schlagers genussvoll zu sezieren.

Irgendwann fangen selbst die Menschen damit an, von denen man das nie erwartet hätte. Nach dem fünften Aperol Spritz oder Cuba Libre findet man sich plötzlich in einer Gruppe A-tem-los durch die Nacht singender Menschen wieder. Wer solch ein Trauma schon mal erlebt hat, der fragt sich häufiger: Was muss man eigentlich konsumiert haben, um musikalische Spitzenwerke dieser Art zu erschaffen? Nun, der Titel der Show verrät es bereits. Im Schmidt Theater sind sowohl die Fans als auch die Gegner der Musikrichtung willkommen. Mary Roos erzählt und singt sich durch die Geschichte des deutschen Schlagers, während Wolfgang Trepper die Hits mit inbrünstigem Hass auseinandernimmt. Ein erbarmungsloser Spaß!

Text: Natalia Sadovnik

 

„Mollath – Und plötzlich bist Du verrückt“

Ähnlich wie der Justizirrtum im Fall Gustl Mollath selbst, ist dieser Dokumentarfilm im Abaton ein kontroverses Beweisstück eines bizarren Rosenkriegs.

Kaum ein anderer Fall wurde so kontrovers diskutiert und so sehr durch die Medien gereicht wie der um Gustl Mollath. Vor Jahren zeigte er seine Frau wegen Steuerbetrugs an; die reagierte mit einer Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Freiheitsberaubung und erklärte, ihr Ehemann sei irre. Ein Gutachter gab ihr recht und stufte Mollath als gemeingefährlich ein. Er verlor 2006 in allen Anklagepunkten. Er wurde in eine Psychiatrie eingewiesen und verbrachte dort sieben Jahre. In einem Wiederaufnahmeverfahren im Jahr 2013 wurde das Urteil für ungültig erklärt und Gustl Mollath freigesprochen. Der Dokumentarfilm setzt in jenem Jahr an und die Absolventinnen der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film Leonie Stade und Annika Blendl begleiten den mehr als Gehörnten über ein Jahr bis zum Urteilspruch. Nah dran am Geschehen kommen in Mollath – Und plötzlich bist Du verrückt Freunde und Gegner zu Wort. Der komplexe Fall wird gekonnt visualisiert und wirft Fragen auf. Die Antwort muss jeder selbst finden. Zum Beispiel bei der Vorstellung im Abaton. Bei der Klärung könnte auch Mollaths Hamburger Anwalt im Wiederaufnahmeverfahren, Gerhard Strate, behilflich sein, der bei der Filmvorführung zu Gast ist.

Text: Andra Wöllert

 

Mykorrhiza Pivnicza

Der Name dieser Band klingt genauso frei und progressiv wie die Musik, die wir von ihnen im „Jazzraum“ des Hafenbahnhofs erwarten können.

Jazz ist in dieser Stadt seit Jahren eine Institution. Es gibt große Events wie das Elbjazz Festival und unkommerzielle wie das Jazz Open Hamburg im Planten un Blomen. Aber Fans der Musikrichtung müssen nicht auf jährlich stattfindende Termine warten, Jazz gibt es auch auf wöchentlicher Basis im Hafenbahnhof. Buchstäblich im Boden versunken zwischen zwei nachträglich hochwassersicher angelegten Straßen am Altonaer Fischereihafen ist das denkmalgeschützte kleine Backsteinhäuschen eine Art kulturelle Insel inmitten der modernen gläsernen Bürofassaden. Jeden Montag präsentiert Eva Johannsen hier den Jazzraum, „eine Band – zwei Sets – Live Jazz“. Dieses Mal spielen Mykorrhiza Pivnicza, ein Name, den man lieber schreibt als spricht. Kopf der fünfköpfigen Band ist Sänger und Saxofonist Rolf Pifnitzka. Er entdeckte 1980 den Jazz für sich, erst eher Mainstream, später widmete er sich mit Rolf Ernst und Matthias Zoeller als Formation Tisch 5 dem Free Jazz. Weitere Gruppen folgten und am Montag spielt er eben mit der Band mit dem zunächst unaussprechlich wirkenden Namen. Genau wie der Name ist auch ihr Jazz nicht leicht bekömmlich – und genau deshalb so gut!

Text: Andra Wöllert

 

Fußball-Quiz

Da haben sich aber zwei gefunden: Der bierverliebte Galopper des Jahres und das Fußball-Quiz bilden am Montag die perfekte Symbiose.

Der Galopper des Jahres im Haus 73 hat sich vor allem einen Namen mit seiner feinen Bierauswahl gemacht. Braufeste oder -kurse, Verkostungen und jede Menge Craft Beer und andere Hopfen-und-woraus-man-sonst-so-Bier-brauen-kann-Spezialitäten sind an der Tagesordnung. Und weil zu dem erlesenen Tropfen kaum etwas besser passt als der Deutschen liebste Sportart, spielt auch Fußball in der Bar des Öfteren eine wichtige Rolle – an jedem ersten Montag des Monats in Form des Fußball-Quiz mit den Gastgebern Henning Juergensen und David Gohla zum Beispiel. Hier die Spielregeln: Höchstens fünf Spieler pro Team gehen gegeneinander ins Match. Dreimal sieben Fragen werden zu einem Spezialgebiet gestellt – in diesem Fall Taktikfüchse, Schleifer und Feuerwehrmänner – und alle raten drauf los. Eine Voranmeldung ist nicht nötig. Und für alle Möchtegernschlauberger: Smartphones und Co. zu Rate zu ziehen, wird nicht gern gesehen! Rote Karte dafür, ansonsten purer Spaß für alle Fußballfans.

Text: Andra Wöllert

 

„True Grit“

Die Freiluftkino-Saison neigt sich dem Ende zu – zumindest auf dem Rathausmarkt. Als fulminantes Finale wird ein gefeierter Spätwestern gezeigt.

Arkansas, 1878. Mattie Ross ist 14 Jahre alt. Ihr Vater wurde ermordet und sie muss nun seinen Leichnam in Fort Smith abholen. Anstatt schnell von dannen zu ziehen, beschließt sie, den Mörder zu finden und zur Strecke zu bringen. Von offizieller Stelle bekommt sie keine Hilfe, deshalb engagiert sie den Trunkenbold und Fiesling Marshal Reuben „Rooster“ Cogburn. Der Mörder ihres Vaters ist derweil in den Weiten der Prärie verschwunden und hat sich einer Gangster-Bande angeschlossen. Rooster will ihn deshalb allein finden, aber Mattie denkt nicht daran und begibt sich zusammen mit dem Auftragsmörder auf die Suche. True Grit ist eine Produktion der Coen Brothers mit Jeff Bridges aus dem Jahr 2010 und der letzte Film, der in diesem Sommer im Freiluftkino am Rathausmarkt gezeigt wird. Nutzt am Sonntag die Chance, noch einmal for free einen hochgelobten Blockbuster zu sehen und erfahrt, welche Abenteuer die beiden erleben.

Text: Andra Wöllert

 

St. Pauli Sundays

Dieses Open Air eignet sich nicht nur für Faulis, die für guten Electro nicht „rausfahren“ wollen, sondern auch für alle anderen.

Jenseits der astronomischen, phänologischen und meteorologischen Sommerdefinition ist es eben immer noch das Gefühl, das ein erhebliches Mitspracherecht bei der Einteilung der im Jahr zur Verfügung stehenden Tage einfordert. Und eben dieses weiß, dass es Sommer ist, wenn sich plötzlich zahllose Plätze in der Stadt in kleine Open-Air-Bühnen verwandeln – wie zum Beispiel der Lattenplatz vor dem Knust, der an diesem Sonntag in unmittelbarer U-Bahn-Nähe zur Block Party mit Himmelsicht lädt. Für die St. Pauli Sundays kommt Till von Sein extra aus Berlin geschippert und bringt einen Plattenkoffer voll souligem House und housigem Soul mit. Die hier müssen nicht so weit: Hamburgs Finest Davidé von Jeudi Records, die Milchclub Boys und Boom Le Choc sind mit von der Partie – ebenfalls mit housigem Electro oder wahlweise Retrofuturismus, wenn man der Selbstbeschreibung der Milchbubis folgt. In jedem Fall gibt’s Sommer und Mucke satt. Jetzt fehlt nur noch ihr.

Text: Miriam Mentz

 

Butterland

Märchentechno und Bio-House: Monkey Safari, Superflu, Bebetta und Thomas Lizzara verwandeln diese Freilichtparty in das Land unserer Träume.

Sommer, draußen, Wilhelmsburg, Hafenromantik, Freiraum: Die MS Artville vereint auf dem Kunstcamp die schönsten Seiten Hamburgs auf sich – und gleich mehrere Open Airs, die uns in eine noch schönere Welt katapultieren sollen. Neben Events wie der bereits vergangenen Symfotronik, dem Vogelball am Samstag oder dem Kampf der Künste lädt die MS Artville auch auf eine Reise ins Butterland. Und im Butterland wird feinste elektronische Musik gespielt. Die kommt allen voran von dem international gebuchten Duo Monkey Safari aus Halle, dank denen wir uns keine Sorgen um die Wetterlage machen müssen, denn sie haben nach eigener Aussage die „Power, selbst beim verregnetsten Festival die Sonne scheinen zu lassen.“ Mitbringen werden sie neben dieser Superkraft auch ihre Familienmitglieder Super Flu mit ihrem selbsternannten Bio-House und Öko-Techno. Bebetta aus Berlin spielt Märchentechno und last but not least Thomas Lizzara, der die vom ihm servierten Genres ganz simpel als Techno, Tech- und Deep-House bezeichnet. Verwunschen wird es allemal, denn die Organisatoren sagen: „Butterland passiert in deinem Kopf. Am 2. August erst recht.“

Text: Andra Wöllert