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Bernanke im Kaffeesatz

 

Ben Bernanke hat sich prima geschlagen. Der neue Chef der amerikanischen Notenbank hatte gestern seinen ersten öffentlichen Auftritt vorm Kongress und musste Rede und Antwort stehen (die Rede finden Sie hier, die folgenden Zitate enstammen alle der Q&A-Session, die noch nicht im Web steht). Zum ersten Mal seit mehr als 18 Jahren hatte es die globale Herde nicht mehr mit dem Hirten Alan Greenspan zu tun. Ausgewogen, zuversichtlich und klar in der Sprache, das ist der erste Eindruck. Die Kurse zuckten kaum, so geschickt hat Bernanke seine Botschaften an die Finanzmärkte verpackt. Der Dollar gewann weltweit ein bisschen an Boden, die kurzen Anleihen gaben etwas nach. Die Aktienmärkte dagegen legten zu. Von Aufregung keine Spur. Das allein war schon meisterlich.

Der Tenor in den Handelssälen rund um den Globus: Bernanke habe nicht so gesprochen, als wolle er den Zinserhöhungszyklus der Fed rasch beenden. In den letzten 14 Offenmarktsitzungen hat sein Vorgänger die Zinsen um jeweils 25 Stellen auf nun 4,50 Prozent angehoben. Wie weit geht Bernanke?

Das ist Kaffeesatzleserei, zugegeben. Hätte er das klar gesagt, wäre die Reaktion an den Märkten anders ausgefallen. Hinzu kommt: Ich bin kein ausgewiesener Fed-Watcher. Dennoch drei Punkte seiner Ausführungen, die mir interessant erscheinen:

Ich habe das Gefühl, Bernanke wird mindestens noch drei Zinserhöhungen vornehmen und zwar so rasch wie möglich. Diese Meinung habe ich in den vergangenen Wochen schon häufiger vertreten, weil es mir rational erscheint. Und seine Aussagen passen ganz gut.

Warum erscheint es mir rational? Die Herde vertraut nur dem Hirten, der den Anschein vermittelt, er bekämpfe die Inflation mit Inbrunst. Deshalb ist es ratsam, zu Beginn etwas härter zu sein, als nötig. Das bleibt haften und eröffnet für spätere Rettungsaktionen einen größeren Spielraum. Bernanke hat es mit der Glaubwürdigkeit besonders schwer, da ihm seine Deflationsreden aus 2002 noch zu schaffen machen. Damals sagte er den berühmten Satz, dass Amerika im Besitz der Technologie „Gelddruckmaschine“ sei, weshalb Deflation wirksam zu bekämpfen sei. Zur Not müsse man Geldscheine per Hubschrauber unters Volk bringen, um eine Krise wie in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu vermeiden. Die Rede war damals eine wirksame Provokation und hat die Deflationsangst vertrieben. Aber Bernanke trägt seither den Spitznamen „Helicopter-Ben“.

Den möchte er mit Sicherheit los werden. Das geht aber nur über eine zunächst etwas restriktivere Geldpolitik, als sie der Mainstream für angemessen hält. Soweit meine Begründung. Was hat er nun gestern gesagt? Er sprach von einer hohen Auslastung der Kapazitäten und nahm sogar das „O-Wort“ in den Mund: „without policy action the U.S. economy could overshoot its sustainable path.“ So spricht einer, der mehr als eine Zinserhöhung in den Karten hat. Genauso interessant: Bernanke hat sich vor allem auf die jüngsten positiven Daten zur US-Wirtschaft gestützt. Hätte Bernanke einen etwas moderateren Eindruck vermitteln wollen, hätte er einer nach vorne schauende Politik das Wort geredet und Gefahren, die von der Abkühlung des Immobilienmarktes drohen könnten, beschworen. So sind sie die Notenbanker, sie nehmen das, was ihnen gerade passt. Bernanke hätte auch das schwache vierte Quartal nehmen können, um Zinserhöhungsfantasie aus dem Markt zu nehmen. Aber all das tat er nicht.

Zum Leistungsbilanzdefizit:

„I think it is very important over a period of time for us to begin to bring down the current account deficit and I think a combination of increased U.S. national savings, greater demand in other countries and more flexibility in exchange rates, all together, I think would allow us over a period of time to bring the current account deficit down to somewhat lower levels.” Das war ein Original-Zitat. Was wollte er sagen: Am besten, die Anpassung findet langsam statt. Die US-Wirtschaft wird etwas langsamer wachsen, weil sie mehr sparen muss. Der Rest der Welt wird rascher wachsen, was ja angesichts der positiven Signale aus Japan (Nummer zwei der Weltwirtschaft) und Deutschland (Nummer drei) wahrscheinlich ist. Und: Die Flexibilität des Wechselkurses ist ein schöner Euphemismus für einen auf Sicht fallenden Dollar. Fallend gegenüber den asiatischen Währungen, aber natürlich auch gegenüber dem Euro.

Zur inversen Zinskurve in Amerika:

Seit einiger Zeit liegen die kurzen Zinsen in Amerika höher als die langen. Das nennt man inverse Zinskurve. Allgemein gilt eine solche Kurve als treffsichere Prognose für eine bevorstehende Rezession, oder zumindest eine kräftige Abkühlung des Wirtschaftswachstum. Für Bernanke gilt der in der Vergangenheit zuverlässige Zusammenhang heute nicht. Er sagte: „Currently the short-term real interest rate is close to its average level and the long-term real interest rate is actually relatively low, compared to historical norms …”. Er begründete die niedrigen Langfristzinsen mit seiner bekannten “Saving glut”-These. Das Ausland spare zu viel, weshalb es begierig die US-Anleihen nachfrage und damit für niedrige Zinsen sorge.

Wenn der neue Fed-Chef Recht hat, dann heißt das nichts anderes, als dass die langfristigen Zinsen steigen werden! Wenn das Ausland stärker wachsen wird, wird es weniger sparen. Dadurch wird sich die Sparschwemme zurückbilden und damit auch die Nachfrage nach US-Bonds. Eine Einstellung, die ich teile.