Morgen bekommen wir für Deutschland und den Euroraum die erste Schätzung für das reale Bruttoinlandsprodukt im 4. Quartal. Nach den Indikatoren, die uns bereits vorliegen, sieht es danach aus, als ob die Zuwachsraten im Vorjahresvergleich in beiden Fällen bei 3 Prozent oder etwas darüber liegen werden. Die Konjunktur brummt, wenn auch nicht so sehr, wie es noch vor einigen Wochen ausgesehen hatte – es gibt eine Diskrepanz zwischen superfesten Umfragewerten und Arbeitsmarktzahlen auf der einen und Auftragseingängen und Industrieproduktion auf der anderen Seite. Warum das so ist, ist nicht ganz klar.
Immerhin, dies sind die besten Zahlen seit dem Jahr 2000, und wenn die Umfragen noch die Prognosequalitäten besitzen, die man ihnen bisher zugemessen hat, kann auch das laufende Jahr ein gutes werden. Es zeigt sich, dass sich die angeblichen strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt weitgehend ins Nichts auflösen, wenn man die Konjunktur mal einfach ein bisschen laufen lässt. Die Anzahl der Jobs liegt in Deutschland um 1,2 Prozent, im Euroraum um 1,4 Prozent oder sogar um etwas mehr über dem Vorjahresstand. Die deutsche Arbeitslosigkeit ist im Januar saisonbereinigt bereits unter die Marke von 4 Millionen gefallen, eine Zahl, die von den meisten Analysten bislang als Jahresdurchschnitt vorhergesagt wurde. Es sieht jetzt eher so aus, als würden wir bei 3,7 Millionen landen. Zur Erinnerung: Im März 2005, dem schlechtesten Monat seit Ende der vierziger Jahre, wurden (saisonbereinigt) noch 5,017 Millionen Arbeitslose gezählt.
Das rasche Wirtschaftswachstum ist zu mehr als der Hälfte der Beschleunigung des Produktivitätswachstums zu verdanken. In Euroland insgesamt betrug letzteres auf Pro-Kopf-Basis 1,6 Prozent, in Deutschland 1,9 Prozent. Wenn die Industrieproduktions- und BIP-Zahlen nach oben revidiert werden, wie das nach den sehr guten Ergebnissen für den Arbeitsmarkt zu erwarten ist, wird es bei der Produktivität noch bessere Zahlen geben. Der Produktivitätszuwachs ist die eigentliche Quelle steigenden Wohlstands.
Was wir erleben, ist typisch für einen Aufschwung, der zu einer besseren Auslastung vorhandener Kapazitäten sowohl bei den Sachanlagen als auch am Arbeitsmarkt führt. Wenn man, wie die EZB zu Beginn der Währungsunion, unterstellt, dass das sogenannte Produktionspotential von Euroland um 2¼ Prozent pro Jahr zunimmt, war die Auslastung im vierten Quartal 2006 um 3,7 Prozent geringer als im zweiten Quartal 2001, dem letzten konjunkturellen Höhepunkt. Der Rückgang der europäischen Arbeitslosenquote vom Höchststand von 8,8 Prozent im Jahr 2004 auf zuletzt 7,6 Prozent legt ebenfalls nahe, dass es noch eine Menge Spielraum für eine Ausweitung der Produktion – und der Produktivität – gibt.
In den USA sieht es anders aus. Dort läuft die Wirtschaft schon länger auf Hochtouren und hat sowohl am Arbeitsmarkt als auch beim Kapitalstock die Kapazitätsgrenzen in greifbare Nähe gerückt. Unter anderem hat das dazu geführt, dass die Stundenlöhne um 4 Prozent über ihren Vorjahreswerten liegen; die vergleichbare Zahl für Euroland beträgt nur 2 Prozent. Andererseits ist das amerikanische Produktivitätswachstum deutlich geringer geworden und bewegt sich „nur“ noch in der Größenordnung von 2 Prozent statt von 4 Prozent wie in den drei Jahren von 2002 bis 2004, mit der Folge, dass die amerikanischen Lohnstückkosten viel rascher steigen als die europäischen. Nicht nur steigen daher die Gewinne der europäischen Unternehmen viel schneller als die der amerikanischen, auch die relative Wettbewerbsfähigkeit der Europäer verbessert sich (solange der Euro nicht stärker aufwertet).