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Alan Greenspan gewinnt seine letzte Wette

 

Rebalancing, Rebalancing! Nun auch noch wahnsinnig gute Wachstumszahlen aus Japan. Das Bruttoinlandsprodukt der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt legte im vierten Quartal um 1,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. Das macht annualisiert sagenhafte 4,8 Prozent. Noch besser: Wie schon in Euroland gab es eine Revision des schwachen dritten Quartals nach oben. Und das Beste: Der japanische Verbraucher ist zurück. Die Binnennachfrage zieht an.

Damit reihen sich die guten Nachrichten aus Japan nahtlos an Euroland. Auch hier gab es Anfang der Woche viel zum Staunen: 0,9 Prozent Wachstum im vierten Quartal, annualisiert: ordentliche 3,6 Prozent. Und auch hier stärkere Konsumnachfrage (wobei der deutsche Mehrwertsteuereffekt geholfen hat).

Was bedeutet das? Alan Greenspan ist auf dem besten Wege seine letzte große Wette zu gewinnen. Dollarcrash und Weltrezession können wir wohl vergessen. Amerika darf schwächeln. Das Leistungsbilanzdefizit dürfte sich über die Veränderung der globalen Nachfrage abbauen. Viel besser können die Aussichten nicht sein. Nur langlaufenden Staatsanleihen muss man jetzt nicht besitzen. Die Phase der ungewöhnlich niedrigen Zinsen dürfte der Vergangenheit angehören.

Alan Greenspan, der alten US-Notenbankchef hat wie kein Zweiter die 90er Jahre und die erste Hälfte des neuen Jahrtausends mit seiner Geldpolitik geprägt hat. Scharlatan oder Maestro? Die Finanzmarktexperten sind in dieser Frage gespalten. Huldigten sie auf dem Höhepunkt des Überschwanges, so in den Jahren 1998 bis 2000, mehrheitlich dem „Maestro“, begann sich das Blatt ab 2003 zu wenden. Als Greenspan vor einem Jahr nach insgesamt 18 Jahren das Amt des Chefs der Federal Reserve übergab, überwog die Einschätzung, Greenspan sei in Wirklichkeit der „Herr der Blasen“. Jener Bubbles, die erst für die Finanzmärkte und dann für die Realwirtschaft unheimlich gefährlich sind.

Die Anklage lautete wie folgt: Durch seine lockere Geldpolitik hat Greenspan erst die Blase bei den Technologiewerten aufgepumpt. Als diese dann 2001 barst, hat er nachgelegt, noch niedrigere Notenbankzinsen dem globalen Kapitalmarkt angeboten. Zur Erinnerung: Der amerikanische Notenbankzins lag zwischen Mitte 2003 und Mitte 2004 bei einem Prozent und damit so niedrig wie noch nie in der Geschichte der amerikanischen Fed. Dank dieser rekordniedrigen Zinsen sei es Greenspan zwar gelungen, das Platzen der einen Blase, nämlich der am Aktienmarkt, unschädlich zu machen. Doch nur zum Preis einer anderen Blase, der Blase am amerikanischen Immobilienmarkt. Mit den kräftigen Preissteigerungen bei Eigenheimen einher ging ein Konsumrausch, der für das immer weiter anschwellende Leistungsbilanzdefizit verantwortlich war. Denn die amerikanischen Konsumenten, reich geworden über die Hauspreissteigerungen, kauften, was das Zeug hielt.

Die unerledigte Arbeit Alan Greenspans, die er seinem Nachfolger hinterließ schien unermesslich: Erstens eine US-Wirtschaft, der eine Rezession drohte, weil auch die Housingbubble eines Tages platzen müsse. Zweitens ein Dollar, der angezählt sei, weil sich das enorme Leistungsbilanzdefizit nur über einen Dollarverfall, schlimmstenfalls einen Dollarcrash werde abbauen. Und drittens, eine Weltrezession, weil die Weltwachstumsmaschine Amerika mit seinen konsumhungrigen Verbrauchern ausfallen werde. Und im Rest der Welt sei das Wachstum lediglich geborgt, allen voran in den großen Volkswirtschaften Europa und Japan. Diese Länder seien extrem abhängig von Amerika und auf sich allein gestellt zur Rezession verdammt.

Ich gebe zu, so sah es auch für mich im Maschinenraum der Weltwirtschaft aus, allerdings nur bis Ende 2004. An den Finanzmärkten dagegen galt dieses Schreckensszenario bis weit hinein ins zweite Halbjahr 2006 als durchaus realistisch. Und in der Tat: Die kräftigen Hauspreissteigerungen in Amerika kamen im vergangenen Jahr zum Erliegen. Die Neubauten schwächelten und es sah lange so aus, als wenn die Blase platzen könnte.

Doch ich gebe auch zu, dass Alan Greenspan für mich immer der Maestro geblieben ist, der wie kein zweiter das Funktionieren des globalen Kapitalismus verstanden hat. Er hatte in den Jahren 2001 bis 2004 gar keine andere Wahl als mit den Zinsen runter zu gehen und die schlimmsten Auswirkungen der geplatzten Technologieblase abzufedern. Denn Greenspan hatte aus den 30er Jahren gelernt, als das letzte Mal eine Blase ähnlichen Ausmaßes geplatzt war. Doch damals senkte die Fed nicht die Zinsen, stimulierte die Fiskalpolitik nicht die Wirtschaft und die große Depression nahm ihren Lauf. Anfang diesen Jahrtausends kam es weder zur Deflation, erst recht kam es zu keiner Depression. Hat die lockere Geldpolitik die Depression nur aufgeschoben oder gar aufgehoben?

Schon 2005 überraschte Japan, die Nummer zwei der Weltwirtschaft, mit einem Investitionsboom, der einen selbsttragenden Aufschwung nach sich ziehen kann. Und im vergangenen Jahr war es Deutschland, noch die Nummer drei der Weltwirtschaft, das international für Aufsehen gesorgt hat. Deutschland meldete sich beim Wachstum zurück und es sieht ganz so aus, als ob das Land auch die schreckliche Mehrwertsteuererhöhung ohne größere Blessuren überstehen kann.

Wenn aber Deutschland und Japan aus eigener Kraft wachsen können, dann schadet ein schwächelndes Amerika nicht mehr. Dann kommt es zum globalen Ausbalancieren der Ungleichgewichte. Dann läuft die Weltwirtschaft auf mehreren Zylindern. Und das Beste: Amerikas Wirtschaft schwächt sich zur Zeit zwar ab, aber sehr moderat, weshalb das Schreckensszenario immer unwahrscheinlicher wird. Wenn Amerika langsamer als der Rest der Welt wachsen sollte, kann sich das Leistungsbilanzdefizit auch ohne Dollarcrash zurückbilden. Denn dann geht das Spiel andersherum: Der Rest der Welt kauft in Amerika und hilft so den müden Konsum im Land der unbegrenzten Möglichkeiten auszugleichen, der sich an die Korrektur der Hauspreise anschließen wird.