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Was für deutsche Aktien spricht

 

Heute bricht der Aktienmarkt um fast 2 Prozent ein, und die Futures auf den DAX zeigen, dass es noch weiter runtergehen könnte. Vor wenigen Wochen hatte der Index noch an der Marke von 7000 gekratzt, jetzt würde es angesichts der leichten Panik, die über dem Markt hängt, nicht überraschen, wenn bald die 6000 ins Visier kämen. Heute morgen hatte der Chefvolkswirt der OECD noch kühl erklärt, dass das was wir bisher erlebt haben, bestenfalls eine leichte Korrektur sei, ein Crash sähe anders aus. So ist es.

DAX Stand: 14.03.07

Am 7. März 2000 hatte der DAX seinen letzten vorläufigen Höhepunkt bei 8064 erreicht, also vor fast genau sieben Jahren. Seither sind die Gewinne je Aktie kräftig gestiegen, so dass das Kurs-Gewinnverhältnis heute bei nur 13,3 liegt, und zwar nach Bloomberg auf der Basis der veröffentlichten Gewinne für die letzten vier Quartale. Das ist nicht teuer, zumal die Alternative „festverzinsliche Wertpapiere“ angesichts der stark gesunkenen Renditen immer weniger attraktiv ist.

Wie billig die Aktien sind, erkennt man, wenn man sich die Risikoprämie vor Augen hält. Der Kehrwert des KGV von 13,3 ergibt die sogenannte Aktienrendite von 7,5 Prozent. Die muss man vergleichen mit dem realen risikolosen langfristigen Zins, also der Rendite für zehnjährige Bundesanleihen von zur Zeit 3,88 Prozent, bereinigt um die erwartete Inflationsrate. Dafür setzt man am besten das Inflationsziel der EZB von 1,8 Prozent, was im Übrigen auch der aktuellen Inflationsrate bei den Verbraucherpreisen entspricht. Das ergibt eine reale Anleiherendite von circa 2 Prozent, woraus sich dann eine Risikoprämie von mehr als stattlichen 5,5 Prozentpunkten errechnet. Üblich war in Deutschland bisher eher ein Risikoaufschlag von 3 bis 4 Punkten. Mit anderen Worten, Aktien werden zur Zeit sehr moderat bewertet.

Wichtiger ist natürlich, wie es mit den Gewinnen weitergehen wird. Die Unternehmen können ja sehr erfolgreich gewesen sein, wenn es jetzt aber zu einer Rezession kommen sollte, nützt das nicht viel. Aber auch in dieser Hinsicht sieht es ganz gut aus. Das sage ich als jemand, der Ihnen keine Wertpapiere oder gar derivative Produkte verkaufen möchte. Ich bin ausschließlich auf der buy side tätig.

Überschlägig kann man die Gewinnentwicklung folgendermaßen abschätzen: Die Tariflöhne werden in den kommenden vier Quartalen voraussichtlich so rasch zunehmen wie zuletzt 2002, also um etwa 2,7 Prozent, nach Zuwachsraten von knapp über 1 Prozent in den Jahren dazwischen. Da die Produktivität angesichts einer Zunahme des Outputs von knapp 4 Prozent und der Beschäftigung von vielleicht 1 1/2 Prozent um 2 1/2 Prozent zulegen dürfte, steigen die sogenannten Lohnstückkosten um kaum mehr als Null Prozent. Damit ist der mit Abstand wichtigste Kostenfaktor stabil. Die beiden anderen volkswirtschaftlichen Kostenkomponenten, Importkosten und Zinsen dürften ebenfalls bestenfalls leicht ansteigen – die Einfuhrpreise sinken seit einem halben Jahr, und die langen Zinsen sind ebenfalls auf einem Abwärtstrend. Bei den kurzfristigen Zinsen wiederum dürften wir nicht weit vom oberen Wendepunkt entfernt sein.

Insgesamt gibt es überhaupt keinen Kostendruck. Da nun aber die Outputpreise weiter steigen, getrieben von den günstigen Absatzchancen auf dem boomenden Weltmarkt, und zwar schätzungsweise um 1 1/2 Prozent, könnte sich die Gewinnmarge an der Wertschöpfung um mindestens einen weiteren Prozentpunkt erhöhen. Aus dem Produkt von nominalem Outputwachstum von schätzungsweise 5 1/2 Prozent und der Erhöhung der Gewinnmarge von, sagen wir, 15 Prozent auf 16 Prozent, also um 6,7 Prozent errechnet sich, kühn wie ich bin, erneut eine respektable Gewinnsteigerung, diesmal von 12,5 Prozent gegenüber den letzten vier Quartalen.

Das wiederum bedeutet, dass das KGV auf der Basis erwarteter Gewinne nur 11,6 beträgt. Das ist beinahe so, als gäbe es im DAX nur Rohstoffwerte und Versorger und andere old economy-Werte. Wer sich also an die Maxime hält, bei Schwäche zu kaufen, kann nicht viel falsch machen.

Und die Risiken? Sie haben vor allem mit der Wahrscheinlichkeit zu tun, dass alle möglichen Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft auf einmal gleichzeitig korrigiert werden und sich die Konjunktur im Ausland deutlich abschwächt. Die US-Wohnungsmarktblase platzt gerade, die sonst unerschütterlichen amerikanischen Verbraucher könnten nun doch endlich gezwungen sein, ihre Gürtel enger zu schnallen – es könnte zu einem Einbruch der Konjunktur kommen; in China gibt es ebenfalls eine Immobilienblase, die aufs Platzen wartet, und der Dollar, mit dem die Welt seit einiger Zeit geradezu überschwemmt ist, könnte sich in eine heiße Kartoffel verwandeln, die niemand mehr anzufassen wagt, so dass der Euro so stark aufwertet, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen ernsthaft gefährdet wäre. Ein Abwertungswettlauf wäre nicht auszuschließen.

Das ist natürlich sehr schwarz gemalt. Die USA haben laut IWF einen Anteil von 20 Prozent am Sozialprodukt der Welt, so dass ein Rückgang der Wachstumsrate auf Null die Zuwachsrate des Welt-BIP von augenblicklich erwarteten 4,9 Prozent auf 4,3 Prozent senken würde. Das ist aber immer noch ganz stattlich und keineswegs eine Katastrophe. Die jüngsten Konjunkturzahlen aus Japan, Euroland und China waren allesamt positiver als erwartet, so dass die US-Risiken durch Stärke in den anderen Regionen gut ausbalanciert zu werden scheinen.

To sum up: deutsche Aktien sind bereits heute ein Kauf (vor allem auch Inlandswerte – der Bau läuft wieder, die Löhne ziehen an!), die Risiken, die von außen drohen, sind aber nicht gering und sollten im Auge behalten werden. Keinesfalls sollte schon jetzt mit ‚leverage‘ gearbeitet werden.