Warum hält sich der Goldpreis so gut? Was ist das Geheimnis um den Handel mit Gold? Seit seinem historischen Hoch von 1215,70 Dollar am 2. Dezember vergangenen Jahres ist er zwar um 9,9 Prozent gesunken, er bewegt sich aber immer noch auf einem außerordentlich hohen Niveau. Vom Crash der Rohstoffpreise im Sommer 2008 war auch Gold betroffen, aber nur vergleichsweise wenig (-29 Prozent, vom 17. März bis zum 12. November) – seitdem ging es weiter stürmisch aufwärts (+53,4 Prozent). Die Goldrallye ist inzwischen neun Jahre alt. In dieser Zeit hat sich der Preis um 325% erhöht, was einer durchschnittlichen jährlichen Zuwachsrate von 18,1 Prozent entspricht. Ein Teil des Anstiegs kann als Kompensation für den schwachen Dollar gelten – er hatte gegenüber dem Euro in dieser Zeit im Jahresdurchschnitt 4,8 Prozent verloren. Das reicht aber als Erklärung für den Höhenflug des Goldpreises nicht annähernd aus.
Wir haben es mit einer Blase zu tun, und diese wird über kurz oder lang platzen müssen. Das sage ich allerdings schon lange. Selten habe ich mit meinen Marktprognosen so daneben gelegen. Ein untrügliches Zeichen, dass ich diesmal recht behalten werde, sind jedoch die Versuche der Goldlobby, mit immer neuen Argumenten die Preise weiter nach oben zu treiben. Das nenne ich mal das „this time is different“-Syndrom, nach dem Titel des kürzlich erschienen Buchs von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff. Wenn die normale Logik nicht mehr ausreicht, oder sogar für einen Preisrückgang spricht, muss eine neue Erklärung der Welt her, oder mindestens der Märkte, damit die Leute weiter kaufen und die Verkäufer ihre Boni verdienen können. Dann ist größte Wachsamkeit geboten. So leicht werden die ökonomischen Grundregeln nämlich nicht durch neue ausgehebelt.
Sehen wir uns die beiden Seiten der Debatte an. Zunächst: Mit welchen Argumenten wird der hohe Goldpreis gerechtfertigt?
Vor allem mit den niedrigen und zudem seit Jahren fallenden Zinsen! Wenn ich mir Geld leihen kann, ohne viel dafür zu zahlen, fällt es, gemessen am finanziellen Aufwand, nicht schwer, mir einen Goldvorrat anzuschaffen, mal unterstellt, ich sei kreditwürdig. Oder anders herum: Ob ich mir mein Erspartes auf ein Terminkonto zu 0,5 Prozent lege oder mir stattdessen unverzinsliches Gold kaufe, macht keinen großen Unterschied. Im Übrigen: je niedriger die Zinsen, desto mehr kann ich mich verschulden, desto mehr Gold kann ich erwerben und desto stärker steigt dadurch der Goldpreis. Kurz, wenn es nicht danach aussieht, dass die Notenbanken die Zügel anziehen werden, sind Nullzinsen für den Goldpreis eine starke fundamentale Stütze. So ist es im Augenblick
Beim Gold muss aber offenbar noch etwas anderes hinzukommen, denn sonst gäbe es ja nicht die große Diskrepanz zur Entwicklung der übrigen Rohstoffpreise, einschließlich des Ölpreises. Gold dient seit alters her dem Schutz gegen einen Verlust von Kaufkraft, gegen die Entwertung von Papiergeld durch Inflation. Wer sich vor Inflation fürchtet, dessen Motivation für den Kauf von Gold ist allerdings genau entgegengesetzt zu der Motivation, die im vorigen Absatz beschrieben wurde, die nämlich darauf setzt, dass die Zinsen niedrig bleiben werden. Die einen kaufen Gold, weil die Finanzierung so attraktiv ist und auch bleiben wird – weil es keine Inflation gibt -, die anderen kaufen Gold, weil sie Angst vor steigender Inflation haben!
Wenn man sich anschaut, wie das Finanzsystem mit Zentralbankgeld überschwemmt wird, vor allem in den USA (von 800 Mrd. Dollar auf 2.000 Mrd. Dollar innerhalb von eineinviertel Jahren), kann man schon Angst bekommen. Da beruhigt vermutlich auch nicht der Hinweis, dass der Zusammenhang zwischen Zentralbankgeld, Kreditexpansion und Wirtschaftswachstum nicht mehr besteht, dass der sogenannte Transmissionsprozess gestört ist, weil Haushalte und Unternehmen, einschließlich der Banken, nichts anderes im Sinn haben, als ihre Schulden abzubauen. Wer überschuldet ist, hat kein Interesse daran, neue Schulden aufzunehmen – oder hält es für zu gefährlich.
Für die Skeptiker ist die gegenwärtige Stabilität der Verbraucherpreise allerdings nur ein vorübergehendes Phänomen: Wenn so aggressiv Geld gedruckt wird wie zur Zeit, sei ein starkes Anziehen der Inflation praktisch zwangsläufig. Sie raten daher zum Kauf von Gold. Sie sind auch überzeugt, dass es am Ende zu einer systemischen Krise kommt, also zu einem Zusammenbruch des jetzigen Währungssystems, wie wir es seit dem Ende von Bretton Woods kennen, als die letzte Verbindung des Dollar ans Gold gekappt wurde. Mit ungedecktem Papiergeld würde sich dann nichts mehr kaufen lassen, mit Goldmünzen dagegen schon.
Klar ist außerdem, dass der Umlauf von Dollars außerhalb der USA in den letzten Jahren infolge der Devisenmarktinterventionen vor allem der Schwellenländer explosionsartig zugenommen hat. Der Dollar ist kein so knappes Gut mehr und dürfte aus diesem Grund nur begrenzt – oder immer weniger – als Wertaufbewahrungsmittel oder als Parallelwährung in Ländern ohne politisch unabhängige Notenbanken taugen. Der Euro ist für viele noch keine attraktive Alternative, da es im Euroland an einer gemeinsamen Finanzpolitik fehlt und das Überleben der neuen Währung immer mal wieder angezweifelt wird, so wie zur Zeit wegen der Probleme mit Griechenland. Beim Gold wüssten die Anleger dagegen, woran sie sind.
À propos Devisenreserven, ein relativ neues Argument pro-Gold geht so: Die Bestände der Notenbanken an Dollar und Euro haben so stark zugenommen, dass der Anteil der Goldreserven unter ein wünschenswertes Niveau gesunken ist und daher gesteigert werden müsse – was zwangsläufig zu einer Zusatznachfrage nach Gold führt. In China, Japan, Russland und Taiwan, die allesamt über gewaltige Devisenbestände verfügen, liegt der Anteil des Goldes an den gesamten Währungsreserven bei unter 5 Prozent. In den USA, in Deutschland, Italien und Frankreich sind es dagegen zwischen 63 und 70 Prozent!!
Gleichzeitig sei zu beobachten, dass die Notenbanken der OECD-Länder nicht mehr als Nettoverkäufer auftreten. Vielleicht ärgern sie sich darüber, dass sie das Gold in der Vergangenheit zu billig in den Markt gegeben haben, vielleicht haben sie auch erste Zweifel am Bestand des Systems flexibler Wechselkurse, wer weiß. Damit entfällt jedenfalls eine wichtige Angebotsquelle. Immerhin halten die Notenbanken rund ein Fünftel (30.000 Tonnen) des im Laufe der Menschheitsgeschichte geförderten oder gefundenen Goldes. (Übrigens verfügt die Bundesbank noch über 3.400 Tonnen.)
In den vergangenen sechs Jahren bis einschließlich 2008 ist zudem die Förderung von Gold tendenziell leicht zurück gegangen, was den Goldbullen ein weiteres Argument lieferte; es würden kaum noch neue Goldvorkommen entdeckt. Nun ja, wie jeder Ökonom weiß, sind Bodenschätze de facto unerschöpflich. Das gilt für Gold genauso wie für Erdöl – es ist alles nur eine Frage des Preises. Im vergangenen Jahr jedenfalls sollen wieder 2.553 Tonnen ans Tageslicht gebracht worden sein, 6 Prozent mehr als 2008.
Auf der Nachfrageseite spielt offenbar auch eine Rolle, dass ein armes Land wie Indien sehr rasant wächst. Gold wird bei Hochzeiten in großem Stil geschenkt, vielleicht weil es keine richtige Alterssicherung gibt und die Rupie traditionell eine Schwachwährung ist – gerade liegt die Inflation bei den Verbraucherpreisen im Vorjahresvergleich schon wieder bei 13,5 Prozent. Mit steigendem Wohlstand und angesichts einer Bevölkerung von mehr als 1,1 Milliarden Menschen sowie eines jährlichen Bevölkerungswachstums von 1,8 Prozent nimmt der Bedarf an Gold sprunghaft zu. Indien ist bereits heute der größte Markt, vor den USA und den OPEC-Ländern. Die übrigen Schwellenländer, China vor allem, haben vermutlich ebenfalls einen gewaltigen Nachholbedarf – ich lese allerdings gerade, dass die globale Schmucknachfrage wegen der hohen Preise stark rückläufig ist. Die Spekulanten, auch Investoren genannt, dominieren zur Zeit den Markt, was ihn natürlich sehr anfällig macht (das gehört schon zu den Gegenargumenten!).
Nach einem anderen, für mich ziemlich ungewöhnlichen Argument wird das Angebot an Gold aus Absicherungs- oder Hedgegeschäften weiter zurückgehen und damit den Goldpreis in die Höhe treiben, wie schon in den vergangenen neun Jahren. Wie geht das?
In den achtziger und neunziger Jahren wollten sich die Produzenten zunehmend gegen einen Verfall der Preise schützen. Dazu verkauften sie ihr Gold per Termin (etwa in drei Monaten) an eine Bank; die lieh sich umgehend gegen eine geringe Leasinggebühr physisches Gold von einer Zentralbank, verkaufte es am „Spotmarkt“, also per sofort, legte den Ertrag „fristenkongruent“ (also für drei Monate) am Geldmarkt an und gab das Gold in dem Moment an die Zentralbank zurück, in dem der Produzent es lieferte (nach drei Monaten). Gleichzeitig konnte die Bank den Minenbetreiber aus der fälligen Geldmarktanlage bezahlen. Daraus ergab sich für die Bank ein Zinsgewinn, geschmälert durch die Leihgebühr. In dem Maße, wie der Umfang dieser Hedgeoperationen zunahm, vergrößerte sich das Angebot an Gold und drückte damit auf die Preise.
Im vergangenen Jahrzehnt ging es dann in die andere Richtung – es wurde immer weniger Gold per Termin abgesichert, weil die Produzenten (angeblich) auf steigende Preise setzten und erst dann verkauften, wenn das Gold auch physisch verfügbar war, also ein paar Monate später und zu höheren Preisen. Das verminderte per Saldo das Angebot an Gold – und trieb damit dessen Preis in die Höhe. Diese Strategie bestimme auch heute noch das Marktgeschehen.
Habe ich was vergessen?
Dann jetzt meine Gegenargumente:
Hauptverantwortlich für den Goldpreisboom war aus meiner Sicht der starke Rückgang der Zinsen. Damit ist aber mehr oder weniger Schluss (auch wenn ich nichts dagegen hätte, wenn die Notenbanken eines Tages negative Zinsen einführen würden – als Mittel gegen übermäßiges Sparen, Rezession und Deflation). Die Prognose, dass das Halten von Gold nicht mehr viel billiger wird, ebenso wie die Kredite, mit denen Goldkäufe finanziert werden, dürfte nicht sehr kühn sein. Außerdem denken die Notenbanker über ein Ende des billigen und reichlichen Geldes nach, und sie könnten sich dabei durch die für eine Weile anziehenden (headline-) Inflationsraten bestätigt fühlen. Nicht gut für den Goldpreis!
Wie steht es mit den Inflationsgefahren auf mittlere Sicht, wie berechtigt ist die Furcht, dass es doch eines Tages wieder zu hohen Inflationsraten kommt? Keine Frage, die Zentralbanken tun was sie können, damit die Inflation wieder anspringt oder, genauer, dass es nicht zu einer Deflation kommt. Wenn das Preisniveau sinkt und die Notenbankzinsen bereits bei Null angekommen sind, ist es nicht mehr möglich, durch eine Senkung der Realzinsen die Nachfrage und damit die Konjunktur zu stimulieren. Das wichtigste Instrument der Geldpolitik würde wirkungslos. Mit diesem Problem kämpft die Bank von Japan seit vielen Jahren und es sieht nicht aus, als ob sie es in den Griff bekommen könnte: Die Inflationsrate liegt in Japan bei minus 2 Prozent, die Löhne sind um etwa 3 Prozent niedriger als vor Jahresfrist.
Ich will nicht sagen, dass wir auch in den anderen Industrieländern auf eine solche Situation zusteuern, aber wir lernen gerade, dass auch eine sehr expansive Geldpolitik nicht automatisch in die Hyperinflation führt. So weit es sich um eine sogenannte Bilanzrezession handelt, bei der der Abbau von Schulden nach dem Platzen von Vermögensblasen Priorität hat, kann keine Inflation entstehen. Danach sieht es in wichtigen Ländern wie den USA, Großbritannien, Spanien und, wie gesagt, auch noch in Japan aus.
Nicht nur die Haushalte sind vielfach überschuldet, auch die Banken haben weiterhin einen großen Wertberichtigungsbedarf – das gilt nicht nur für Banken in einzelnen Ländern, sondern weltweit. Vielleicht sind demnächst sogar die chinesischen mit von der Partie! Vor ein paar Tagen hat das McKinsey Global Institute einen Bericht veröffentlicht, in dem unter anderem gezeigt wird, dass es in allen großen Ländern nach wie vor im Finanzsektor kriselt.
Bitte auch nicht vergessen, dass es bei Gold keine Zinserträge gibt. Andere Sachwerte, also Immobilien oder Aktien, verschaffen dagegen den Eigentümern in der Regel einen Einnahmestrom. Gold ist in dieser Hinsicht nicht attraktiv – der Kauf lohnt nur, wenn mit einer Wertsteigerung gerechnet werden kann. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und riskanter Beschäftigungsverhältnisse ist es aber wichtiger als sonst, dass sich das Kapital regelmäßig verzinst, also echtes Geld zufließt. Sich allein auf einen steigenden Marktpreis zu verlassen, kann verhängnisvolle Folgen haben.
Der Goldpreis bewegt sich, wie wir wissen, mit großen Amplituden auf und ab – wenn es eine Weile stark nach oben gegangen ist, folgt der Absturz so sicher wie das Amen in der Kirche. Dazu ein paar Zahlen (es handelt sich um durchschnittliche jährliche Veränderungen des Goldpreises, aus Monatswerten, gemessen in Dollar):
Aug. 70 – Dez. 74 | +46,3 Prozent |
Dez. 74 – Aug. 76 | -28,9 Prozent |
Aug. 76 – Jan. 80 | +43,5 Prozent |
Jan. 80 – Feb. 85 | -14,9 Prozent |
Feb. 85 – März 01 | -0,7 Prozent, also de facto eine Seitwärtsbewegung, die 16 Jahre dauerte |
März 01 – Nov. 09 | +19,2 Prozent |
Seit dem Hoch von 1,215,70 Dollar am 2. Dezember 2009 ist der Goldpreis auf 1.095,85 Dollar gefallen (-9,9%). Über den gesamten Zeitraum von 31. August 1970, als er noch 35,38 Dollar betrug, bis zum 22. Januar 2010 ist er um 2.974 Prozent gestiegen, also im Jahresdurchschnitt um 12,4 Prozent. Das ist weit mehr als der Anstieg des nominalen Sozialprodukts der USA in dieser Zeit, und erst recht viel mehr als die Inflationsraten der amerikanischen Verbraucherpreise.
Was mich ziemlich sicher macht, dass wir vor einem Platzen der Goldpreisblase stehen, oder ihr sogar dabei bereits zuschauen, ist der rapide und ungewöhnlich lange Preisanstieg von März 2001 bis Anfang Dezember 2009. Das war nämlich eine Zeit moderater, sinkender oder zuletzt gar negativer Inflationsraten und rückläufiger Inflationserwartungen. Niemand schien daran zu zweifeln, dass die Notenbanken ihr Handwerk beherrschten und für dauerhafte Preisstabilität sorgen würden. Und trotzdem stieg der Goldpreis.
Normalerweise hätte es so sein müssen wie in den 1980er Jahren, als Paul Volcker an der Spitze der Fed stand und erfolgreich die Inflation bekämpfte. Damals sank der Goldpreis erwartungsgemäß. Gerade in den letzten vier Jahren hat sich der Goldmarkt aber offenbar von seinen fundamentalen Kräften gelöst und ist zum Spielball der Spekulanten geworden. Dafür spricht auch, dass die (fundamentale) Schmucknachfrage so stark eingebrochen ist – obwohl genauso viele Inder heiraten wie immer.
Nein, wir haben es mit einer echten Blase zu tun. Die Argumente für weiter steigende Goldpreise sind an den Haaren herbeigezogen. Natürlich sollte Gold für alle, die es sich leisten können, ein Teil ihrer Portefeuilles sein, ich würde seinen Anteil aber deutlich untergewichten, jedenfalls so lange die Kerninflationsraten (also Inflation ex Energie) nicht nachhaltig ansteigen. Auf absehbare Zeit ist das nicht zu befürchten. Vorher muss der Goldpreis noch auf 600 Dollar fallen (zur Qualität meiner Prognosen siehe oben!).