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Kräftiger Anstieg der Gewinne

 

Die Aktienmärkte sind schwach und dürften es wohl auch noch eine Weile bleiben, je nachdem wie ernst das Risiko eingeschätzt wird, dass wir global auf eine Deflation zusteuern. Was die deutschen Aktien angeht, kann deren Schwäche allerdings nicht daher kommen, dass die Gewinne einbrechen. Ganz im Gegenteil, auf kurze Sicht werden sie sehr kräftig steigen. Beim wichtigsten Fundamentalfaktor für die Kursentwicklung stehen die Ampeln auf Grün. Ich vermute, dass das für den Rest des Jahres so bleiben wird.

Wenn die Bundesbank die saisonbereinigten Details der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung veröffentlicht, meldet sich regelmäßig der Buchhalter in mir. Am 21. Mai gab es die neuen Zahlen für das erste Quartal, und sie sind wieder einmal sehr spannend, jedenfalls für mich. Zusammen mit den Arbeitsmarktzahlen für den April und den diversen Umfragen bei Unternehmern, die vielfach schon für den Mai vorliegen, ergibt sich das Bild einer sehr robusten Konjunktur. Die Gesamtlage ist zwar nach wie vor geprägt von einer erheblichen Unterauslastung der Kapazitäten – was die schlechte Stimmung der Verbraucher und die Ängste der Finanzminister erklärt -, vom Verlauf her überwiegt aber das Positive.

Im ersten Quartal stammte das Wachstum des Bruttoinlandprodukts von real 0,2 Prozent (q/q) und 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr allein aus der inländischen Nachfrage, was auch nicht alle Tage vorkommt. Der starke Rückgang des Leistungsbilanzüberschusses schlug sich in einem negativen Wachstumsbeitrag von 1,1 Prozentpunkten am BIP nieder. Der schon damals schwache Euro zeigte also noch keine Wirkung.

Grafik: Wachstumsbeiträge zum BIP

Das wird sich jetzt aber ändern: Da die Weltwirtschaft auch aktuell noch mit einer Rate von 4 bis 5 Prozent expandiert, haben die realen Auftragseingänge an die deutsche Industrie geradezu explosionsartig zugenommen, nämlich mit einer Verlaufsrate von 28,3 Prozent zwischen dem vierten und ersten Quartal. Man muss kein Prophet sein, um daraus auf eine signifikante Wende beim sogenannten Außenbeitrag zu schließen. Nicht umsonst sind die Erwartungen der Unternehmer so überaus positiv. Das allein wird dem BIP einen Schub geben.

Grafik: Anteil des Außenbeitrags am BIP seit 1991

Ich vermute auch, dass die Ausrüstungsinvestitionen, die trotz des leichten Anstiegs im ersten Quartal nach wie vor erschreckend niedrig sind (-20,6 Prozent gegenüber dem Stand von vor zwei Jahren), nunmehr zügig zunehmen werden. Ein Indikator dafür sind die inländischen Aufträge an die Investitionsgüterindustrie – sie hatten im ersten Quartal gegenüber dem vierten Quartal annualisiert und real um 36,4 Prozent zugelegt. Die Investitionspause, genauer: der Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen hatte acht Quartale angehalten. Das ging ziemlich an die Substanz. Schon allein aus Modernisierungsgründen wird hier etwas geschehen. Auch das niedrige Realzinsniveau und der Wechselkurs des Euro sprechen dafür.

Grafik: Ausrüstungsinvestitionen u. Auftragseingang (Investitionsgüter, Inland)

Am Wichtigsten ist vielleicht, dass die Gewinne zumindest für eine Weile wieder sprudeln dürften. Anders als die Arbeitnehmereinkommen waren sie in der Rezession stark gesunken, und zwar von der Spitze im ersten Quartal 2008 bis zur Talsohle im zweiten Quartal 2009 um 20,9 Prozent. Auch im ersten Quartal dieses Jahres waren sie noch weit entfernt von den Werten, die um die Jahreswende 2007/08 erreicht worden waren. Bei diesen Zahlen handelt es sich um die sogenannten Unternehmens- und Vermögenseinkommen – die Unternehmensgewinne im engeren Sinne, für die es leider nie aktuelle Statistiken gibt, dürften viel deutlicher zurückgegangen sein, erholen sich aber auch viel rascher als der aggregierte Wert.

Grafik: Unternehmens- und Vermögenseinkommen (VGR)

Der scharfe Rückgang der Produktion war anders als in früheren Rezessionen nicht einhergegangen mit einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen nach amerikanischem Muster. Die Unternehmen hatten ihre Belegschaften in der Krise fast unverändert gelassen, ein sehr erfreuliches, wenn auch nicht leicht erklärbares Phänomen. Das geschah allerdings um den Preis eines kurzfristigen, aber umso schärferen Einbruchs der Produktivität und der Gewinne. In den 14 Jahren vom ersten Quartal 1994 bis zum ersten Quartal 2008 war das „BIP in Vorjahrespreisen je Erwerbstätigenstunde“, also die Produktivität auf Stundenbasis im Durchschnitt um 1,75 Prozent gestiegen. Sie lag im vergangenen ersten Quartal immer noch um nicht weniger als 6,6 Prozent unter ihrem Trendwert. So wie jetzt die Produktion anspringt, wird auch die Produktivität scharf ansteigen, vor allem, weil das möglich ist ohne eine entsprechende Ausweitung der Arbeitszeit. Da die Löhne erst einmal stagnieren dürften, profitieren davon vor allem die Gewinne. Konjunkturell bekommen wir eine fühlbare Verschiebung der Einkommensverteilung zugunsten der Gewinne.

Ich sehe auf Bloomberg, dass die Analysten bei den 30 DAX-Werten für das Jahr 2010 im Vorjahresvergleich einen Anstieg der Gewinne von 25 Prozent erwarten, was sich in ein durchschnittliches Kurs-Gewinnverhältnis von 11,4 übersetzen lässt. Das ist sehr moderat. Nimmt man den Kehrwert dieser Zahl, bekommt man die sogenannte Gewinnrendite (earnings yield) – sie beträgt demnach 8,77 Prozent. Im Vergleich zur Rendite zehnjähriger Bundesanleihen von nominal gerade einmal 2,63 Prozent und real deutlich weniger als zwei Prozent ist das geradezu üppig.

Aktien sind unter Druck, weil die Anleger nicht wissen, wie sich die Schuldenkrise im Euroland weiter entwickeln wird. Sie scheuen offenbar jedes neue Risiko, auch wenn ihnen dadurch einiges an Gewinn entgeht. Wie gesagt, fundamental sind Aktien, vor allem deutsche Aktien, nicht teuer, aber wer hat die Nerven, aus dieser Einsicht die richtigen Schlüsse zu ziehen. Richtige Schlüsse? Ich muss zugeben, dass meine Perspektive so verschieden nicht ist von der eines Frosches, und vielleicht auch zu sehr von konjunkturellen, also kurzfristigen Faktoren bestimmt ist. Trotzdem: Ich wollte ja nur mal gesagt haben, dass es auch Einiges gibt, was für die Aktien spricht.