Selten stimme ich mit den Kollegen überein, aber das bisher beste Stück zur Causa Guttenberg stammt von Berthold Kohler und steht heute in der FAZ.
Er ist ein Profiteur der Politikverdrossenheit und des Rückzugs aus einer als unsicher und unüberschaubar empfundenen Welt ins Private, in der Werte wie Redlichkeit, Verlässlichkeit und überhaupt der „gesunde Menschenverstand“ eine zentrale Rolle spielen. Aber auch diese beschauliche Welt braucht einen, der sich um die kleinen Leute und die großen Fragen kümmert und alles zum Guten richtet, bis nach Afghanistan. Das wird seit langem niemandem mehr so sehr zugetraut wie Guttenberg. Was spielen da schon ein paar vergessene Gänsefüßchen für eine Rolle? „Scheiß auf den Doktor“, empfahl (ihm) die „Bild“-Zeitung. Wohl wahr: Ein Monarch braucht keinen Doktortitel. Auch den bunten Blättern reicht das Adelsprädikat.
Noch aber ist Deutschland eine Republik, und noch ist ein Plagiat Diebstahl geistigen Eigentums. Die Kanzlerin mag aus naheliegenden Gründen über Letzteres hinweggehen, wenigstens nach außen hin. Den Schaden im Kosmos der bürgerlichen Werte, den die Operation zur Rettung des gestrauchelten Bannerträgers nach sich zieht, kann aber auch Frau Merkel unmöglich übersehen.
In der Tat: Entweder kapitalistische Leistungsgesellschaft und bürgerliche Ethik, dann muss Gutti weg – oder wir lassen es gleich bleiben und legen uns alle in die Sonne.