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Ifo Klima – die deutsche Industrie freut sich über die Eurokrise

 

Die Ifo-Zahlen für Februar, die heute Vormittag veröffentlicht wurden, bestätigen meine bislang wenig beachtete, oder soll ich sagen: ernst genommene These, dass der deutschen Industrie kaum etwas Besseres hat passieren können, als die Eurokrise.

Denn was hat sie bewirkt? Dass die Wirtschaft mit Geld geflutet wird, dass die Zinsen sowohl am kurzen als auch am langen Ende real, soweit ich mich erinnern kann, so negativ sind wie noch nie, und dass der Euro an den Devisenmärkten im vergangenen Jahr so viel gegen Dollar, Pfund, Schweizer Franken, Yen, Renminbi und Schwedenkrone an Boden verloren hat, dass es um die preisliche Wettbewerbsfähigkeit nicht besser bestellt sein könnte. Es wird wegen der schwachen Währung zwar Inflation importiert, das macht aber im Augenblick nicht so sehr viel, weil die Kapazitätsauslastung nach wie vor niedrig und es daher unwahrscheinlich ist, dass es demnächst zu einer neuen Inflationsspirale kommen wird. Selbst wenn die Inflationsraten anziehen würden, ist nicht damit zu rechnen, dass die EZB die Zinsen anheben wird – nicht viel anders als die Fed wird sie vermutlich auf Jahre hinaus die Zinsen in der Nähe von Null halten, denn die Banken müssen Gewinne machen, damit sie ihre Bilanzen wieder in Ordnung bekommen, die Kreditnachfrage soll endlich wieder anspringen, und Euroland insgesamt steckt in einer Rezession – wegen der zahlreichen (pro-zyklischen) Sparprogramme ist die Wirtschaft so angeschlagen, dass kein Weg um eine expansive Geldpolitik herum führt. Deutschland ist der Gewinner der Krise.

Grafik: ifo Geschäftsklimaindex - Februar 2012

Trotzdem sind die Ifo-Zahlen nicht so leicht zu verstehen. Der Geschäftsklimaindex ist jetzt viermal in Folge gestiegen und liegt bei 109,6. Verglichen mit seinem längerfristigen Mittelwert von 100,7 ist das ein sehr gesundes Niveau, auch wenn es noch um einiges niedriger ist als der bisherige Höchststand von vor einem Jahr (115,1). Was die beiden Teilkomponenten des Index angeht, lernen wir, dass die aktuelle Lage kaum besser sein könnte, und dass sich die Erwartungen auch schon wieder verbessern und ebenfalls viermal in Folge zugelegt haben. Verständlicherweise ist die Lage aber viel besser als die Erwartungen. Die Gewinne steigen seit einigen Quartalen wieder stärker als das Volkseinkommen insgesamt, sodass es da keinen Grund zur Klage gibt, aber die allgemeine Unsicherheit schlägt doch schon ein bisschen auf’s Gemüt.

Die Ifo-Zahlen passen allerdings überhaupt nicht zu den Auftragseingängen im Verarbeitenden Gewerbe, die eigentlich signalisieren, dass wir uns auf eine Rezession zu bewegen. Sie sind zwischen dem zweiten und vierten Quartal 2011 real mit einer annualisierten Rate von 9,8 Prozent abgestürzt und befinden sich um 10,8 Prozent unter dem Vorkrisenhoch vom vierten Quartal 2007! Sie passen allerdings zu den Arbeitsmarktzahlen. Die Unternehmen haben seit Mitte 2009, dem unteren Wendepunkt der Konjunktur, Monat für Monat mehr Leute eingestellt, insgesamt mehr als eine Million (+2,6 Prozent).

Grafik: Industrieprodution und ifo Erwartungen - Februar 2012

Die Konjunktur bricht ein, die Unternehmer aber sind ausweislich des Ifo-Indikators guter Dinge und sie erhöhen ihre Belegschaft, als gäbe es keine ernsten Risiken. Gibt es vielleicht auch nicht! Sie gucken vermutlich über den europäischen Tellerrand hinaus, und was sie dort sehen, ist eine moderat aber robust wachsende Weltwirtschaft – zurzeit expandiert das globale reale BIP mit einer Verlaufsrate von 3 Prozent – und besonders erfreuliche Zuwachsraten dort, wo sich ihre teuren Autos und Maschinen gut verkaufen lassen, in den Schwellenländern. Daher kommt wohl vor allem der ungebrochene Optimismus, der sie dazu bringt, Arbeitskräfte auf Vorrat einzustellen. Hoffen wir, dass sie Recht behalten. Jedenfalls ist im Unternehmerlager von der trüben Stimmung vergangener Jahrzehnte nichts mehr zu spüren. Aus dem kranken Mann ist die Konjunkturlokomotive Europas geworden.