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Die Banken an die Leine!

 

Vor Kurzem ist ein Buch erschienen, das es in sich hat. Verfasst von zwei angesehenen, eher konservativen Ökonomen geht es mit den Banken und deren Lobby scharf ins Gericht. Die Weltwirtschaft soll nicht noch einmal durch toxische Produkte, die Verschleierung von Risiken und leichtfertig vergebene Kredite zugrundegerichtet werden. Das Geschäftsmodell der Banken, bei dem ihnen die Gewinne zustehen, Verluste aber von der Gemeinschaft der Steuerzahler übernommen werden, egal was mit den Staatsfinanzen passiert, darf es nicht mehr geben.

Die beiden Autoren, Anat Admati von der Stanford Business School und Martin Hellwig vom Max-Planck-Institut, sehen in dem extrem hohen Anteil an Fremdmittel, mit dem im Bankensektor bislang üblicherweise gearbeitet wird, eine grundsätzliche Ursache für das gefährliche Geschäftsgebaren der Banken. Künftig sollten sie deshalb deutlich mehr Eigenkapital vorhalten als in der Vergangenheit und auch viel mehr, als nach den sogenannten Basel III-Regeln erforderlich sein wird. Dadurch würde sich ihre Fähigkeit erhöhen, Verluste zu absorbieren und zu haften, wenn es mal schief läuft. Der Anreiz, risikobewußter zu agieren, würde zu nehmen.

Aus Sicht der Banken dürften die Vorschläge der Beiden geradezu ungeheuerlich anmuten. Wo kämen wir hin, wenn Kreditinstitute wie ganz normale andere Unternehmen kapitalisiert sein müssten? Die Gewinnmargen würden ja schrumpfen, ganz abgesehen von den Boni für die Manager! Und wo soll in diesem schwierigen Umfeld das Geld herkommen? Den Banken bliebe erst einmal keine andere Wahl, als ihr Kreditvolumen und ihren Bestand an Wertpapieren drastisch zu vermindern. Neue Rezessionen wären vorprogrammiert. Wer kann das wollen?

In Anlehnung an das Märchen von Christian Andersen haben die beiden Autoren ihrem Werk den Titel „The banker’s new clothes“ gegeben, mit dem sie darauf anspielen, dass die Banken und deren Lobby mit fadenscheinigen Argumenten ihre Geschäfte in ein regulatorisches Gewand gehüllt sehen wollen, das eben keines ist.

Sehen wir uns das Geschäftsmodell von Privatbanken am Beispiel der Deutschen Bank einmal genauer an. Diese ist in den USA stark unter Druck, ihre dortige Eigenkapitalbasis zu stärken. Nicht zuletzt deswegen ist sie gerade dabei, 2,8 Mrd. Dollar am Aktienmarkt aufzunehmen. Das ist dringend nötig: Ende 2012 belief sich ihr Eigenkapital auf nur 2,7 Prozent der Aktiva – was nichts anderes heißt, als dass der Wert dieser Aktiva nur um 2,7 Prozent zu sinken braucht, um die Bank auszulöschen, immerhin Deutschlands größte, mit einer Bilanzsumme, die nicht viel niedriger ist als das deutsche Sozialprodukt. Dabei sind diese 2,7 Prozent schon ein Fortschritt gegenüber den Jahren 2006 bis 2008, als die „D-Bank“ mit Hebeln („leverage ratios“) von 1,4 bis 1,5 Prozent versucht hatte, ihre Gewinne zu maximieren. Bei manchen Banken ist es offenbar möglich, das Geschäft fast ausschließlich mit geliehenem Geld zu betreiben. Dabei geht es nicht um irgendwelche Banken, sondern um die größten und einflussreichsten der Welt.

Nur zum Vergleich: Aktienanalysten werden bei „normalen“ (DAX-) Unternehmen bereits nervös, wenn das Verhältnis von Nettoschulden zu Eigenkapital 100 Prozent erreicht. Wie wir gelernt haben, betreiben Banken ein für die Gesellschaft außerordentlich gefährliches Geschäftsmodell, bei dem in guten Jahren Gewinne erzielt werden, von denen die Unternehmen in anderen Bereichen nur träumen können. Das ist nicht zuletzt ihrer schmalen Eigenkapitalbasis zu verdanken. Das Modell kann aber binnen kurzer Zeit zusammenbrechen, wenn einige ungünstige Umstände zusammenkommen. Dazu gehören das Platzen von Immobilien-, Rohstoff- oder Aktienblasen, also der rapide Wertverlust der betreffenden Bilanzpositionen oder ein Verlust des Vertrauens gegenüber Banken, verbunden mit dem Abzug von Bankeinlagen, nicht nur durch die Haushalte und nicht-finanzielle Unternehmen, sondern, wie in der jüngsten Krise geschehen, ebenso durch andere Banken. Auch durch einen unerwarteten Anstieg der Notenbankzinsen, der die Refinanzierung verteuert und die Kurse festverzinslicher Wertpapiere in den Keller treibt, kann Banken schnell ins Schleudern bringen.

Die Banken argumentieren, dass wegen ihrer zentralen Rolle im Wirtschaftsprozess hohe Gewinne nötig sind, um finanzielle Rückschläge verkraften zu können. Ohne profitable Banken liefe nichts! Es hat sich aber gezeigt, dass gerade das nicht so war. Trotz der gewaltigen Gewinne, die sie bis zum Ausbruch der Finanzkrise erzielt hatten, hatten sie überhaupt keine Polster, als es ernst wurde. In den USA machten die Gewinne des Finanzsektors im Jahr 2003 unglaubliche 40 Prozent aller Unternehmensgewinne aus, fünf Jahre später waren die größten Banken – und die größte Versicherung! – insolvent und mussten vom Staat aufgefangen werden. Wie sich herausstellte, hatte Anlegerguru Warren Buffet unrecht mit seiner Beobachtung, dass Hedge Funds die neuen Massenvernichtungswaffen seien – es waren die Banken.

Warum hantieren Banken so gern mit möglichst geringen Eigenkapitalquoten? Für die Gewinnerzielung ist es bekanntlich (oder nicht bekanntlich) mehr oder weniger irrelevant, wie hoch der Anteil der Fremdmittel ist, nicht aber für die Verzinsung des Eigenkapitals. Auf die kommt es für Aktionäre und Manager aber vor allem an. Wenn 1 Euro Gewinn auf 3 Euro Eigenkapital bezogen wird, ergibt das eine Verzinsung von 33,3 Prozent, wenn das Eigenkapital dagegen 25 Euro beträgt, bleiben nur mickrige 4 Prozent. So einfach ist das. Banker haben ein Interesse daran, so viel Fremdmitteln aufzunehmen, wie ihnen Aufseher und Markt erlauben. Dass das legitim sei, wurde vor der Krise kaum angezweifelt, und auch jetzt sind die großen Banken, die überlebt haben, schon wieder bei ihrer alten – für sie profitablen, für das Gemeinwesen aber höchst gefährlichen Strategie.

Admati und Hellwig argumentieren, dass es keinen Grund gäbe, Banken bezüglich ihrer Eigenkapitalausstattung anders zu betrachten als „normale“ Unternehmen. Der Sonderstatus, der den Banken von der Politik und den Regulierungsbehörden eingeräumt wird, entspringt irgendwie einer Mystifizierung des Geldgeschäfts und dessen zentrale Rolle bei allen Transaktionen – und einer erfolgreichen Lobbyarbeit. Die Banker handeln aber letztlich mit einfachen Produkten, dem Zahlungsverkehr, der Vermittlung zwischen Sparern und Kreditnehmern, und der Aufbewahrung von Geldkapital. Warum sollen die Gewinne, die sich damit erzielen lassen, so viel höher sein als beim Bau von Großraumflugzeugen oder der Entwicklung von Medikamenten gegen HIV? Wenn deutlich höhere Eigenkapitalquoten zu geringeren Gewinnen führen, würden die anderen entsprechend mehr haben. Vor allem aber wäre das Finanzsystem viel stabiler. Die Autoren klagen darüber, dass trotz des enormen Schadens, den die Banken angerichtet haben, wirklich fundamentale Reformen aus politischen Gründen bisher nicht auf den Weg gebracht wurden: „Diejenigen, die den Status quo erhalten möchten, dominieren die öffentliche Diskussion […] Die Politiker […] glauben, dass große Risiken ein wesentliches Element des Bankgeschäfts seien […] Oder sie lassen sich von Wahlkampfspenden beeinflussen.“ (S. 227)

Den Banken dürfe es nicht länger gelingen, Konfusion über ihre Rolle zu verbreiten und denjenigen fadenscheinige Argumente zu liefern, die gegen Reformen und eine schlagkräftige Aufsicht sind. Wie beim Kaiser im Märchen muss irgendjemand nur mal die Wahrheit sagen, dass die Banken regulatorisch in Wirklichkeit nackt sind. Admati und Hellwig tun das, nun müssen sie mit ihrem Buch nur noch Gehör finden.