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Braucht Griechenland einen Schuldenschnitt?

 

In einem Artikel für die Printausgabe der ZEIT befasse ich mich noch einmal mit der Lage in Griechenland. Die Horrorzahlen über die Staatsverschuldung dort sind bekannt. Nach der jüngsten Schuldentragfähigkeitsanalyse des IWF wird die Verschuldung in diesem Jahr stolze 175,5 Prozent des BIP betragen.

Ich bin wie so viele Experten der Meinung, dass es ohne einen Schuldenschnitt im Sinne einer Reduzierung des Barwerts der Forderungen – sei es durch eine Verringerung der Zinsen und eine Verlängerung der Laufzeiten oder eine Verringerung des Nominalwerts – nicht gehen wird.

Was mir aber in der Debatte bisher nicht ausreichend beachtet zu sein scheint ist, wie sehr sich die schon vereinbarten Zinssenkungen und Laufzeitverlängerungen auf die Schuldentragfähigkeit auswirken.

Mein Punkt ist: Eine Verschuldung von 175,5 Prozent des BIP ist enorm, aber für die Tragfähigkeit im engeren Sinn zählt, ob der Schuldendienst das Land überfordert. Und wenn der Schuldendienst durch Zinssenkungen und Laufzeitverlängerungen minimiert wird, dann sind auch sehr hohe Schulden kein unmittelbares Problem – zumindest solange das betreffende Land Haushaltsdisziplin übt und einen Primärüberschuss einfährt.

Platt gesagt: Meine Schulden jucken mich nicht, wenn ich sie erst in einigen Jahrzehnten zurückzahlen muss und derweil so gut wie keine Zinsen bezahle.

Genau darauf scheint mir die Bundesregierung in Griechenland – und auch in den anderen Krisenstaaten zu setzen. Das bedeutet nicht, dass die Schulden tragfähig sind. Es bedeutet aber, dass der Nachweis einer mangelnden Tragfähigkeit nicht so einfach zu führen ist, wie es die hohen Verschuldungszahlen zunächst nahelegen.

Politisch ist diese Lösung sehr komfortabel, weil die Öffentlichkeit ja nicht mitbekommt, dass auch auf diese Weise auf Forderungen verzichtet wird. Das Ifo-Institut hat den Barwert der Zins- und Gebührensenkungen für Griechenland vom November 2012 auf 47,3 Milliarden Euro beziffert – das ist ein enormer heimlicher Schuldenschnitt.

Es könnte also durchaus sein, dass mit den bisherigen Methoden die Schuldentragfähigkeit Griechenlands hergestellt werden kann und die große Überraschung ausbleibt.