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Paul Kirchhofs wunderbare Welt der Wirtschaft

 

Das vorab: Ich halte Paul Kirchhof für einen großen Verfassungsrechtler und Rechtsphilosophen, auch wenn ich etwa mit seinen Thesen zur Rolle der Nation nicht übereinstimme.  Wenn er sich allerdings in das Feld der Ökonomie begibt, macht er einen Fehler, den viele Juristen machen: Er ist so fasziniert von der normativen Kraft des Rechts, dass er soziale und ökonomische Gesetzmäßigkeiten ausblendet.  So kommt es zu Interviews wie heute im Handelsblatt, über die man nur den Kopf schütteln kann.

Aber der Reihe nach. Es geht zuerst um das Thema Schulden.

Der Staat ist kein Unternehmen, der sich das Geliehene über erfolgreiche Investitionen wieder hereinholt. Er verschiebt nur Lasten auf die Kinder.  

Deshalb stehe der Kredit als Finanzierungsquelle des Staates grundsätzlich nicht mehr zur Verfügung. Mit anderen Worten: Wenn ein Privatunternehmen an den Kapitalmarkt geht und mit dem geliehenen Geld eine Straße baut, dann ist das eine erfolgreiche Investition. Wenn der Staat dasselbe tut, dann verschiebt er nur die Lasten auf die Kinder. Warum? Ist die staatlich gebaute Straße schlechter? Können meine Kinder auf dieser Straße etwa nicht fahren? Die Aussage ist ökonomischer Humbug und – und das dürfte einem Juristen eigentlich nicht passieren –  in sich widersprüchlich. Leider fragen die geschätzten Kollegen des Handelsblatt hier nicht nach. Es hätte mich sehr interessiert, wie Kirchhof aus dieser selbst gestellten Falle entkommt.

Eine Investition ist finanztechnisch dann sinnvoll, wenn sie eine positive Rendite erzielt. Ob der Staat investiert oder ein Unternehmen, ist völlig egal. Und die Finanzierung öffentlicher Investitionen – von denen definitionsgemäß vor allem kommende Generationen profitieren – sollte grundsätzlich auch auf Kredit erfolgen, um eine generationengerechte Lastenverteilung zu gewährleisten. Wir vererben sowohl die Schulden als auch die mit diesen Schulden finanzierten Kapitalstock. Und dieser Kapitalstock und nichts anderes ist die Grundlage des Reichtums kommender Generationen. Und von der Konjunkturstabilisierung durch eine staatliche Kreditaufnahme habe ich noch gar nicht gesprochen.

Praktisch alle großen Wirtschaftsnationen auf dem Globus haben Schulden – aber das scheint Kirchhof nicht zu interessieren. Man kann und muss über die Höhe der Schuldenquote diskutieren und das geschieht ja auch. Wer Staatsschulden ganz verbieten will, muss sich eine andere Begründung suchen.

Und so geht es weiter:

Das Verfassungsrecht verspricht jedem Bürger, dass ihm sein Finanzkapital jährlich einen Ertrag bringt. Dieses Versprechen wird nicht mehr erfüllt. Die Kernidee des Privateigentums wird abgeschafft. 

Mir ist bekannt, dass das Grundgesetz das Recht auf Privateigentum garantiert. Aber wo steht geschrieben – oder woraus lässt sich ableiten – dass es ein Recht gibt, dass sich dieses Eigentum von selbst vermehrt? Und sprechen wir von einer realen oder einer nominalen Vermehrung?  Und wäre – Stephan Ewald hat darauf hingewiesen – dann nicht Bargeld verfassungswidrig, weil es keinen Ertrag garantiert? Oder wie sieht es aus, wenn ich mich an der Börse mit meinem Finanzkapital verzocke? Kann ich dann den Staat auf  Wiedergutmachung verklagen?

Die Wertentwicklung meines Eigentums ist in einer Marktwirtschaft das Ergebnis einer Vielzahl von Einflussfaktoren. Es gibt kein Grundrecht auf eine risikolose nominale Verzinsung und schon gar nicht auf eine reale. Wer Rendite will, der muss Risiken akzeptieren – so sind die Gesetze der Ökonomie. Im Übrigen rentieren zehnjährige Bundesanleihen derzeit bei rund 1,8 Prozent, während die Inflationsrate bei 1,6 Prozent liegt. Das Geld vermehrt sich also selbst im jetzigen Umfeld noch. Nominal sowieso und auch real.

Paul Kirchhof wollte einmal Finanzminister werden. Mit solchen Ideen hätte er das Land innerhalb einer Legislaturperiode ruiniert.