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Bondschwäche wird bald enden

 

Zum Ende des vergangenen Jahres haben Anleger mit zehnjährigen Bundesanleihen Geld verloren. Die Rendite ist von 1,32 auf 1,93 Prozent gestiegen, was einem Kursverlust von etwa 6 Prozent entspricht; der mickrige Zins hat den Rückgang des Marktwerts bei Weitem nicht ausgleichen können. Ist die Bondrallye, die vor drei Jahrzehnten begann, nun vorbei?

Wenn die Renditen so niedrig sind wie jetzt, ist die Wahrscheinlichkeit eines neuen Kursfeuerwerks am Rentenmarkt zugegebenermaßen gering. Aber ebenso wenig stehen wir gerade am Anfang einer nachhaltigen Schwächeperiode. Der wichtigste Grund: Es gibt eine „natürliche“ Grenze für die Differenz zwischen Notenbankzinsen und den Renditen von Staatsanleihen. Je größer sie ist, desto größer ist der Anreiz, mit billigem geliehenen Geld „risikolose“ Bundesanleihen zu kaufen, vorausgesetzt, die Inflationserwartungen bleiben niedrig.

Der Abstand zwischen dem EZB-Leitzins von 0,25 Prozent und der Zehnjahresrendite von zurzeit 1,93 Prozent beträgt 1,7 Prozentpunkte und ist damit kräftig gestiegen. Ich vermute, dass er sich kurzfristig noch ausweiten wird, aber nicht auf mehr als zwei Punkte.

Grafik: Zusammenhang zwischen 10-jährigen Bundesanleihen und den Notenbankzinsen, 1980-2013
Zusammenhang zwischen 10-jährigen Bundesanleihen und den Notenbankzinsen, 1980-2013

Da die EZB die Zinsen für mindestens ein Jahr in der Nähe von Null halten wird, ist die Situation für die Banken eine Einladung zum Gelddrucken, die sie kaum ausschlagen werden, zumal die „normalen“ Kredite immer noch nicht laufen und aufwendige Prüfungen der Kreditwürdigkeit beim Staat entfallen. Nichts ist einfacher als den Bestand an Bundesanleihen aufzustocken. Was die Inflationserwartungen angeht, liegen sie, soweit sie sich von den inflationsindizierten Anleihen der Bundesrepublik ableiten lassen, für die nächsten fünf Jahre im Durchschnitt bei 0,98 Prozent, für zehn Jahre bei 1,54 Prozent und damit am unteren Ende der Spannen, in denen sie sich in den vergangenen zwölf Monaten bewegt haben – sie sinken also eher als dass sie steigen.

Die Renditen sind nicht deshalb hoch gegangen, weil die Anleger es auf einmal mit der Angst vor höherer Inflation zu tun bekommen hatten, und erst recht nicht, weil die EZB mit einer Kurswende gedroht hatte. Angesichts einer Arbeitslosenquote von 12,1 Prozent, einer aktuellen Inflationsrate von 0,9 Prozent, sinkenden Preisen auf den vorgelagerten Stufen und des festen Euros ist damit überhaupt nicht zu rechnen.

Nein, der Auslöser für die neue Schwäche am Rentenmarkt war zunächst, im vergangenen Mai, das laute Nachdenken von Fed-Chef Bernanke über geringere Anleihekäufe und dann, in diesem Monat, der Beschluss, es auch zu tun. Es ist aber nur ein Sturm im Wasserglas – irgendwann war ohnehin damit zu rechnen, dass die US-Zentralbank diese Käufe einschränken würde. Auf Dauer geht es nicht an, dass sie jährlich netto Staatsschulden von 6,4 Prozent des Sozialprodukts in die Bücher nimmt; der amerikanische Staat machte 2013 laut OECD neue Schulden von 6,5 Prozent des BIP. Wer braucht bei einer solchen Notenbank noch Rentenmärkte!

Da die Konjunktur zuletzt Fahrt aufgenommen hat, war es an der Zeit, die Expansion der Notenbankbilanz (d.h. „QE3“) schrittweise zu reduzieren. Gleichzeitig hat die Fed aber klargestellt, dass sich an den Leitzinsen nichts ändern wird. Am Geldmarkt hat sich denn auch fast nichts getan, ebenso wenig wie am Terminmarkt für die Fed Funds-Leitzinsen (so etwas gibt es!). Am Bondmarkt aber ging der Ausverkauf, der im Mai begonnen hatte, weiter; die Renditen stiegen von 1,63 auf heute 3,00 Prozent. Diese Schwäche übertrug sich auf den Rest der Welt, einschließlich des deutschen Rentenmarkts.

Auch in den USA dürfte der attraktive Spread zwischen lang laufenden Treasuries und Leitzinsen von nahezu Null eine natürliche Bremse für den weiteren Renditeanstieg sein. Die Fed glaubt nicht daran, dass sich in den USA bereits ein selbsttragender Aufschwung entwickelt hat, der höhere Leitzinsen verträgt. Der Rückgang der Arbeitslosenquote auf 7 Prozent und die Expansion des realen BIP mit einer Verlaufsrate von 4,1 Prozent im dritten Quartal ändern nichts daran, dass es am Arbeitsmarkt weiterhin trübe aussieht. Das lässt sich vor allem an der Erwerbsquote ablesen, die sich bislang immer noch im freien Fall befindet.

Grafik: US Erwerbsqoute und Arbeitslosenquote seit 1980

Sie ist von 67,3 Prozent im Jahr 2000 auf 63,0 Prozent im letzten November gesunken. Viele Leute werden nicht mehr als arbeitslos gezählt, weil sie die Jobsuche aufgegeben haben – was den Rückgang der Arbeitslosenquote relativiert. Um auf die Erwerbsquote des Jahres 2000 zu kommen, müssten etwa 11 Millionen zusätzliche Jobs geschaffen werden, plus 1,5 Millionen pro Jahr für den Anstieg der Erwerbsbevölkerung. Obwohl die Beschäftigung in letzter Zeit zügig expandiert, ist der Weg noch lang. Da die Fed offiziell nicht nur für ein stabiles Preisniveau, sondern auch für einen hohen Beschäftigungsstand verantwortlich ist, muss sie auf absehbare Zeit bei ihrer Nullzinspolitik bleiben. Die aktuelle Inflationsrate von 1,2 Prozent und längerfristige Inflationserwartungen von etwa zwei Prozent sind kein Grund, davon abzulassen.

Es lohnt sich also auch in den USA immer mehr, sich kurzfristig zu verschulden und am langen Ende in Treasuries oder Unternehmensanleihen anzulegen. Spreads von knapp drei Prozentpunkten und mehr stehen für eins der finanziell attraktivsten und risikolosesten Angebote am amerikanischen Kapitalmarkt. Der Wendepunkt bei den Bondrenditen ist nicht mehr fern. Für den deutschen Markt sind das indirekt natürlich positive Aussichten.