Es scheint ja so einfach zu sein: Eine Schuldenquote von mehr als 170 Prozent der Wirtschaftsleistung ist zu hoch. Die Schulden müssen weg, sonst hat Griechenland keine Zukunft.
So einfach ist es aber nicht, denn die Höhe der Verschuldung – auch in Prozent der Wirtschaftsleistung – ist für sich genommen nicht sehr aussagekräftig. Angenommen, ich verdiene 100.000 Euro im Jahr und schulde meinem Nachbarn genau den gleichen Betrag: Wenn ich auf diese Schuld keine Zinsen zahle und sie nie tilgen muss, dann kann es mir ziemlich egal sein, dass meine Schulden so hoch sind wie mein Einkommen.
Soviel zur Theorie.
In der Praxis sieht es nicht viel anders aus. Das hat mit einer Reihe von Entscheidungen zu tun, die in den vergangenen Monaten getroffen wurden. Die auf die Hilfskredite zu bezahlenden Zinsen sind gesenkt und die Kreditlaufzeiten verlängert worden. Auf die EFSF-Kredite bezahlt Griechenland bis 2022 überhaupt keine Zinsen (die Zahlungen müssen danach allerdings nachgeholt werden). Die Gewinne aus von den Notenbanken gehaltenen Anleihen werden an Griechenland zurücküberwiesen. Die durchschnittliche effektive Verzinsung Griechenlands liegt unter der Deutschlands (siehe Grafik).
Durch diese Maßnahmen sinkt die Last der Verschuldung, auch wenn der ausstehende Betrag unverändert bleibt. Technisch gesprochen: Der Barwert der Verschuldung sinkt. Das bringt sogar das gewerkschaftsnahe IMK-Institut zu folgender Schlussfolgerung:
Contrary to what most media and political commentary might lead one to believe – the Greek interest rate burden is not spectacularly high.
Nach Schätzungen der EU zahlt Griechenland in diesem Jahr 4,3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für den Schuldendienst. Das entspricht etwa dem Niveau der USA (3,9 Prozent des BIP). Die Vereinigten Staaten gelten gemeinhin eigentlich nicht als überschuldet. Griechenland selbst hat noch im Jahr 2010 5,9 Prozent für Zinsen und Tilgung ausgegeben. Heute ist die Last also deutlich geringer.
Im Umgang mit Griechenland ist vieles falsch gelaufen. Die Sparauflagen waren anfangs zu rigide, und vielleicht sind sie es jetzt noch. Hier sollte man ansetzen und zum Beispiel über weniger ambitionierte Ziele für den Primärüberschuss nachdenken – also den laufenden Haushalt ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen. Die bislang aufgelaufenen Schulden aber sind nicht das Problem. Man kann den Griechen nur raten, sich an diesem Punkt nicht zu verkämpfen.