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Wege aus der Zinsfalle

 

Gerade ist ein Buch mit dem Titel „Die Zinsfalle“ erschienen, in dem Eckhard Sauren zusammen mit drei Kollegen auf 244 Seiten beschreibt, wie die Niedrigzinsen Anleger zu neuen Strategien zwingen. Als Dachfondsmanager ist seine Kölner Firma auf die unabhängige Analyse von Fondsmanagern und ihren Produkten spezialisiert. Das Buch ist seriös gemacht, verständlich geschrieben, mit zahlreichen Grafiken, volkswirtschaftlich gut fundiert und insgesamt ein nützlicher Leitfaden durch insgesamt sechs Assetklassen und drei Arten von Fonds. Wie die Autoren betonen, hängt es vom Alter, dem Einkommen, der Risikobereitschaft und natürlich der Lage am Kapitalmarkt ab, wie viel von welchen Assets der Anleger in sein Portfolio aufnehmen sollte. Adressaten sind aber nicht nur die Privatanleger, sondern ebensosehr institutionelle Investoren wie Versicherungen, Banken oder Pensionskassen. „Je intensiver wir uns mit den rückläufigen Zinsen auseinandersetzten, desto klarer wurde uns, dass ein Großteil der Anleger nicht sinnvoll für die Zukunft aufgestellt ist und in der Zinsfalle steckt.

Das Buch dürfte nicht zuletzt ein Marketinginstrument der Sauren Finanzdienstleistungen GmbH & Co. KG sein und könnte daher der Tendenz nach vor allem die Attraktivität von Fondsprodukten hervorheben. In gewisser Weise ist das der Fall, weil zum Beispiel gar nicht darauf eingegangen wird, wie hoch die Gebühren bei Investment Fonds sind und wie sie die Erträge der Anleger beeinflussen. Das Buch ist sicher kein Plädoyer dafür, Wertpapiergeschäfte vor allem über kostengünstige Online-Broker abzuwickeln. Skeptiker würden zudem anmerken, dass es gut für’s Geschäft ist, wenn die Leser nach der Lektüre dazu animiert werden, ihre Bestände zu durchforsten und umzuschichten – und sich die Firma Sauren mal näher anzuschauen. Andererseits haben wir es hier nicht mit einer Lobeshymne auf die Fondsbranche zu tun. Es wird beispielsweise dazu geraten, nur solche Fonds zu erwerben, die es besser machen als man es selbst könnte – dabei sollte sich niemand davon beeindrucken lassen, wie erfolgreich die Manager in der Vergangenheit waren. Das sei keine Garantie dafür, dass sie das auch in der Zukunft sein werden. Vor allem den Rentenmanagern wird von nun an eine steife Brise entgegenwehen.

Ich kommentiere im Folgenden die wichtigsten Ergebnisse des Buches für die einzelnen Assetklassen und ergänze das hier und da mit meinen eigenen Einschätzungen.

Wenig attraktiv sind zurzeit Staatsanleihen. Schon bei Redaktionsschluss Mitte Dezember 2014 waren die Renditen so niedrig, nämlich 0,6 Prozent bei zehnjährigen Bundesanleihen, dass die Autoren keine weiteren nennenswerte Kursgewinne mehr erwarteten. Seitdem hat sich das lange Ende der Renditekurve noch einmal vermindert, auf nur noch 0,36 Prozent. Das ist erstmals weniger als die Rendite japanischer Anleihen, liegt aber immer noch deutlich über dem Schweizer Wert von -0,18 Prozent. So oder so, die Autoren haben schon recht mit ihrer Erwartung, dass der Spielraum für weitere Kursgewinne gering ist und die Anleger sich von den Märkten der safe haven-Länder fernhalten sollten.

Ich denke aber, dass es angesichts der Deflation im Euroland noch lohnend ist, auf Staatsanleihen von Ländern wie Italien und Portugal zu setzen. Die Renditedifferenzen werden weiter schrumpfen. Wer nichts gegen ein bisschen Spekulieren hat, also etwas Geld übrig hat, sollte sich vielleicht auch einmal griechische und russische Anleihen näher anschauen. Im Fall von Griechenland wäre es eine Wette darauf, dass eine gütliche Einigung mit den Gläubigern gelingt, in Russland darauf, dass sich Rubel und Ölpreis nahe ihren unteren Wendepunkten befinden.

Da Staatsanleihen bonitätsstarker Emittenten nichts bringen, rechnen die Autoren damit, dass Lebensversicherungen und private Rentenversicherungen keine gute Rendite abwerfen werden. Zunehmend muss die Assekuranz auslaufende höherverzinsliche Papiere durch solche mit Renditen von nahe Null ersetzen. Nicht nur die vier Autoren, auch die Bundesbank und die Aufsicht machen sich daher zunehmend Sorgen über die Zukunft der Branche. Wenn sich das Zinsniveau nicht bald nachhaltig erhöht, wird es ernste Probleme geben. Dass die Garantiezinsen demnächst wieder einmal steigen könnten, ist jedenfalls vorläufig ziemlich unwahrscheinlich.

Unternehmensanleihen bieten eine etwas bessere Rendite als Staatsanleihen, haben aber zwei gewichtige Nachteile: Zum Einen sind die Risiken höher und meist nur schwer einzuschätzen, zum anderen ist absehbar, dass es in Krisen schwer sein wird, sie zu fairen Kursen zu verkaufen – die Deutsche Bank allein hat über 1000 Anleihen ausstehen, da kann man sich leicht ausmalen, wie groß eine Einzelne normalerweise ist. Mit anderen Worten, das Risiko-Ertragskalkül spricht gegenwärtig gegen diese Assetklasse.

Deutsche Immobilien sind für private Haushalte die mit Abstand beliebteste Anlageform. Das gilt heute noch mehr als in der Vergangenheit, als die Rentenmärkte eine echte Alternative waren. Um mal etwas aus meinem Umfeld zu berichten: In Mainz kann man eine 80 qm große Wohnung für 200.000 Euro kaufen und für 10 Euro pro Quadratmeter vermieten, was eine Bruttorendite von 4,8 Prozent ergibt. Bei Hypothekenzinsen von, sagen wir, 1,5 Prozent sieht das nach einem Schnäppchen aus und lässt vergessen, dass es gelegentlich Ärger mit den Mietern gibt und öfter mal Kosten für Renovierungen anfallen. Sauren und Kollegen sehen das ähnlich.

Und Bargeld und Bankeinlagen? Bei einem fallenden Preisniveau lässt sich mit Liquidität eine positive Realrendite erzielen, auch wenn sie keine Zinsen abwirft. Aber die Banken könnten demnächst bei Kleinanlegern, wie schon jetzt bei Großkunden, dazu übergehen, auf Einlagen einen negativen Effektivzins zu berechnen. Das spricht dafür, das Geld unter die Matratze zu stecken, eine wirkliche Alternative ist das jedoch nicht. Insgesamt ist das Halten von Cash (in der Bank) bei einem niedrigen Zinsniveau sinnvoller als bei einem hohen. Sauren weist darauf hin, dass sich die Leute genau ansehen sollten, wem sie ihr Geld anvertrauen. Im Verlauf der Finanzkrise haben da Manche schlechte Erfahrungen gemacht. Die Sätze, die für Termingeld geboten werden, sind meist gute Indikatoren dafür, wie solide eine Bank ist – je höher, desto riskanter. Ein anderes Maß für die Ausfallwahrscheinlichkeit von Bankeinlagen sind die sogenannten Credit Default Swaps einzelner großer Banken, eine Art von Versicherung – je teurer sie sind, desto skeptischer sind die Marktteilnehmer.

Gold interessiert die Autoren nicht. Wären sie Schweizer, könnten sie gar nicht anders, als darüber zu schreiben. Das Halten dieses Edelmetalls ist angesichts der Nullzinsen viel billiger als sonst, aber anders als bei Bargeld kann es gelegentlich zu Kursverlusten kommen, und das Aufbewahren ist nicht kostenlos, selbst wenn es in Form von verbrieften Forderungen erfolgt. Leider fehlt auch ein Kapitel über die Assetklasse „Devisen“, wie überhaupt die internationalen Aspekte im Buch stark unterbelichtet sind.

Aktien sind nicht erst seit gestern neben Immobilien die Assets der Stunde. Auf Seite 152 findet sich eine Grafik, die der folgenden ähnelt. Man erkennt, dass die Umlaufrendite festverzinslicher deutscher Wertpapiere bis 2008 stets über der Dividendenrendite lag. Sie enthielt eine beträchtliche Risikoprämie dafür, dass die Anleger durch hohe oder steigende Inflationsraten real einen Wertverlust erleiden könnten. Damit ist es jetzt vorbei.

Grafik: Aktien schlagen Renten - Anleiherenditen vs Dividendenrenditen

Der Abstand zwischen Dividendenrendite und Umlaufrendite ist so groß (um die 2,1 Prozentpunkte), dass ein fortgesetztes Umschichten in Aktien naheliegt. Aktien sind im Vergleich zu Renten billig. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der Aktien im DAX auf Basis der für 2015 erwarteten Gewinne beträgt heute moderate 14,02, was einer Gewinnrendite von 7,00 Prozent entspricht (dem Kehrwert des KGV). Im Vergleich zur realen Rendite zehnjähriger Bundesanleihen von 0,66 Prozent (0,36 nominale Rendite abzgl. der Inflationsrate von -0,3) ist das sehr viel; die Risikoprämie für deutsche Aktien ist daher 6,34 Prozentpunkte (7 minus 0,66) und damit vermutlich ein Rekordwert. Schwer zu sagen, was denn nun das Fazit wäre. Das Verhältnis Kurs- zu Buchwert ist heute 1,82 und damit ein Wert, der zur Vorsicht mahnen sollte. Aber Aktien sind zurzeit ein bisschen ohne Alternative, zumal angesichts der fallenden Rohstoffpreise und der guten Konjunktur nicht mit einem Rückgang der Gewinne zu rechnen ist.

Was die Fonds angeht, beschäftigen sich die Autoren zunächst mit flexiblen Rentenstrategien. In einer Zeit rekordniedriger Zinsen sind solche Manager im Vorteil, die Short-Positionen in (tendenziell überteuerten) Staatsanleihen halten, zusammen mit einem Bodensatz an Staatsanleihen, die noch Kurspotenzial haben (europäische Peripherie?) sowie Unternehmensanleihen, vor allem aber sogenannte high yields, also riskante Anleihen aller Art. Anleger sollten zudem darauf achten, dass die durchschnittliche Restlaufzeit (duration) nicht zu lang ist, damit die Kursverluste nach einer Zinswende beherrschbar bleiben.

Nicht sehr attraktiv sind laut Sauren Mischfonds und vermögensverwaltende Fonds, die in variierenden Proportionen in Aktien und Renten anlegen. Die Steuerung dieser Quote wird den Portfoliomanagern überlassen, was den Anlegern eigenes Denken und Handeln erspart. Zu bedenken ist aber, dass „Untersuchungen … ergeben (haben), dass der Durchschnitt der Mischfonds nicht in der Lage ist, durch aktive Timing-Entscheidungen Mehrwerte zu generieren“ (S. 213). Der Anteil solcher Fonds im Portfolio sollte gering gehalten werden.

Am plausibelsten sind zur Zeit Engagements in Absolute-Return-Fonds, „die unabhängig von der allgemeinen Entwicklung der Kapitalmärkte einen absoluten Wertzuwachs zu erwirtschaften“ versuchen (S. 210). Sie versuchen nicht, wie die klassischen Fonds, irgendeinen Referenzindex zu schlagen, sondern wollen bei überschaubaren Risiken attraktive Erträge erzielen. Mehr als sonst hängt der Erfolg davon ab, wie erfahren der Fondsmanager ist und was er kann. Er oder sie müssen vor allem in der Lage sein, auch dann Geld zu verdienen, wenn die Zinsen wieder steigen oder die Aktienmärkte einbrechen. Um das Risiko zu reduzieren, dass auf das falsche Pferd gesetzt wird, sollten Anleger ihr Kapital auf verschiedene „sorgfältig ausgewählte Strategien und Manager … verteilen„. (S. 210). Meiner Ansicht nach können erfahrene Anleger aber, wenn es sich nicht gerade um exorbitante Summen handelt, durch eine Mischung aus Immobilien, Dividendenpapieren solider Unternehmen, hochverzinslichen Anleihen, Cash und gezielten Short-Positionen ihren eigenen Absolute-Return-Fonds zusammenstellen und damit Gebühren sparen.

Der Kauf des Buches ist vor allem für die Anleger lohnend, die sich einen Überblick über die Alternativen am Kapitalmarkt verschaffen wollen. Es enthält zudem einige aufschlussreiche Kapitel über die Geschichte und die Determinanten der Zinsen, einschließlich der europäischen und amerikanischen Geldpolitik.