Die Kollegen von Spiegel Online haben heute schon die dankenswerte Aufgabe übernommen, mit dem in einigen Medien – und von Wolfgang Bosbach – verbreiteten Mythos aufzuräumen, wonach die Griechen im Schnitt mit 56 Jahren in Rente gehen, während in Deutschland bis zu einem Alter von 64 Jahren gearbeitet würde. Bei der entsprechenden Statistik handelte es sich um Daten aus dem Staatssektor, die noch dazu durch Frühverrentungen verzerrt sind und keinesfalls mit den Daten für die Bevölkerung insgesamt aus Deutschland vergleichbar sind.
Aber wie steht es nun um das griechische Rentensystem – genauer: Geben die Griechen nun viel Geld aus für ihre Rentner oder nicht?
Glücklicherweise hat die EU-Kommission kürzlich einen ausführlichen Bericht zu der Thematik veröffentlicht. Eines der interessantesten Ergebnisse: Die Mär von den faulen Griechen ist eine Mär. Trotz einer schweren Wirtschaftskrise arbeiten die Griechen (EL) im Schnitt in etwa so lange wie die Deutschen. Das offizielle Renteneintrittsalter liegt in Griechenland bei 67 Jahren. Nun bedeutet das natürlich nicht, dass alle Griechen mit 67 Jahren in Rente gehen. Aber: Ein männlicher Grieche verlässt den Arbeitsmarkt im Durchschnitt mit 64,4 Jahren, ein Deutscher (DE) mit 65,1 Jahren.
Nun kann man der Kommission natürlich misstrauen und gerade im Rentenbereich lässt die Statistik viel Interpretationsspielraum. Nehmen wir also die OECD, die etwas andere Abgrenzungen wählt und sich für das Jahr 2012 das durchschnittliche effektive Renteneintrittsalter angeschaut hat. Ergebnis: Griechenland 61,9 Jahre und Deutschland 62,1 Jahre. Der Unterschied ist auch hier minimal.
Aber wie viel Geld geben die Griechen nun für die Rente aus? Auch hier hilft der Kommissionsbericht weiter.
Die Griechen geben 16,2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Renten aus und liegen damit klar vor Deutschland mit gerade einmal zehn Prozent. Sie sind sogar die Spitzenreiter in Europa. Bedeutet das also, dass die griechischen Rentner doch Luxusrentner sind? Nein, die Sache ist etwas komplizierter.
Die Rentenausgabequote setzt sich wie jede Quote aus zwei Größen zusammen: Den Rentenausgaben und der Wirtschaftsleistung. Der Wert dieser Quote kann steigen, wenn der Zähler – die Rentenzahlungen – größer wird oder wenn der Nenner – die Wirtschaftsleistung – sinkt. Und in den vergangenen Jahren ist die Wirtschaftsleistung in Griechenland wegen der Rezession sogar ziemlich extrem gesunken. Entsprechend ist die Quote insgesamt größer geworden, obwohl bei den Renten gekürzt wurde.
Der Beweis für diese These? Im Jahr 2007 – also vor der Krise und den Rentenkürzungen – lag der Anteil der Rentenausgaben an der Wirtschaftsleistung in Griechenland auf einem ähnlichen Niveau wie in Deutschland – nämlich bei ungefähr zehn Prozent.
Folgt daraus, dass mit den griechischen Renten alles in Ordnung ist? Sicher nicht. Auf die verschiedenen administrativen Probleme ist vielfach hingewiesen worden (siehe etwa hier).
Und ganz entscheidend: Ob das Rentensystem nachhaltig ist, hängt davon ab, ob man es für realistisch hält, dass die Wirtschaftsleistung tatsächlich irgendwann wieder das Niveau erreicht, dass sie vor der Krise hatte, denn nur dann schrumpft ohne weitere Kürzungen auch die Quote wieder. Wenn also das Griechenland vor der Krise eine riesige Blase war, dann kann sich das Land auch nicht das Rentenniveau leisten, das damals herrschte.
Nur: Die Renten sind eben schon gekürzt worden (dass die Rentenkasse leer ist, liegt auch daran, dass wegen des Schuldenschnitts die Vermögenswerte der Pensionsfonds zusammengeschrumpft sind) – und vor allem: Das ist nicht die Diskussion, die in den deutschen Medien geführt wird.