Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Wer macht in der Flüchtlingskrise den Draghi?

 

Vor etwas mehr als drei Jahren leitete Mario Draghi mit wenigen Sätzen die Wende in der Euro-Krise ein. Es ist lohnend, sich diese Sätze noch einmal zu vergegenwärtigen.

But there is another message I want to tell you. Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the euro. And believe me, it will be enough.

Warum waren diese Sätze so wirkungsmächtig? Weil Finanzkrisen ein Massenphänomen sind. Massenphänomene zeichnen sich dadurch aus, dass irgendwann die Logik der Masse handlungsleitend wird: Investoren stoßen italienische Staatsanleihen ab, nicht weil sie nicht mehr an Italien glauben, sondern weil alle italienische Staatsanleihen abstoßen. Dadurch wiederum ergibt sich eine neue Realität, denn wenn Italien keine Staatsanleihen mehr verkaufen kann, ist das Land pleite.

Warum schreibe ich das? Weil auch die Flucht ein Massenphänomen ist.

Es gibt Menschen, die ihr Land so oder so verlassen hätten, weil die Verhältnisse dort unerträglich geworden sind. Und es gibt Menschen, die ihr Land verlassen, weil sie von anderen gehört haben, dass es gar nicht so schwierig ist, nach Europa zu gelangen. Und weil sie wissen, dass das Land endgültig vor die Hunde geht, wenn die fähigsten Köpfe gehen. Deshalb neigen Wanderungsbewegungen dazu sich selbst zu verstärken.

Ich will das an dieser Stelle nicht bewerten. Man kann argumentieren, dass auch Flüchtenden der zweiten Kategorie willkommen sind. Schließlich geht es den Menschen in Europa objektiv besser als in Afghanistan oder im Kosovo. Und man kann auch argumentieren, dass das für Deutschland angesichts des demographischen Wandels eine gute Sache ist.

Mein Punkt ist vielmehr: Wenn es das Ziel ist, den Flüchtlingszustrom zu verringern, dann greift auch hier die Logik aller Massenphänomene: Je länger sie andauern, desto schwieriger wird es, eben diese Logik zu beeinflussen. In den frühen Phasen der Euro-Krise hätte sich die Panik wahrscheinlich mit geringem Aufwand stoppen lassen. Im Sommer 2012 aber musste Draghi alles aufbieten um deutlich zu machen, dass jeder, der gegen Europa spekuliert, Geld verlieren wird.

Ganz ähnlich ist es in der Flüchtlingskrise. Je länger die Bundesregierung wartet, je mehr es sich im Rest der Welt herumspricht, dass man nach Deutschland einfach so einreisen kann, desto härter und restriktiver wird das Signal ausfallen müssen, dass die Grenzen nicht mehr offen sind. Sofern man in der Koalition denn dieses Signal senden will. Informationskampagnen und ähnliches jedenfalls werden nicht mehr ausreichen. 

Die Regierung sollte sich deshalb schnell entscheiden, was sie will – sonst vergrößert sie das Leid unnötig.