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Die Null steht (vorerst)

 

Wer auf den großen Paukenschlag gesetzt hatte, der wurde enttäuscht. Eine Kehrtwende in der deutschen Haushaltspolitik findet nicht statt.

Mithilfe des Überschusses aus diesem Jahr können wir nach heutigem Stand auch 2016 ohne neue Schulden auskommen.

So sagte es Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble heute bei der Vorstellung der Steuerschätzung. Das klingt angesichts ständig steigender Flüchtlingszahlen und der damit verbundenen Mehrausgaben erst einmal sehr knausrig – doch die Sache ist komplizierter. Das wiederum liegt daran, dass der deutsche Staat im Geld geradezu schwimmt.

Allein in diesem Jahr liegt der gesamtstaatliche Haushaltsüberschuss bei knapp einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder rund 23 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr fällt – ohne die Kosten für die Flüchtlingshilfe – ein Betrag in einer ähnlichen Größenordnung an. Die Steuerschätzer gehen davon aus, dass die Steuereinnahmen im kommenden Jahr 686,2 Milliarden Euro betragen. Das ist zwar weniger als noch im Mai prognostiziert, doch das liegt nur daran, dass Steuerentlastungen wie eine Anhebung des Grundfreibetrags in Kraft treten. Ohne diese Maßnahmen wären die Steuereinnahmen sogar gestiegen.

Für die Bewältigung der Flüchtlingskrise steht also in diesem und im nächsten Jahr ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag zur Verfügung. Das ist sehr viel Geld. Zwar wäre es grundfalsch, bei den Flüchtlingsausgaben zu sparen. Je schneller den Menschen geholfen wird, desto größer ist die Chance, dass sie in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Doch es dürfte schwer werden, in einem derart begrenzten Zeitraum überhaupt viel mehr auszugeben.

Das Hauptrisiko für den Haushalt ist deshalb die Zahl der Neuankömmlinge. In Schäubles Kalkulationen ist unterstellt, dass im kommenden Jahr 800.000 Menschen in Deutschland um Asyl nachsuchen. Der Zuzug müsste also begrenzt werden. Ob das gelingt, ist unklar – und wenn nicht, dann sind die Prognosen natürlich Makulatur. Und Schäuble hat auch deutlich gemacht, dass er in diesem Fall neue Schulden nicht ausschließt. Allerdings: Selbst dann gibt es möglicherweise noch Spielraum. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute kalkulieren mit zusätzlichen Ausgaben in Höhe von 11 Milliarden Euro für den Gesamtstaat. Selbst wenn dieses Geld ausgegeben wird, bleibt nach ihren Schätzungen ein Puffer von 13 Milliarden Euro übrig. Die EU-Kommission sagt in ihrer heute veröffentlichten Prognose sogar für 2017 einen gesamtstaatlichen Etatüberschuss voraus.

Das oberste Gesetz der Ökonomie besagt bekanntlich, dass nichts umsonst ist. Es gilt auch hier. Wenn die Flüchtlinge nicht gekommen wären, dann hätte Schäuble die Mittel anderweitig ausgeben können. Er hätte mehr Straßen bauen, die Steuern senken oder Schulden tilgen können. Insofern hat auch die Flüchtlingskrise ihren Preis (zumindest kurzfristig, denn langfristig werden die Flüchtlinge, wenn sie arbeiten gehen, einen Beitrag zur Finanzierung des Staates leisten). Aber klar ist auch: Von allen Problemen, die die Flüchtlinge mit sich bringen, ist Geld das geringste.