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Was Armut und Terrorismus miteinander zu tun haben

 

In diesen Tagen des Schreckens wird häufig das Argument vorgebracht, der Terror sei die Reaktion auf die wirtschaftliche Ausbeutung des Nahen Ostens durch den Westen. Wer den Terror bekämpfen will, der muss demnach für eine gerechtere Verteilung des Wohlstands zwischen den Nationen sorgen. Doch so einleuchtend das klingt: Es stimmt nicht.

Das ärmste Land der Welt ist – gemessen am kaufkraftbereinigten pro-Kopf-Einkommen – die Zentralafrikanische Republik, gefolgt von Burundi, der Demokratischen Republik Kongo und Malawi. Wie viele internationale Top-Terroristen aus diesen Ländern haben in den vergangenen Jahren Schlagzeilen gemacht? Anderseits entstammen sowohl die Attentäter des 11. September als auch der Drahtzieher der Anschläge auf Paris aus finanziell vergleichsweise stabilen Verhältnissen.

Ökonomisch gesprochen: Die Korrelation zwischen Einkommen und Terroraktivität scheint ziemlich schwach ausgeprägt zu sein. Das bestätigen auch Studien. In einem viel beachteten Papier aus dem Jahr 2002 kommen Alan Krueger und Jitka Meleckova auf der Basis einer statistischen Auswertung von Aktivitäten der Hisbollah zu dem Ergebnis, dass Armut und politische Gewalt getrennte Phänomene zu sein scheinen.

The evidence we have assembled and reviewed suggests there is little direct connection between poverty, education and participation in terrorism and politically motivated violence. Indeed, the available evidence indicates that, compared with the relevant population, participants in Hezbollah’s militant wing in the late 1980s and early 1990s were at least as likely to come from economically advantaged families and have a relatively high level of education as they were to come from impoverished families without educational opportunities.

Der Ökonom James Piazza hat sich Terroranschläge in 96 Ländern zwischen 1986 und 2002 angeschaut und überprüft, inwieweit sich ein Zusammenhang mit Unterernährung, Arbeitslosigkeit, Ungleichheit und Inflation ergibt. Das Ergebnis weist in eine ähnliche Richtung.

The findings are that, contrary to popular opinion, no significant relationship between any of the measures of economic development and terrorism can be determined. Rather, variables such as population, ethno-religious diversity, increased state repression and, most significantly, the structure of party politics are found to be significant predictors of terrorism.

Die Wahrheit ist: Die Ökonomie hat zu den Ursachen des Terrorismus recht wenig zu sagen – und damit können auch ihre Instrumente möglicherweise nur bedingt zur Lösung des Problems beitragen. Vielmehr deutet einiges darauf hin, dass eher weiche soziale und politische Faktoren den Terror erklären können. So gibt es Indizien, dass die Menschen in Ländern mit einem höheren Grad an Freiheitsrechten weniger anfällig für terroristischen Aktivitäten sind.

Das bedeutet nicht, dass der Kampf für eine gerechtere Welt falsch wäre. Aber eine gerechtere Welt ist nicht zwingend eine mit weniger Terrorismus. Das sollten aber an Gerechtigkeit Interessierte aushalten können. Gerechtigkeit ist ein Ziel an sich, man muss es nicht überhöhen.

Oder wie es ein junger Afghane gegenüber amerikanischen Forschern in folgendem Satz zum Ausdruck brachte: “I did not join the Taliban because I was poor. I joined because I was angry.”

Update: Saudi-Arabien übrigens hat in den vergangenen Jahren Milliarden an Öl-Renten aus dem Westen eingefahren und ist trotzdem ein Hort des Islamismus.