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Draghi erhöht die Dosis

 

Bisher hat die Medizin nicht angeschlagen – erhöhen wir also die Dosis. Die EZB hatte angekündigt, dass sie über alle geldpolitischen Optionen nachdenken wolle, herausgekommen ist aber heute lediglich ein Bündel von traditionellen Maßnahmen, mit denen der expansive Impuls noch einmal verstärkt wurde: niedrigere Zinsen und mehr Zentralbankgeld als bisher.

So lange die europäischen Verbraucher, Unternehmen und Staaten vor allem damit beschäftigt sind, ihre Schuldenberge abzutragen, wird sich die Wirtschaft durch noch so günstige Kreditkonditionen nicht in Gang bringen lassen. Die Akteure wollen sich nicht zusätzlich verschulden. Es fehlte ja schon in den vergangenen Jahren keinesfalls an supergünstiger Liquidität; herausgekommen ist eine Inflationsrate von zuletzt -0,2 Prozent, also das Gegenteil dessen, was angestrebt wurde, und Zuwachsraten von lediglich 1,4 und 0,6 Prozent für die Kredite an private Haushalte und Unternehmen.

Grafik: Kredite an den privaten Sektor im Euroraum

Was nach wie vor fehlt, ist eine Strategie, die darauf zielt, Euroland aus seiner Schuldenfalle zu befreien. Die EZB traut sich nicht auszusprechen, und erst recht nicht zu empfehlen, dass der Staat die gewaltige Nachfragelücke schließen sollte, durch ein massives Wachstumsprogramm aus Steuersenkungen und zusätzlichen Ausgaben für Investitionen, einschließlich solcher in das Humankapital des Kontinents.

Wenn der private Sektor streikt, kommt alles auf den Staat an. Nach Schätzungen der EU-Kommission wird das aggregierte Haushaltsdefizit in diesem Jahr 1,9 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts betragen und damit deutlich niedriger sein als es nach den Maastricht-Kriterien möglich wäre. De facto wären vor allem Deutschland und die Niederlande gefordert: Unser Land dürfte 2016 einen Überschuss von 0,1 Prozent des BIP erzielen, während die Niederlande auf ein Defizit von 1,8 Prozent zusteuern. Wir sollten nicht so tun, als sei Euroland schon aus der Krise heraus, schließlich liegt die Arbeitslosenquote immer noch bei 10,4 Prozent, die der Jugendlichen ist sogar doppelt so hoch.

Noch nie konnte sich der Staat so günstig verschulden wie heute; 10-jährige Anleihen können mit einem Kupon von 0,2 Prozent begeben werden, 30-jährige mit einem von 0,9 oder 1,0 Prozent. Inflationsrisiken sind keine Gefahr, eine höhere Inflationsrate als die aktuelle wird sogar angestrebt. Die Diskussion über die Verantwortung des Staates für mehr Wachstum muss endlich aufgenommen werden. Vermutlich hätte die EZB gar nichts dagegen, wenn die Finanzpolitik ihr im Kampf gegen die Deflation und für mehr Wachstum zur Seite stehen würde. Sie ist im Augenblick klar überfordert.

Gar nicht erst auf den Tisch war bei der EZB offenbar die Strategie des Helikopter-Gelds gekommen, oder Ansätze, mit denen der private Sektor und die Staaten durch eine Kombination von geldpolitischen und finanzpolitischen Maßnahmen aus ihrer Schuldenfalle herausgeholt werden können. Tabus überall, ein Festklammern an formalen und überholten Regeln. Wenn sich Probleme ergeben, mit denen man vor Beginn der Währungsunion nicht gerechnet hatte, muss neu nachgedacht werden. Der Zeitpunkt ist schon längst gekommen.