Wenn der Internationale Währungsfonds Wolfgang Schäuble vorrechnet, warum Deutschland mehr Geld ausgeben sollte, dann antwortet Schäuble gerne, die Ökonomen des Fonds hätten keine brauchbaren Vorschläge, was er denn mit dem Geld anstellen solle.
Nun hat der Fonds ein sehr interessantes Papier veröffentlicht, das noch für einige Diskussionen sorgen könnte. Der IWF schaut sich drei sehr konkrete Reformen an – einen Ausbau der Kita-Betreuung und der Ganztagsschulen, eine Abgabensenkung für Geringverdiener und einer Liberalisierung des Dienstleistungssektors – und modelliert die makroökonomischen Folgen (und als wollte er Schäuble eins auswischen, bezeichnet er alle drei Reformen als Strukturreformen, die Deutschland ja bekanntlich von anderen einfordert).
Die Quintessenz des Papiers: Wenn der Staat tüchtig Geld in die Hand nehmen würde, um kreditfinanziert die Abgaben zu senken und die Betreuung auszubauen, dann würde das die Wirtschaft spürbar ankurbeln. Und noch besser: Mittelfristig finanzieren sich die Maßnahmen über mehr Wachstum und ein höheres Steueraufkommen selbst. Man kann also – hört, hört – tatsächlich Schulden mit Schulden bekämpfen.
Beispiel Abgabensenkung:
The social security tax reform has positive macroeconomics effects that are quite substantial. Specifically, employment, wages, and output increase in the short-run and in the long-run. Ten years after reform implementation, employment has increased by 0.8 percent, average real hourly pre-tax wages have risen by 0.6 percent, and potential output has expanded by 0.8 percent. The reform has also positive distributional consequences since pay raises are concentrated in the low-wage sector.
Und:
The reform generates a fiscal deficit of 0.4 percent of GDP in the first year, yields a balanced budget 9 years after implementation, and produces fiscal surpluses afterwards. For any real interest rate (discount rate) lower than 9 percent, the proposed social security reform is fiscally efficient in the sense that the present value of fiscal deficits and fiscal surpluses is positive.
Man kann den letzten Satz gar nicht genug betonen: Solange die Realzinsen unter neun Prozent liegen, rechnet es sich, wenn der Staat sich Geld leiht und dieses investiert.
Ganz ähnlich bei der Kinderbetreuung. Diese kostet laut IWF einmalig 20 Milliarden Euro für Gebäude und Ausrüstung und dann jährlich 6 Milliarden Euro für Gehälter. Auch hier sind die positiven Effekte substanziell.
Ten years after the reform implementation, employment has increased by 0.8 percent, average real hourly after-tax wages have risen by 0.4 percent, and potential output has expanded by 0.7 percent. The reform generates initial fiscal deficits due to additional public expenditures, but also generates additional tax revenues so that the government budget is balanced after 4 years and in surplus thereafter.
Das sind wirklich beeindruckende Ergebnisse und man fragt sich schon, warum erst der IWF das der Bundesregierung vorrechnen muss. Vielleicht kann sich ja einer der Ökonomen im Finanzministerium und im Wirtschaftsministerium einmal der Sache annehmen, statt immer neue Argumente dafür zu präsentieren, warum das Geld nicht sinnvoll ausgegeben werden kann.
Sehr interessant übrigens auch, dass eine der populärsten Forderungen vieler internationaler Institutionen – einschließlich der EU-Kommission – laut IWF nicht viel bringt. Die Rede ist von der weiteren Liberalisierung des Dienstleistungssektors.
This reform enhances efficiency and improves productivity of firms using the professional services as an input factor. We find that the macroeconomic effects of this reform are positive in the short- and long-run, but quantitatively the effects are relatively small due to the small size of the sector of professional services in Germany (around 3 percent of GDP).
Vielleicht kann man darüber in Brüssel einmal nachdenken.
Update: Ich wurde darauf hingewiesen: Das Papier beruht auf einer Studie der beiden Autoren für das Wirtschaftsministerium, insofern nehme ich dasselbe von der hier geäußerten Kritik aus.