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Niedrigere Inflationsrate, weniger Druck auf die EZB

 

Im März ist die Inflationsrate in Deutschland und in der Eurozone insgesamt im Vergleich zum Februar so stark gefallen, dass das Thema „höhere Leitzinsen“ erst einmal vom Tisch ist. Wir sollten uns davon aber nicht zu sehr beeindrucken lassen, denn die Wirtschaft läuft weiterhin ganz gut und auf den vorgelagerten Stufen steckt eine Menge an Inflation – aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Nach 2,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr im Februar sind die europäischen Verbraucherpreise im März nur noch um 1,5 Prozent gestiegen, bei der Kernrate kam es zu einem Rückgang von 0,9 auf 0,7 Prozent. In Deutschland war es ähnlich.

Grafik: Inflation im Euroraum

Das wichtigste Argument für eine anhaltend moderate Inflation sind die niedrigen Lohnsteigerungen. Erst wenn die Löhne anspringen, ist mit höheren Inflationsraten zu rechnen. Beim Blick auf die zweite Grafik wird klar, dass wir von einer solchen Situation noch weit entfernt sind. Die sogenannten Lohnstückkosten lagen zuletzt nur um 1,0 Prozent über ihrem Vorjahreswert. Zwar geht die Zeitreihe von Eurostat nur bis zum vierten Quartal, ich denke aber, dass sich im ersten Quartal nichts Dramatisches in die eine oder andere Richtung getan hat.

Grafik: Entwicklung der Lohnstückkosten im Euroraum

Die Frage ist, wie es weitergeht. Angesichts einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 9,5 Prozent ist es unwahrscheinlich, dass sich Löhne durchsetzen lassen, die deutlich über die Inflationsrate hinausgehen. Wenn die Quote weiterhin nur um etwas weniger als einen Prozentpunkt pro Jahr sinkt, wird es noch mindestens drei Jahre dauern, bis so etwas wie Vollbeschäftigung erreicht ist und die Arbeitnehmer wieder besser verhandeln können. Anders als in den USA kommt die Beschäftigung nur langsam in die Gänge. Das gilt zwar nicht für Deutschland, aber doch für die meisten anderen Länder des Euroraums, wo versucht wird, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft durch eine restriktive Politik, auch „interne Abwertung“ genannt, zu verbessern. Hierzulande gab es zuletzt 1,4 Prozent mehr Jobs als vor einem Jahr, im Rest der Währungsunion waren es aber nur 0,5 Prozent. In den USA liegt die Zuwachsrate bei 1,6 Prozent. Dass das aggregierte staatliche Haushaltsdefizit 2017 in der EU mit voraussichtlich weniger als zwei Prozent des BIP inzwischen viel geringer ist als das amerikanische (etwa fünf Prozent), freut die Käufer europäischer Bonds – die sich mit sehr geringen Renditen zufrieden geben –, nicht aber die Arbeitnehmer, auf deren Rücken die Sparpolitik betrieben wird.

Grafik: Entwicklung der Beschäftigung im Euroraum, in den USA und Deutschland

Dennoch wird sich die europäische Inflation in Kürze wieder beschleunigen. Wichtigster Grund ist der schwache Euro, zweitwichtigster der Anstieg der Weltmarktpreise für Energie. Im Januar übertrafen die Einfuhrpreise ihr Vorjahresniveau um 6,1 Prozent. Das treibt die allgemeine Inflation mehr, als das der Öffentlichkeit bewusst ist, denn die Einfuhren und Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen haben inzwischen etwa 50 Prozent des Euroland-BIP erreicht. Sie schlagen sich unmittelbar in den industriellen Erzeugerpreisen nieder (im Februar plus 4,5 Prozent zum Vorjahresmonat) und dann später auch in den Verbraucherpreisen, auf die es der EZB letztlich ankommt. In Deutschland waren die Importpreise übrigens in den sechs Monaten bis Februar sogar mit einer annualisierten Rate von 10,5 Prozent gestiegen, die Erzeugerpreise mit einer von 4,4 Prozent. Der Druck nimmt also zu.

Grafik: Entwicklung der Produzentenpreise und der Einfuhrpreise im Euroraum

Weil die Inflation wieder deutlich unter die kritische Marke von zwei Prozent gesunken ist, die Inflationserwartungen in den größeren Ländern der Währungsunion auf 1,0 bis 1,3 Prozent zurückgegangen sind und die us-amerikanische Fed frühestens im Juni mit ihren Zinserhöhungen weitermachen wird, hat die EZB erst einmal Zeit gewonnen. Sie kann sich weiter mit der Frage beschäftigen, ob sich gleichzeitig die Zinsen erhöhen und die Bond-Ankaufsprogramme im geplanten Umfang fortsetzen lassen. Auch den Bondmärkten dürfte nun eine ruhige Phase bevorstehen. Insgesamt aber sollten Anleger sie dafür nutzen, ihre Bestände zu verringern – und wer eine Hypothek aufnehmen will, hat noch einmal eine Chance, bevor es im Herbst teurer wird.