Exklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Die Digitalisierung verändert die Struktur unserer Volkswirtschaft massiv. Hagen Krämer (Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Karlsruhe) diskutiert in der aktuellen Ausgabe des Wirtschaftsdienst die Tendenzen zur Monopolbildung, die sich auf Märkten für digitale Güter ergeben. Außerdem analysiert er, wie sich Roboter und KI auf den Arbeitsmarkt und die Einkommensverteilung auswirken. Ist die Angst vor Jobverlusten und steigender Ungleichheit begründet?
Google, Amazon, Facebook und Apple sind seit ihrer Gründung sehr schnell gewachsen. Alle vier Unternehmen dominieren wesentliche Teile ihrer jeweiligen Märkte. Marktmacht und Monopole machen die Gesellschaft ärmer: eingeschränkte Anreize zu Innovationen und höhere Preise wären die Folge. Netzwerkeffekte tragen dazu bei, dass sich die Marktmacht auf einzelne Unternehmen konzentriert. Sie entstehen, wenn der Nutzen eines Gutes oder einer Dienstleistung mit zunehmender Nutzerzahl steigt: Facebook mit nur einem Nutzer ist nutzlos; zwei Milliarden Nutzer bedeuten jedoch für jeden einzelnen einen deutlich höheren Nutzen. Der Anreiz zu anderen konkurrierenden Netzwerken zu wechseln sinkt, zumal der Wechsel zu neuen Plattformen mit anderen technischen Standards mit Kosten verbunden ist – ein Effekt der als Lock-In bezeichnet wird.
Lock-In und Netzwerkeffekte schaffen Marktmacht und begünstigen die Monopolisierung digitaler Märkte. Hagen Krämer stellt fest: „Überall dort, wo Netze bei der Verteilung und Zurverfügungstellung von Gütern oder Dienstleistungen eine wesentliche Rolle spielen, können natürliche Monopole entstehen. Allerdings sorgen spezielle Eigenschaften von digitalen Gütern dafür, dass sich die Tendenzen zur Bildung von Monopolen verstärken.“
Märkte für digitale Güter weisen besondere Bedingungen auf, die sich grafisch als die „Ringe der Marktmacht“ darstellen lassen. (siehe die Abbildung) Die Rahmenbedingungen digitaler Märkte sind häufig gekennzeichnet durch:
- Netzwerkeffekte
- Skaleneffekte und
- Lock-In-Effekte.
„Die kombinierte Wirkung von Skalen-, Netzwerk-, und Lock-In-Effekten lässt im Laufe der Zeit auf Märkten für digitale Güter Monopole entstehen. Diese können den gesamten Gewinn eines Marktes abschöpfen. Dies gibt [Google, Amazon, Facebook, Apple] eine enorme Marktmacht. Wie bei jedem Monopol besteht die Gefahr, dass im Vergleich zur vollkommenen Konkurrenz die Preise zu hoch und die angebotenen Mengen zu gering ausfallen“, resümiert Krämer.
Folgerichtig stellt sich die Frage nach der Regulierung von Tech-Konzernen, um die möglichen negativen Effekte natürlicher Monopole zu mindern. Hagen Krämer führt dazu aus: „Die Frage, ob natürliche Monopole, die sich auf Märkten für digitale Güter bilden, mehr Vor- als Nachteile aufweisen, wird kontrovers diskutiert. Herrschte bislang eher die Ansicht vor, dass Monopole auf derartigen Märkten notwendigerweise existieren müssen und kaum etwas dagegen unternommen werden könne, scheint sich angesichts neuerer Entwicklungen die Sicht auf die Dinge zu ändern. Der Vorsitzende der deutschen Monopolkommission, Achim Wambach, forderte kürzlich, die Macht der Internetkonzerne zu begrenzen.“
Für den Fall, dass Tech-Konzerne ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen, skizziert Krämer fünf mögliche Antworten:
- Aufspaltung von Tech-Konzernen
- Regulierung und staatliche Kontrolle
- Fusionsverbote
- Daten-Sharing
- Aufbau von Gegenmacht
Dabei ist er sich der schwierigen Situation der Wettbewerbshüter bewusst: „Einerseits muss der Machtkonzentration und dem Machtmissbrauch wirksam entgegengewirkt werden und andererseits sollten dabei die Fähigkeiten der Digitalwirtschaft, neue Produkt und Prozessinnovationen zu entwickeln, so weit wie möglich erhalten bleiben.“
Abschließend setzt sich Krämer in seinem Beitrag mit der Frage auseinander, welche Wirkungen von großen digitalen Unternehmen auf die Verteilung von Einkommen und Vermögen ausgehen. Für ihn ist klar, dass die extrem hohen Gewinne dieser Unternehmen Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Einkommensverteilung haben: „[Diese Unternehmen] sind dank ihrer Marktmacht in der Lage, hohe Preisaufschläge zu erheben. Dadurch erhöhen sich die Unternehmensgewinne, während die Löhne im Verhältnis zur Wertschöpfung der Unternehmen sinken. Hinzu kommt, dass diese Unternehmen im Vergleich zum Durchschnitt der Wirtschaft wenig arbeitsintensiv sind.“
Führen Roboter und KI nun zu mehr Arbeitslosigkeit? Nicht unbedingt. Roboter können die Arbeitsproduktivität steigern und so die Voraussetzung für höhere Einkommen aber auch für geringere Arbeitszeiten schaffen. „Insofern hat auch die Roboterisierung ein positives Potenzial. Dass dieses zum Wohle aller Mitglieder der Gesellschaft genutzt wird, ist aber nicht von vornherein klar“, schreibt Krämer. Denn es bestehe die Gefahr, dass Roboter dazu beitragen, die Gesellschaft in zwei Hälften zu teilen: „Auf der einen Seite könnten die Besitzer der Roboter stehen und auf der anderen Seite Arbeiter, deren Jobs durch die Roboter bedroht sind.“ Allerdings hält er die dramatischen Warnungen vor einer langanhaltenden technologischen Arbeitslosigkeit durch Roboterisierung und künstliche Intelligenz für weit übertrieben. Das vordringliche Problem bestehe vielmehr darin, den potenziellen Wohlstandszuwachs des Robotereinsatzes gerecht zu verteilen.
Krämer ist sich sicher, dass die Digitalisierung die Verteilungsfrage weiter verschärfen wird. Die laufende Debatte aufgreifend diskutiert er mögliche Antworten: Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE), Vermögensbildung, allgemeine Besteuerung von Kapital. Ebenso eine mögliche Antwort sei die Idee des Verteilungsforschers Tony Atkinson, die Gesellschaft an der Entwicklung neuer Technologien mitgestaltend zu beteiligen. Mit Ausnahme des BGE hält Krämer die genannten Maßnahmen für geeignet, um Einkommen und Vermögen in Zeiten digitalen Wandels weniger ungleich zu verteilen.
Lesen Sie hier exklusiv vorab ausführlich den Beitrag von Hagen Krämer zu den ökonomischen Effekten der Digitalisierung aus der Januar-Ausgabe des Wirtschaftsdienst:
Digitalisierung, Monopolbildung und wirtschaftliche Ungleichheit, in: Wirtschaftsdienst 1/2019, S. 47-52