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CO2-Steuer durch ein Bürgergeld sozialverträglich machen

 

Wie die kleine Grafik zeigt, hat es bei der Emission des umwelt- und gesundheitsschädlichen Treibhausgases CO2 seit zehn Jahren keine Fortschritte gegeben. Das gilt für Deutschland, den bei Weitem größten Umweltsünder, ebenso wie für den Rest des Euroraums.

Grafik: CO2-Emissionen in ausg. europäischen Ländern, 1990-2017

Wenn nicht entschieden gegengesteuert wird, können die Klimaziele, die im Dezember 2015 in Paris vereinbart wurden, nicht erreicht werden. Das Klima verschlechtert sich rapide weiter. Inzwischen ist daher die öffentliche Diskussion darüber, was getan werden kann, zunehmend in Fahrt gekommen. Der wichtigste Ansatz besteht darin, die Schäden der Treibhausgase zu berechnen und von denen bezahlen zu lassen, die sie verursachen, oder, wie die Ökonomen sagen, externe Effekte zu internalisieren.

Ein wirkungsvolles Instrument, das dies leistet, wäre eine Steuer auf alle CO2-Emissionen, in Deutschland also auf rund 800 Millionen Tonnen pro Jahr. Der Staat würde bestimmen, wie hoch sie sein sollte, und es bliebe dem Markt überlassen, darauf zu reagieren. Je höher die Steuer, desto größer der Anreiz, den Ausstoß von CO2 zu verringern, desto besser also für die Umwelt und unsere Gesundheit, desto stärker aber auch der Widerstand derer, die zur Kasse gebeten werden. Was theoretisch die naheliegende Lösung ist, lässt sich in der politischen Praxis oft nur schwer durchsetzen.

Es gibt international bereits verschiedene Versuche, den Ausstoß von CO2 unattraktiv zu machen, beispielsweise indem der Energieverbrauch direkt besteuert wird oder indem (handelbare) Emissionszertifikate erworben werden müssen. Sie kranken daran, dass man es bei niedrigen Steuersätzen und Preisen belässt und weite Teile der Wirtschaft ausklammert, vor allem wenn es um Arbeitsplätze und die Wettbewerbsfähigkeit geht.

In Frankreich hat der Versuch der Regierung, eine CO2-Steuer einzuführen, zu den Protesten der „gelben Westen“ geführt. Für’s Erste muss der Versuch wohl als gescheitert gelten. Der Grund: Eine solche Steuer ist regressiv, belastet also die ärmeren Schichten relativ zum Einkommen stärker als die Wohlhabenden. Für jemanden, der 1.500 Euro netto im Monat verdient, sind die 100 Euro, die vielleicht zusätzlich für Benzin, Heizöl oder Strom zu zahlen wären, eine deutlich größere Last als für jemanden, der 5.000 Euro nach Hause bringt. Eine CO2-Steuer wird als ungerecht empfunden – und sie ist es auch, wenn nicht gleichzeitig auf andere Weise ein Ausgleich stattfindet.

In der Schweiz ist das Problem auf die folgende Weise gelöst worden: Der CO2-Abgabesatz betrifft die Brennstoffe Gas und Heizöl und hängt von ihrem Kohlenstoffgehalt ab. Um den Regressionseffekt der CO2-Abgabe zu mildern, werden die Einnahmen aus der Abgabe zum großen Teil an die Schweizer Bevölkerung (und auch an Unternehmen) zurückverteilt, und zwar werden pro Kopf dieselben Beträge gezahlt.

Zurzeit beträgt die Abgabe 96 Franken je Tonne CO2-Emission (84,45 Euro). Im Jahr 2008, als die Abgabe eingeführt wurde, lag der Satz bei nur 12 Franken. Da die gewünschten Effekte zunächst ausblieben, ist er im Lauf der Jahre um das Achtfache erhöht werden. Insgesamt sind die CO2-Emissionen aus Brennstoffen seit 1990 um 26 Prozent gesunken. Sollten die Klimaziele künftig nicht rasch genug erreicht werden, kann die Steuer auf 120 Franken angehoben werden.

Emissionen von Treibstoffen wie Benzin und Diesel sind nicht betroffen – die CO2-Emissionen aus diesen Quellen sind, nicht nur aus diesem Grund, gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 3,5 Prozent gestiegen und dürften bald höher sein als die aus Brennstoffen.

In einer Studie, deren Ergebnisse in der Januar-Ausgabe des Wirtschaftsdienst beschrieben sind, schlägt Benjamin Held von der Uni Heidelberg vor, sämtliche CO2-Emissionen mit einer Steuer von 80 Euro je Tonne zu belasten und zusätzlich weitere Treibhausgase und Luftschadstoffe zu besteuern. Die Einnahmen, die dadurch erzielt werden, können in Form eines Ökobonus von 619 Euro pro Jahr und Einwohner zurückgegeben werden. Die Steuer soll ja nicht zum Ziel haben, die Staatseinnahmen zu erhöhen – es geht darum, die CO2-Emissionen zu vermindern.

Über Zahlen lässt sich trefflich streiten: Ich komme mit meinen Zahlen (800 Mio Tonnen CO2 à 80 Euro je Tonne und 83 Mio Einwohner) auf einen Ökobonus von 780 Euro. Die Größenordnung ist immerhin vergleichbar. Der Teufel steckt bei diesen Rechnungen im Detail und es wird sehr schnell sehr unübersichtlich, wenn es um die konkrete Ausgestaltung des Vorschlags geht. Ich vermute, die Differenz kommt daher, dass Held nicht alle Emittenten von CO2 einbezogen hat, oder nicht vollständig, oder dass er eine durch die CO2-Steuer induzierte Verminderung des Emissionsvolumens bereits in seiner Berechnung berücksichtigt.

Eine andere Frage ist, welche Rolle der europäische Zertifikatemarkt im Kampf gegen die zu hohen CO2-Emissionen künftig spielen soll. Der Markt krankt an der zu großzügigen Zuteilung, den zahlreichen Ausnahmen für energieintensive Branchen und daher daran, dass die Zertifikate so billig sind, dass sie kaum Wirkung zeigen.

Immerhin zeigt Held, dass sich das Nettoeinkommen pro Person durch den Ökobonus im unteren Dezil der deutschen Einkommensverteilung um 4,3 Prozent erhöht, im obersten Dezil dagegen um 1,1 Prozent vermindert, dass der Bonus also progressiv wirkt und damit nicht aus Fairnessgründen abgelehnt werden kann. Es wäre im Übrigen ein möglicher Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle.

Dafür ist der Betrag, der hier vorgeschlagen wird, allerdings viel zu niedrig. Auch im Hinblick auf die Verminderung des CO2-Ausstosses und die volle Belastung der Verursacher sind 80 Euro pro Tonne sehr wenig. In der Methodenkonvention 3.0 zur Ermittlung von Umweltkosten vom Dezember 2018 empfiehlt beispielsweise das Umweltbundesamts, mit Klimakosten von 180 Euro pro Tonne CO2 zu rechnen, beziehungsweise, wenn man generationenübergreifende Schäden mitberücksichtigt, mit Kosten von nicht weniger als 640 Euro pro Tonne. Bei 640 Euro ergibt sich nach meiner Rechnung pro Einwohner ein Ökobonus von 6.169 Euro. Da wird es interessant.

Ich will jedoch nicht verschweigen, dass die Professoren Edenhofer und Schmidt in einem gemeinsamen Vorschlag („Eckpunkte einer CO2-Preisreform“) kürzlich mit CO2-Abgaben von 20 bis 35 Euro argumentiert haben. Das ist so wenig, dass es von vornherein keine Probleme mit den Regressionswirkungen gäbe und ein Ökobonus daher überhaupt nicht in Betracht kommt. Wenn ich mich recht erinnere, veranschlagt die UN die Gesundheits- und Klimakosten der Emission einer Tonne CO2 dagegen auf immerhin 130 Dollar. Es ist ein weites Feld.

Die Lösung dürfte in der Tat sein, erst mal mit einer niedrigen CO2-Steuer zu beginnen, aber von vornherein anzukündigen, dass sie im Laufe der Jahre auf ein bestimmtes Mindestniveau steigen wird, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die europäischen Emissionszertifikate möglichst rasch verknappt und verteuert werden. In der Zwischenzeit dürfte wegen der offenbar tendenziell immer ungleicheren Verteilung von Einkommen und Vermögen auch die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens ernsthafter diskutiert werden, so dass dann seine Verknüpfung mit der CO2-Steuer und dem Ökobonus nicht mehr so abwegig erscheint.