Exklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Unternehmen in Deutschland sind auf unterschiedliche Weise wirtschaftlich mit dem Vereinigten Königreich verflochten und der Brexit wird sich vermutlich auf deren Personalbedarf auswirken. Gleichzeitig wird mit dem Austritt aus der EU die britische Zuwanderungspolitik restriktiver, was nicht ohne Effekte auf die Wanderungsströme von Arbeitskräften innerhalb der EU bleiben wird. Wie wirkt sich beides auf den deutschen Arbeitsmarkt aus? In der Oktober-Ausgabe des Wirtschaftsdienst analysieren Mario Bossler, Johann Fuchs und Alexander Kubis vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zusammen mit Lutz Schneider von der Hochschule Coburg die möglichen Folgen des Brexit für das Arbeitsangebot und die Arbeitsnachfrage in Deutschland.
Auf Basis des IAB-Betriebspanels und der IAB-Stellenerhebung errechnen die vier Forscher, dass rund 8,5 Prozent der deutschen Betriebe direkt vom Brexit betroffen sind. Hierzu zählen sie nicht nur die rund 4,7 Prozent der Betriebe, die Exportbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich unterhalten, welche durch künftige Handelshemmnisse beeinträchtigt würden, sondern auch die 2,9 Prozent der deutschen Betriebe, die im direkten Wettbewerb mit Konkurrenten aus Großbritannien stehen. Wobei unklar sei, inwieweit sich deren Wettbewerbssituation durch den Brexit verbessert. Hinzu kommen noch Betriebe mit britischen Beschäftigten oder britischen Eigentümern oder mit Filialen und Betriebsteilen im Vereinigten Königreich.
Ein empirischer Test, bei dem die Beschäftigungserwartungen dieser Betriebe mit den Beschäftigungserwartungen aller anderen deutschen Betriebe verglichen werden, zeigt allerdings, dass die Verflechtungsmerkmale keinen wesentlichen Effekt auf diese Erwartungen und die mutmaßliche Beschäftigungsnachfrage dieser Betriebe haben. Lediglich bei Betrieben mit Filialen im Vereinigten Königreich gibt es Hinweise auf eine schwächere Beschäftigungsentwicklung. Es handele sich dabei aber um einen Effekt von sehr geringer Größenordnung.
Im Hinblick auf das Angebot an Arbeitskräften in Deutschland schätzen Bossler, Fuchs, Kubis und Schneider „eine Brexit-bedingte Erhöhung der EU-Nettomigration nach Deutschland um jährlich 10000 bis 20000 Personen […] für die nächsten fünf bis zehn Jahre [als] durchaus realistisch [ein]“. Dabei unterstellen sie, dass die zu erwartenden restriktiveren britischen Zuwanderungsregelungen für EU-Bürger die bisherige Nettozuwanderung aus den EU-Staaten in das Vereinigte Königreich zum Teil in andere Länder der EU und damit auch nach Deutschland umlenken.
Die vier Autoren resümieren: „Alles in allem scheint der Brexit die – langfristig gesehen – eher angespannte Lage am deutschen Arbeitsmarkt kaum zu beeinflussen. […] Unabhängig von der Ausgestaltung des Brexits und der künftigen Beziehung zwischen EU und dem Vereinigten Königreich, werden die beschriebenen potenziellen Folgen des EU-Austritts auf dem deutschen Arbeitsmarkt verkraftbar sein.“
Lesen Sie hier ausführlich die Analyse von Mario Bossler, Johann Fuchs, Alexander Kubis und Lutz Schneider aus der Oktober-Ausgabe des Wirtschaftsdienst:
Mögliche Brexit-Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt, in: Wirtschaftsdienst 10/2019, S. 687-692