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Moderne Geldtheorie (MMT): Nihil novi sub sole

 

Logo: Wirtschaftsdienst - Zeitschrift für WirtschaftspolitikExklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Die Modern Monetary Theory (MMT) hat in jüngster Zeit in der deutschen Presse einige Beachtung gefunden. Handelt es sich dabei doch um einen ökonomischen Ansatz, der davon ausgeht, dass eine Regierung, die sich in der eigenen Währung verschuldet, nicht zahlungsunfähig werden kann, da sie in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten theoretisch in beliebiger Höhe stets durch neu geschaffenes Geld zu bedienen. Fürsprecher der MMT, die ihre Wurzeln im Postkeynesianismus hat, rechtfertigen damit unter anderem exzessive Staatsausgaben, um Vollbeschäftigung zu erreichen. Dabei vernachlässigen sie aber eine Reihe theoretischer und praktischer Probleme, die mit dieser Art der Schuldenfinanzierung einhergehen, meinen Hanno Beck und Aloys Prinz. Die beiden Ökonomen werfen in der Juni-Ausgabe des Wirtschaftsdienst einen kritischen Blick auf die MMT und gehen der Frage nach, wie revolutionär sie tatsächlich ist.

Populär sind die Ideen der MMT heute vor allem bei linken Politikern in den USA. Das Versprechen lautet: Vollbeschäftigung ohne Inflation dank zusätzlichen Geldes. Die zugrunde liegenden Politikempfehlungen reichen von Beschäftigungsgarantien bis zu großen Sozialprogrammen.

Zentral für die MMT ist das Denken in monetären Kreisläufen und korrespondierenden Salden, wobei die Regierung und die Notenbank zur ökonomischen Einheit „Staat“ zusammengefasst werden („Konsolidierungshypothese“). Die wesentliche Idee dieser Theorie beschreiben Beck und Prinz wie folgt:“Der Staat ist der alleinige Herausgeber der Währung und bringt sie in Umlauf, indem er von den Bürgern Waren und Dienstleistungen kauft. Die Bürger akzeptieren dieses Geld, weil sie wiederum damit ihre Steuern an den Staat bezahlen müssen. Über den Weg der Besteuerung wird dem Wirtschaftskreislauf wieder Geld entzogen.“ Daraus ergeben sich zwei einfache Schlussfolgerungen:

  1. Ein Staat, der sich nur in eigener Währung verschuldet, kann niemals insolvent werden.
  2. Der Staat muss sich verschulden, um überhaupt Geld in Umlauf zu bringen. Durch die Erhebung einer Steuer kann er die Geldmenge wieder reduzieren.

In dieser Theorie dienen Steuern also nicht dazu, die Ausgaben des Staates zu finanzieren, sondern dazu die Geldmenge zu steuern. Geld wird als eine unverzinsliche Staatsanleihe aufgefasst, die mit dem Versprechen versehen ist, vom Staat zur Begleichung von Steuerschulden akzeptiert zu werden. Damit unterliegt der Staat (zumindest kurzfristig) keinen finanziellen Restriktionen. In der langfristigen Betrachtung würde aber auch von den Vertretern der MMT gefordert, dass die Höhe der Staatsausgaben gleich der Höhe der Steuereinnahmen ist.

Gemäß dem Konzept der „Functional Finance“ wird das Staatsbudget als Instrument der Steuerung gesamtwirtschaftlicher Größen, wie dem Sozialprodukt und der Beschäftigung, verstanden. Das staatliche Defizit selbst ist entsprechend keine Zielgröße. Und Überlegungen wie die Ricardianische Äquivalenz und Verteilungswirkungen zwischen den Generationen spielen keine Rolle in der MMT. „Jede Generation, so das Argument, sei frei, das Ausmaß an Steuern zu wählen; in einem politischen Prozess wird die Größe des Staatssektors bestimmt und damit die Menge an Ressourcen, die der Staat für sich beansprucht. […] Die gegenwärtige Generation, so die Idee, muss nie Steuern zahlen, um die Defizite der vorherigen Generation zu begleichen“, stellen Beck und Prinz fest.

Die Gefahr, dass mit der Notenpresse finanzierte Defizite früher oder später zu einer Inflation führen, sehen die Vertreter der MMT nicht. Erst wenn Vollbeschäftigung herrsche, sei überhaupt mit inflationären Tendenzen zu rechnen. Dies wäre aber kein Problem, da der Staat jederzeit die Geldmenge reduzieren könne. Beck und Prinz merken dazu kritisch an, dass sich zu den Zusammenhängen zwischen Geldmenge, Fiskalpolitik, Inflation, Inflationserwartungen, Vermögensmärkten und spekulativen Blasen wenig konkrete Aussagen finden. Auch hinge die erfolgreiche Umsetzung der Rezepte der MMT stark von den unterstellten Erwartungen des Privatsektors ab. Bei andern Erwartungen käme man rasch zu anderen, weniger erfreulichen Ergebnissen. Daneben fehle es der MMT an einer mikroökonomischen Basis und politökonomische Aspekte würden vernachlässigt.

In Bezug auf den Erkenntnisfortschritt der Modern Monetary Theory äußern sich Beck und Prinz ebenfalls kritisch: „Nichts Neues unter der Sonne“, stellen sie fest. „Dass der Staat sich über Steuern im Zweifelsfall 100% des Inlandsproduktes aneignen kann, ist grundsätzlich richtig, aber auch nichts Neues. Auch die Idee, dass der Staat Geld (als Staatsverschuldung) schaffen und die Verschuldung mittels Steuern kontrollieren kann, indem er durch Steuern das (potenziell sofort nachfragewirksame Geld) wieder einsammelt, ist auch keine bahnbrechend neue Erkenntnis; jede Zentralbank tut das Gleiche mittels Offenmarktpolitik. ‚Neu‘ ist (vermeintlich) die Sicht von Geld als Staatsverschuldung, aber auch das ist nicht ’neu‘.“

Die MMT liefere keine substanziell neuen Ergebnisse, lautet das Resümee der beiden Autoren. „[D]ie wirtschaftspolitischen Empfehlungen, die sie auf Basis einer eher deskriptiven Theorie abgibt, lassen zu viele Fragen unbeantwortet, als dass man darauf ein kohärentes und solides wirtschaftspolitische Programm aufbauen sollte.“

Lesen Sie hier ausführlich die kritische Einschätzung der Modern Monetary Theory (MMT) von Hanno Beck und Aloys Prinz aus der Juni-Ausgabe des Wirtschaftsdienst:

Wie revolutionär ist die Modern Monetary Theory?, in: Wirtschaftsdienst 6/2019