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Blase am Bondmarkt wird platzen – nur eine Frage der Zeit

 

Keine Frage, ich gehöre zu den Ahnungslosen, die sich bis vor wenigen Jahren nicht vorstellen konnten, dass die gesamte deutsche Zinskurve, vom Tagesgeld bis zu 30-jährigen Bundesanleihen, einmal dauerhaft unterhalb von Null liegen würde. Das hatte es in den vergangenen 40 Jahren nie gegeben, noch nicht einmal bei den realen, also den inflationsbereinigten Zinsen.

Graqfik: kurzfristige Zinsen und Bondrenditen in Deutschland (seit 1975)

Nach einer bewährten Faustregel schwanken die Bondrenditen um einen Mittelwert, der etwas mit der Inflation und dem Wirtschaftswachstum zu tun hat; er ist das Produkt aus Inflationserwartungen, der trendmäßigen Zuwachsrate der Produktivität und einer mit der Restlaufzeit steigenden Risikoprämie: Je weiter der Tilgungstermin in der Zukunft liegt, desto größer ist das Risiko, dass zwischendurch etwas Unerfreuliches passieren wird, vor allem ein starker Anstieg der Inflationsraten. Dafür wollen Anleger entschädigt werden.

Diese Formel hat sich leider als ziemlich nutzlos erwiesen. Oder doch nicht? Vielleicht liefert sie einen Anhaltspunkt dafür, ob wir es mit einer Blase am Rentenmarkt zu tun haben und daher die Gefahr einer größeren Kurskorrektur oder sogar eines Crashs besteht.

Wenden wir sie einmal auf die zehnjährigen Bunds an:

  • Die Inflations-Swaprate für 5 Jahre nach 5 Jahren gilt für Zentralbanken und Bondhändler als Maß für die Inflationserwartungen. Nachdem sie im September 2009 ein Hoch von 2,75 Prozent erreicht hatte, ist sie seitdem auf 1,25 Prozent gesunken. Ein anderer Anhaltspunkt für die Erwartungen ist die sogenannte Breakeven-Inflation inflationsgeschützter Staatsanleihen. Sie liegt heute bei 0,88 Prozent. Da ich nicht weiß, welche der beiden die verlässlichere Zahl ist, 1,28 oder 0,88 Prozent, verwende ich als Kompromiss den Mittelwert von etwa 1,1 Prozent. Die Marktteilnehmer hatten mit ihren Prognosen zumindest seit der Finanzkrise deutlich danebengelegen, ebenso wie die „professionellen“ Ökonomen, die die EZB immer zitiert. Die aktuelle deutsche Inflationsrate der Verbraucherpreise liegt im Vorjahresvergleich übrigens bei 1,7 Prozent.
  • Die deutsche Produktivität, definiert als reales BIP je Erwerbstätigenstunde, ist in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt um 1,1 Prozent gestiegen, in den letzten fünf Jahren allerdings nur um 0,6 Prozent. Das ergibt einen Mittelwert von 0,85 Prozent.
  • Schließlich die Risikoprämie: Seit 1990 beträgt die Differenz zwischen den Renditen 10-jähriger Bundesanleihen und den Geldmarktsätzen für drei Monate im Durchschnitt knapp 50 Basispunkte. Mit anderen Worten: Die Zinskurve hat normalerweise eine positive Neigung in dieser Größenordnung. Bei dem jetzigen, äußerst niedrigen allgemeinen Zinsniveau und der geringen Volatilität der Zinsen dürfte eine deutlich geringere Risikoprämie angebracht sein, sagen wir 20 Basispunkte.

Insgesamt komme ich dann nach meiner Faustformel auf eine „normale“ oder „Gleichgewichts“-rendite von 2,15 Prozent. Am Markt werden die Zehnjährigen jedoch heute mit einer Rendite von -0,66 Prozent gehandelt, eine Differenz 281 Basispunkten. Weiter kann ich mit meiner Rechnung kaum danebenliegen.

Zu ähnlichen Ergebnissen komme ich, wenn ich mir die amerikanischen, japanischen oder schweizerischen Rentenmärkte ansehe. Sie alle haben den Kontakt zur Realwirtschaft und den Inflationserwartungen verloren. Wie die folgenden Grafiken zeigen, können Anleger mit zehnjährigen Staatsanleihen inflationsbereinigt kein Geld verdienen, es sei denn die Inflationsraten sinken dauerhaft noch weiter. Aus ihrer Sicht, wäre eine richtige Deflation am besten.

Grafik: reale und nominale Renditen von Staatsanleihen

Anleger können nur dann mit Gewinnen rechnen, wenn sich die Rallye, die 1981 begonnen hatte, fortsetzt. Unter der Annahme, dass die Inflationsraten nach wie vor deutlich unter den Zielwerten der Notenbanken bleiben und die Leitzinsen weiter sinken, ist das vorstellbar. Da sich die Rezessions- und damit auch die Deflationsrisiken zuletzt erhöht haben, dürften die Bondmärkte auf absehbare Zeit von der anhaltend expansiven Geldpolitik profitieren. Von einem Verkaufsdruck ist bisher noch nichts zu sehen.

Bonds sind jedoch krass überbewertet und werden daher irgendwann an einen Punkt kommen, an dem der große Ausverkauf beginnt, egal wie sehr sich die EZB und die anderen Notenbanken dann dagegen stemmen. Es wird zwar nicht geläutet, wenn es losgeht, aber wenn die Inflationsraten mal ein halbes Jahr Monat für Monat höher ausfallen als erwartet und insbesondere die Löhne ins Laufen kommen, wie das in einer konjunkturellen Spätphase zu erwarten ist, dürfte sich die Stimmung drehen. Es drohen gewaltige Kursverluste.

Wenn kein großer Anleger mehr wagt, auf nachhaltig steigende Inflationsraten und Bondrenditen zu setzen und in den Medien Konsens darüber besteht, dass die niedrigen Zinsen normal und von Dauer sein werden, wird sich der Trend drehen. Die Banken schwimmen in Liquidität, die Besitzer von Immobilien, Aktien und Bonds sind zumindest auf dem Papier sehr reich geworden – und würden ihre Gewinne durch Verkäufe irgendwann gern realisieren –, und die Finanzpolitik hat durch die niedrigen Schuldzinsen viel Spielraum bei Ausgaben und Steuern, den sie nutzen wird, nachdem nun die Konjunktur zu schwächeln begonnen hat. Die heutigen Ifo-Zahlen lassen daran keinen Zweifel. Der Boden für eine größere Korrektur am Bondmarkt ist bereitet.