An den Märkten ist der Teufel los. Angst geht um, direkt ablesbar am gestrigen 64-prozentigen Anstieg des Volatilitätsindex auf den amerikanischen S&P500, der als das wichtigste Angst-Barometer gilt. Das war mehr als jemals zuvor an einem einzigen Tag. Der Index auf den DAX war nur um 27 Prozent in die Höhe geschossen, aber das kam daher, dass der deutsche Markt schon zu war, als es richtig rund zu gehen begann. Zur Zeit liegt er um 46 Prozent über dem Stand von Montag. Die Botschaft ist klar: das Risiko ist zurück. Die niedrigen Volatilitäten waren abnormal, wie wir schon in unserem Jahresausblick geschrieben haben. Irgendwann musste es hier zu einer Kehrtwende kommen.
Was ist los, und wie wird es weitergehen?
Die Anleger, die noch einen klaren Kopf hatten, wussten, dass es auf einigen Märkten Ungleichgewichte gab, die geradezu nach einer Korrektur schrieen. Ich war in meinem Investment Outlook vom Montag auf die wichtigsten Risiken für die Weltwirtschaft eingegangen, und darauf, was passieren würde, wenn sie tatsächlich einträten. Bei zweien ist das nun passiert, plötzlich, aus heiterem Himmel, wie das so ist.
Der chinesische Aktienmarkt war die eine Blase, die gestern zu platzen schien. Vorher war der Schanghaier Index von Januar 2006 bis Montag um glatte 153 Prozent in die Höhe geschossen. Am Dienstag ging es dann um etwa 9 Prozent in den Keller, nachdem die Behörden Maßnahmen gegen die spekulativen Exzesse angekündigt hatten. Heute früh ist der Markt allerdings schon wieder auf Erholungskurs (+4 Prozent gegenüber Vortag). So schnell lassen sich Anleger nicht verschrecken, zumal klar ist, dass die Regierung alles tun wird, um einen echten Crash zu verhindern. Schließlich finden nächstes Jahr in Peking die olympischen Spiele statt, da will man einen guten Eindruck machen. Ein Crash würde vermutlich auch auf den Immobiliensektor übergreifen, wo es ebenfalls eine Blase gibt. Vermögensverluste bei Aktien, noch größere Verluste bei den Preisen der Eigentumswohnungen, Einbruch des Verbrauchervertrauens, Zwangsvollstreckungen, Probleme bei den Banken, strengere Qualitätsanforderungen bei Krediten, Rückgang der Investitionen, Rezession – so könnte das ablaufen, und so darf es nicht ablaufen.
Blase Nummer zwei hat mit dem Wechselkurs des Yen zu tun. Trotz rekordhohem Überschuss in der japanischen Leistungsbilanz, boomenden Unternehmensgewinnen und eines festen Aktienmarkts hatte der Yen ständig an Boden verloren, seit Anfang 2005 um 16,4 Prozent gegenüber dem Dollar, und real sowie handelsgewogen, also gegenüber allen wichtigen Währungen zusammengenommen, um 36 Prozent seit Anfang 2000. Die Marktteilnehmer waren zu der Überzeugung gekommen, dass das so weitergehen müsste, und weil die Zinsen in Japan bei nahe Null lagen (und immer noch liegen) lohnte es sich daher, Yen-Kredite aufzunehmen und damit ausländische und viel besser verzinsliche Aktiva zu erwerben. Weil das alle so machten, wurde der Yen schwächer und schwächer und damit diese Art von Arbitrage, genannt Yen Carry Trades, attraktiver und attraktiver, wie das bei einem Schneeballsystem so ist.
Fundamental verbesserte sich währenddessen die Situation der japanischen Wirtschaft immer mehr, was den Analysten und Portfolio Managern nicht verborgen blieb. Als die Bank von Japan dann letzte Woche die Zinsen von 0,25 Prozent auf 0,50 Prozent anhob, wurde es für einige dann doch zu riskant. Es war ja klar, dass der Yen unterbewertet sein musste und die Party daher irgendwann vorbei sein würde. Nur wann? Keinesfalls durfte man warten, bis alle zum Ausgang rennen würden, also versuchen, ihre Buchgewinne in echte Gewinne zu verwandeln. Man belauerte sich.
Es gab dann schließlich offenbar nicht nur einen, sondern mehrere Auslöser für die Trendwende des Yen: die Zinserhöhung, die schlechten Auftragseingänge in den USA, eine Rede von Alan Greenspan in Hongkong, wo er auf das Risiko einer US-Rezession hinwies, und den Einbruch des chinesischen Aktienmarkts.
Seither ist der Yen auf einmal bombenfest. Die Carry Trades verursachen Verluste. Je mehr von ihnen aufgelöst werden, desto größer die Nachfrage nach Yen, desto größer wird seine Aufwertung ausfallen. Mich würde nicht überraschen, wenn ein Dollar demnächst nur 100 Yen kosten würde. Auch gegenüber dem Euro dürfte der Yen stark aufwerten.
Das ist eine schlechte Nachricht für alle riskanten Anlageklassen, also Junkbonds, Emerging Market Anleihen, aber auch die Aktienmärkte in den Schwellenländern sowie heißgelaufene Technologiewerte im Energiesektor, wie beispielsweise die deutschen Solarwerte und Windkraft-Anlagenbauer. Also all jene Assets, die über den Carry-Trade überkauft waren.
Für amerikanische Aktien ist das im Grunde eine gute Nachricht, ebenso für chinesische, während japanische Exportwerte leiden dürften. Europäische Exporteure werden sich dagegen über die Probleme des wichtigsten Konkurrenten in Asien freuen. Klar ist auch, dass die Deflationsgefahr in Japan durch die drohende Aufwertung des Yen wieder größer geworden ist, so dass Staatsanleihen eine gute Anlage darstellen, auch wenn sie im Zehnjahresbereich nur noch 1,6 Prozent bringen. Wahrscheinliche Wechselkursgewinne können als Zusatzertrag mit eingeplant werden.
Insgesamt wird vielleicht gerade die Glocke zu einem allgemeinen Re-Alignment der Wechselkurse und der niedrigen Risikoaufschläge für wackelige Schuldner geläutet. Den Aktienmärkten in den Schwellenländern stehen weitere turbulente Wochen bevor. Der geräuschlose Kursanstieg auf den europäischen Aktienmärkten dürfte fürs erste beendet sein.
Von der Neujustierung der Wechselkurse dürfte auch der Euro betroffen sein. Schwer zu sagen, ob es sich mal wieder um ein falsches Signal handelt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Euro wieder stärker aufwertet, ist jedenfalls gestiegen. Das ist wohl auch der Grund, weshalb die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen so deutlich, auf unter 4 Prozent, gesunken ist.