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Zentralbanker, die Champions der Staatsintervention?

 

Eigentlich sollen im Kapitalismus die Kräfte des Marktes die Wirtschaft antreiben. Ist es da nicht merkwürdig, dass gerade die Märkte immer ganz gespannt auf eine staatliche Institution, nämlich die Zentralbank, schauen? So wie in den letzten Tagen, als der Zinsentscheidung der Fed geradezu entgegen gefiebert wurde. In normalen Zeiten mag man sich darüber wundern. Wenn aber Krisenszenarien die Schlagzeilen beherrschen, wird der Grund schnell klar: Die Zentralbanken haben die Macht, den wichtigsten Preis in der Marktwirtschaft zu bestimmen, den Preis für Geld.

Damit beeinflussen sie die Wahrnehmung der Märkte über Gegenwart und Zukunft. In einem Beitrag in seinem Blog hat Brad DeLong, Wirtschaftsprofessor an der UC Berkeley, das sehr anschaulich beschrieben. Werden die Zinsen gesenkt, wird die Zukunft gegenüber der Gegenwart aufgewertet. Zukünftige Erträge werden attraktiver. Der Blick richtet sich auf die Möglichkeiten der Zukunft, die in einem neuen Licht erscheinen. Die Menschen werden anfangen, Fabriken und Häuser zu bauen und in Forschung und neue Maschinen zu investieren. Werden die Zinsen erhöht, rückt die Gegenwart wieder mehr in den Fokus. Und zuweilen kann sie recht trist erscheinen, weil die schönen Versprechen der Zukunft plötzlich unerfüllbar werden. Das ist den amerikanischen Häuserbauern so ergangen, nachdem die Fed 2004 mit ihren Zinserhöhungen begann. Für viele wurde aus der Hoffnung auf das eigene Heim die Realität der Überschuldung.

Mit ihren Zinsentscheidungen beeinflussen die staatlichen Zentralbanken den Pessimismus und Optimismus der Menschen. Warum aber haben sie die Macht, wie ein Zentralplaner in die Marktwirtschaft einzugreifen? DeLong gibt darauf eine plausible Antwort: Die menschliche Psychologie und die institutionelle Ausgestaltung der Finanzmärkte lässt diese ständig zwischen übertriebener Gier und lähmender Angst hin und her schwanken. Ersteres führt tendenziell zu einer destabilisierenden Inflation und letzteres zu hoher Arbeitslosigkeit. Deswegen scheinen Marktwirtschaften besser zu funktionieren, wenn intelligente und gut ausgebildete Technokraten mit einem Blick auf das Allgemeinwohl beruhigend und koordinierend eingreifen und entsprechend an den Zinsen drehen.

Da stellt sich nur die Frage, ob die Zentralbanker dieser großen Aufgabe tatsächlich gerecht werden können. Häufig ist der gewichtige Einwand zu hören, sie könnten nicht über bessere Informationen verfügen als die Marktteilnehmer selbst. Das mag so sein – schließlich besteht bei jeder ihrer Entscheidungen immer die Gefahr, dass sie zu restriktiv ist und einen Boom zu früh abwürgt, oder dass sie zu expansiv ist und die Märkte zu lange an der langen Leine laufen lässt. Die Zentralbanken handeln unter derselben Unsicherheit wie die Akteure auf den Märkten. Ihr entscheidender Vorteil liegt aber darin, dass sie wegen ihrer privilegierten Stellung neben den Märkten stehen. Gerade wenn in Krisenzeiten alle den Kopf verlieren, ist die Zentralbank der Anker, der wieder Orientierung bieten kann und die Erwartungen stabilisiert.

Deswegen sind es nicht allein die realwirtschaftlichen Wirkungen einer Zinssenkung, die eine Rolle spielen. Denn wie wahrscheinlich ist es, dass nach einer Senkung der Notenbankzinsen um einen halben Prozentpunkt Rezession und Kreditklemme verschwinden – Zinsänderungen brauchen eine ganze Zeit, um in der Realwirtschaft anzukommen. Vielmehr geht es um Psychologie. Das Symbol ist wichtig: Bernanke beruhigt die Herde und sagt ihr, wo es hin geht. Sein Instrument ist dabei weniger der Zins als vielmehr seine Glaubwürdigkeit, mit kühlem Kopf die Situation richtig zu beurteilen und den verhuschten Märkten wieder Orientierung zu geben.

Also konzentrieren sich die Märkte auch in der jetzigen Kreditkrise wieder vor allem auf die Champions der Staatsintervention: Ben Bernanke, Jean-Claude Trichet und Co.: Können sie es? Haben sie die Mittel und die intellektuelle Kapazität, den Märkten die Angst zu nehmen, ihren Blick wieder auf die Zukunft zu richten und das Wachstum anzutreiben?