Respekt vor Thilo Sarrazin. Er schafft es noch, die halbe Republik mit in den Abgrund zu reißen. Nun also werden Axel Weber Führungsschwäche und Christian Wulff Kompetenzüberschreitung in Sachen Rücktritt vorgeworfen. Wie mein Kollege Ralph Atkins in der FT schreibt, ist das eine Debatte, wie man sie wohl nur in Deutschland führen kann, wo auch der Hund des Bundesbankpförtners noch Unabhängigkeit zu genießen hat.
Wie ist die Ausgangslage? Da wurde jemand in den Vorstand der Bundesbank berufen, der diesen Job nie hätte bekommen sollen und der – so sind die Statuten – praktisch nicht aus seinem Amt entfernt werden kann. Es sei denn, er klaut das Bundesbankgold.
Also sucht man nach einem Weg, ihn loszuwerden. Das gelingt, und um den Abgang zu erleichtern, bekommt er die Pension, die er auch bei Erfüllung seines Vertrags erhalten hätte. In allen anderen Ländern würden man wohl sagen: Guter Deal – und alle Beteiligten einschließlich Weber und Wulff für ihren Pragmatismus loben.
Denn was wären die Alternativen? Für die Bundesbank war Sarrazin zuletzt untragbar, juristisch aber wäre es schwer wenn nicht unmöglich gewesen, seine Abberufung durchzuboxen. So sind nun einmal die Gesetze, und sie lassen sich nicht so schnell ändern. Dabei ist der Einzige, dessen Unabhängigkeit wirklich von Bedeutung ist, Axel Weber. Der nämlich entscheidet über die Zinspolitik, der restliche Vorstand hat Aufgaben, die ohne Probleme der Fachaufsicht eines Ministeriums unterstellt werden könnten – aber das nur am Rande.
Wir haben es also mit einem klassischen Dilemma zu tun und der Ausweg aus diesem Dilemma bestand darin, dass die eine Seite (Sarrazin) darauf verzichtete, im Amt zu bleiben und das volle Gehalt weiter zu kassieren und die andere Seite (Bundesbank) bei den Pensionszahlungen Zugeständnisse machte. Das erspart einen jahrelangen und teuren Rechtstreit. In der Privatwirtschaft hätte Sarrazin eine saftige Abfindung durchsetzen können, schließlich verzichtet er auf Leistungen, die ihm vertraglich zustehen.
Aber wir sind nicht in anderen Ländern und so wird jetzt unter Konservativen eine Szene gemacht, als gehe es um die Zukunft unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung. Es wäre spannend, ob man sich genau so echauffieren würde, wenn es – sagen wir – um die Abberufung eines linkslastigen Vorstands gegangen wäre, der die RAF verherrlicht hat.
Damit kommt Angela Merkel ins Spiel, die im Moment ein ziemliches Problem mit den Konservativen hat und für die es immer schwerer wird, Weber als EZB-Chef durchzusetzen, je stärker er von rechts unter Beschuss genommen wird.
Ob Mario Draghi die Kampagne bezahlt?
Update: Ironie in Schriftform ist eine gefährliche Sache, also damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Draghi ist ein exzellenter Zentralbanker und ein würdiger Kandidat für die Nachfolge Trichets. Ich will mich da gar nicht festlegen und entschieden wird das sowieso an anderer Stelle – es ist aber schon interessant, wie man in Deutschland mit einem Kandidaten für einen internationalen Spitzenposten umgeht, wenn man schon einmal einen hat. Andere Nationen sind da etwas disziplinierter.