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Deutsche Konjunktur ist nicht klein zu kriegen

 

Auftragseingang der Industrie 0711

Manchmal kann ich nicht glauben was ich sehe. Wieso nehmen die Auftragseingänge in der Industrie immer noch so stark zu, trotz der Finanzkrise, des starken Wechselkurses und des Verlusts an Kaufkraft durch die kräftig steigenden Preise für Energie, Nahrungsmittel und die meisten anderen Rohstoffe? Funktioniert der Preismechanismus nicht mehr? Oder ist das, was in Deutschland hergestellt wird, unempfindlich gegenüber steigenden Preisen? Das wäre natürlich wunderbar und ein Zeichen dafür, dass wir auf der Angebotsseite keine Strukturprobleme haben, jedenfalls im Vergleich zu unseren ausländischen Konkurrenten.

Am Dienstag gab es die Zahlen für die Auftragseingänge im November. Unter Abzug der Inflationsrate hatten sie gegenüber Oktober um nicht weniger als 3,4 Prozent zugelegt, und um 13,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert. Die Dynamik hat in den letzten Monaten keineswegs nachgelassen – sie hat, ganz im Gegenteil, immer mehr zugenommen.

Wir haben seit vergangener Woche auch bereits die Arbeitsmarktzahlen für Dezember. Sie zeigen ebenfalls, dass es konjunkturell immer noch sehr gut läuft. Es wird zwar immer wieder und zu recht darauf hingewiesen, dass die vielen neuen Jobs nur unsicher und schlecht bezahlt sind, dennoch ist es allemal besser, wenn nur 3,5 Millionen Leute ohne Arbeit sind statt 5 Millionen, wie das vor drei Jahren noch der Fall war. Innerhalb eines Jahres ist die Arbeitslosenquote saisonbereinigt um 1,4 Prozentpunkte auf 8,4 Prozent gesunken, und im November – neuere Zahlen gibt es nicht, gab es 39, 879 Millionen Erwerbstätige oder 610.000 mehr als vor Jahresfrist. Wenn das so weitergeht, haben wir in drei Jahren Vollbeschäftigung.

Erwerbstätige und Arbeitlose November/Dezember 2007

Extrapolieren ist natürlich das Gegenteil einer seriösen Analyse. Es wird nicht so günstig laufen, das ist ziemlich sicher. Mehr oder weniger sicher ist aber auch, dass die Industrieproduktion (einschließlich Bau) saisonbereinigt im vierten Quartal um 0,7 bis 1 Prozent über dem Durchschnitt des dritten Quartals lag, so dass mit großer Wahrscheinlichkeit auch beim BIP eine Zuwachsrate in ähnlicher Größenordnung herauskommen dürfte. Noch brummt die Konjunktur.

Noch! Was ist denn mit den ganzen Risiken, auf die ich immer wieder hinweise? Sie sind sicher nicht geringer geworden. Aus dem amerikanischen Rezessionsrisiko ist in diesen Wochen offenbar eine richtige Rezession geworden, mit scharf ansteigender Arbeitslosenquote und stagnierendem, wenn nicht leicht rückläufigem Sozialprodukt. Der Rückgang der Hauspreise scheint sich fortzusetzen, so dass die Verbraucher es jetzt langsam mit der Angst zu tun bekommen dürften. Die Energiepreisexplosion kommt, anders als im Euroraum, ungebremst durch eine Währungsaufwertung bei den US Verbrauchern an und beginnt weh zu tun. Es ist auch nicht mehr so leicht, Kredite von Banken zu bekommen. Sie stecken oft selbst in Schwierigkeiten.

Auf alle Fälle sind die USA dabei, als Konjunkturlokomotive auszufallen. Gleichzeitig treten sie auf den Weltmärkten dank des schwachen Dollars und der unterausgelasteten Kapazitäten als ein formidabler Wettbewerber auf. Aber die USA sind nicht mehr so bedeutend, dass sie ganz allein die globale Wirtschaft aus der Bahn werfen könnten. Ihr Anteil am Welt-BIP ist knapp unter 20 Prozent. Da es in den übrigen Ländern immer noch ganz gut läuft, ist hier in der Tat noch nicht viel von den amerikanischen Problemen angekommen.

Dass der private Verbrauch in Deutschland weiterhin lahmt, überrascht nur wenig. Die schönen Erfolge am Arbeitsmarkt reichen nicht aus, wenn gleichzeitig die Stundenlöhne nur um 1,3 Prozent über ihrem Vorjahresstand liegen. Real, nach Abzug der Inflationsrate von 3 Prozent, ergibt sich weiterhin ein dickes Minus. Bislang scheint es zu gelingen, die Konjunktur unter Dampf zu halten, ohne dass die Verbraucher mitmachen. Sie sind normalerweise die wichtigsten Akteure.

Die Investitionen (außer dem Wohnungsbau) und die Exporte, vielleicht von nun an auch der finanziell wieder gesundete Staat, scheinen die Nachfragelücke ganz gut zu füllen. Das kann vermutlich noch eine Weile so weiter gehen: Die Ausrüstungsinvestitionen profitieren von der nach wie vor guten Gewinnlage, den niedrigen Realzinsen und der gestiegenen Auslastung der Produktionsanlagen, die Exporte vom weltweiten Investitionsboom, zu dem das deutsche Sortiment offenbar genau passt. Nicht zu vergessen, gerade findet in der Industrie wieder einmal ein Produktivitätswunder statt – die Produktion pro Arbeitsstunde steigt mit einer Rate von knapp 5 Prozent, so dass die Lohnstückkosten um 3,3 Prozent niedriger sind als vor einem Jahr. Niedriger! Das gleicht einen großen Teil der Nachteile durch die Euroaufwertung aus.

So positiv das alles ist, es muss bezweifelt werden, dass das Wachstum noch lange so robust bleiben kann. Irgendwann wird sich die Weltwirtschaft deutlicher abschwächen als bisher, allein schon wegen der hohen Rohstoffpreise, und dann werden vermutlich die Investitionen als Erstes leiden, und mit ihnen unsere Exporte. Irgendwann wird es dann ohne die Unterstützung durch die deutschen Verbraucher nicht mehr gehen. Aber, wie gesagt, bislang sieht es wieder einmal danach aus, als ob Totgesagte – die Konjunktur – doch länger leben als man denkt.