Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Private Vorsorge fürs Alter – ein Irrweg

 

Bei der Allianz werden die Sektkorken knallen. Die Bundeskanzlerin hat ein Konzept zur Bekämpfung der Altersarmut angekündigt – und setzt dabei auf die private Vorsorge.

In ihrem Konzept werde die Regierung nicht an die Rentenbeiträge oder die Renteneinnahmen herangehen. Vielmehr gehe es um Anreize, sich privat zu versichern, und Anreize, damit die gesetzliche Rentenversicherung nicht ihre Akzeptanz verliere.

Frank Lübberding hat neulich an die Machenroth-These erinnert, die im Grunde für eine geschlossene Volkswirtschaft kein seriöser Ökonom bestreitet (für eine kritische Betrachtung von konservativer Seite, die aber auch keinen grundsätzlichen Zweifel anmeldet, siehe Clemens Fuest hier).

Zur Erinnerung:

Nun gilt der einfache und klare Satz, daß aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muß. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein ‚Sparen‘ im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand… Kapitalansammlungsverfahren und Umlageverfahren sind also der Sache nach gar nicht wesentlich verschieden. Volkswirtschaftlich gibt es immer nur ein Umlageverfahren.

Im Klartext: Jedes Brötchen, das die Alten essen wollen, muss von den Jungen gebacken werden. Ganz egal, wie die Rente finanziert ist. Entscheidend für den Wohlstand in zwanzig Jahren ist der Kapitalstock – also die Produktionsmöglichkeiten – in zwanzig Jahren. Eine private Zusatzvorsorge bringt für sich genommen also keine zusätzlichen Ressourcen in das System. Geld kann man nicht essen, es ist ein Koordinationsinstrument – nicht mehr und nicht weniger. Mehr Ersparnis bedeutet nicht automatisch ein höheres Wohlstandsniveau in der Zukunft.

Wenn das geklärt ist, kann man sich darüber unterhalten, ob die private Vorsorge vielleicht eine effizientere Allokation des Kapitals der Sparer ermöglicht als die staatliche Vorsorge und damit einen größeren Kapitalstock.

Nun sind die Verwaltungskosten eines staatlichen Systems in der Regel geringer als die eines privaten. Es ist – Stichwort Größenvorteile – schlicht billiger, die Rentenversicherung dem Bund zu überlassen, als sie auf Tausende Banken und Fondsgesellschaften zu übertragen. Nach meiner Kenntnis der Literatur ist das auch unbestritten. Bleibt die Frage, ob die Banken besonders gut darin sind, produktive Investitionsmöglichkeiten zu identifizieren, sodass die Wirtschaft einen Wachstumsschub erhielte, wenn man ihnen mehr Kapital zum verteilen gibt. Daran kann man glauben, aber nach einer durch massiven Fehlinvestments ausgelösten Jahrhundertkrise auch zweifeln.

Moment, werfen jetzt die Schlaumeier ein – wir leben überhaupt nicht in einer geschlossenen Volkswirtschaft. Der Vorteil der privaten Vorsorge liegt darin, dass die Banken das Kapital im Ausland anlegen können. Da gibt es schließlich viele junge und erfolgshungrige Menschen, die noch viele Brötchen backen können, wenn hier der letzte Bäcker wegen Überalterung aufgeben muss. Und indem wir den jungen Auslandsbäckern heute Geld leihen, erwerben wir Anspruch auf ihre zukünftige Produktion. Wir erhöhen also unseren Kapitalstock durch demographische Arbitrage.

Das kann natürlich funktionieren. Aber erst einmal altern die Menschen auch im Rest der Welt – und dann endete der letzte Versuch, deutsches Kapital gewinnbringend im Ausland anzulegen bekanntlich in einer spanischen Immobilienkrise und wertlosen Investmentzertifikaten von Lehman Brothers. Ganz allgemein: Wer auf das Ausland vertraut, muss mit dem Risiko leben, dass Schulden nicht zurückbezahlt werden.

Die private Vorsorge war und ist eine Schnapsidee – und der SPD hat die Kanzlerin hier ein Feld geöffnet, um sich zu profilieren.