Seit gestern ist klar: Es wird wieder verhandelt zwischen den Griechen und den Gläubigern. Aber was sollte in einem neuen Programm stehen? Hier kommen fünf Vorschläge, die dem Land die Rückkehr zu mehr Wachstum ermöglichen und die Geldgeber nicht übermäßig belasten.
1. Prioritäten setzen: Der griechische Staat ist marode. Aber wenn das so ein großes Problem wäre, dann hätte das Land in den vergangenen Jahrzehnten nicht wachsen dürfen. Denn es ist ja keine Neuigkeit, dass die griechische Verwaltung nicht die allerbeste ist. Trotzdem gab es in der Vergangenheit Wachstum und jetzt nicht. Um langfristig erfolgreich zu sein, brauchen die Griechen Reformen, aber der schwere wirtschaftliche Einbruch ist vor allem den strengen Sparauflagen und dem Vertrauensverlust der Investoren geschuldet. Hier besteht akuter Handlungsbedarf.
2. Bitte kein nation building: Nation building – das ist das Modewort der Griechenlandretter. Doch die Wahrheit über nation building ist: Es funktioniert nicht. Es hat in Afghanistan nicht funktioniert und im Irak nicht und es wird auch in Griechenland nicht funktionieren. Jahr für Jahr werden in Afrika und Asien Millionen an Entwicklungsgeldern für die Modernisierung der lokalen Verwaltungen ausgegeben und in aller Regel verpufft das Geld. Der Wille für den Umbau muss aus dem Land selbst kommen. Griechenland braucht keine deutschen Steuerfahnder und Verwaltungsfachleute. Sie werden das schon selbst hinbekommen, wenn sie es wollen. Genug hervorragend ausgebildete Griechen gibt es auf der Welt.
3. Kredite zur Schuldentilgung verwenden: Wenn alles gut geht, wird am kommenden Wochenende ein neues Hilfsprogramm verabschiedet. Das Geld sollte zweckgebunden zur Rückzahlung fälliger Schulden vergeben werden. Das hat zwei Vorteile: Die Gläubiger müssten sich von den heimischen Wählern nicht anhören, dass Steuergeld für griechische Rentner verbraten wird. Und die Griechen blieben für die Konsequenzen ihrer politischen Entscheidungen verantwortlich. Denn das Land wäre gezwungen, mit seinen Einnahmen auszukommen. Dazu ist es in der Lage. Es hat ja sogar bereits einen Etatüberschuss vor Zinszahlungen erwirtschaftet. Die Rückzahlung der Hilfskredite sollte so weit wie möglich in die Zukunft verschoben werden, denn sonst wird nur der Schuldendienst für die neuen Kredite an die Stelle des Schuldendienstes für die alten Kredite gesetzt. Ob das Land einen Schuldenschnitt braucht, kann man zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden – wenn klar ist, ob die Griechen mit ihren Reformen vorankommen und in welcher Höhe sie Primärüberschüsse erzielen können.
4. Das Geld sichern: Ohne Eigenverantwortung kann ein Megagemeinwesen wie die Währungsunion nicht funktionieren. Deshalb muss das Prinzip gelten, dass die Bürger eines Landes die Verantwortung für die Misswirtschaft ihrer Regierung übernehmen. Die Griechen werden derzeit aber nicht nur für die Fehler der Vergangenheit bestraft, man konfisziert sogar ihre Sparkonten. Das kann nicht angehen. Das Problem sind die Banken, denn wenn sie nicht mehr solvent sind, erhalten sie von der EZB keine Liquidität mehr. Es ist Aufgabe der europäischen Finanzaufsicht, für die Solvenz der Banken zu sorgen: Durch frisches Kapital (dann würde die Gemeinschaft Eigentümerin der Banken) oder durch eine Umwandlung von Bankguthaben in Bankanteile. Im Idealfall kann dadurch der Geldstrom auch dann aufrechterhalten werden, wenn der Staat Insolvenz anmeldet. So wie auch die Bürger von Kalifornien weiter Geld von ihrem Bankautomaten bekommen, wenn Kalifornien Konkurs anmeldet.
5. Laufen lassen: Wenn diese Maßnahmen umgesetzt werden, sollte die griechische Wirtschaft wieder wachsen. Und dann sollte man die Griechen erst einmal machen lassen – also nicht ständig neue Programme und neue Auflagen verabschieden. Wenn in zwei oder drei Jahren klar ist, dass das Land nicht zurechtkommt, kann man den Grexit immer noch organisieren.