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Wie viele Flüchtlinge können wir uns leisten?

 

Wer übernimmt die Kosten für die steigende Zahl der Flüchtlinge, der Bund oder die Länder?  Bis zum 24. September soll ein Kompromiss gefunden sein. Aber wie teuer ist die Versorgung der Neuankömmlinge eigentlich? Dazu hat das RWI in Essen heute als erstes der großen Wirtschaftsforschungsinstitute ein paar Zahlen vorgelegt:

Die Aufwendungen für Unterbringung, Versorgung und Integration können sich durchaus in einer Größenordnung von 10 Mrd. € bewegen, und sie dürften 2016 nochmals höher liegen, selbst wenn der Zustrom abebbt, da der Bestand an Asylsuchenden über das Jahr hinweg höher sein wird als 2015.

Das entspricht in etwa den Schätzungen der Bundesregierung, die mit rund 12.000 Euro pro Flüchtling und Jahr kalkuliert. Der Tenor aus dem Bundesfinanzministerium ist: Es wird extrem eng für den Haushalt. Das RWI relativiert diese Einschätzung allerdings etwas:

Im laufenden Jahr dürfte der Budgetüberschuss des Staates sogar von 9 auf knapp 20 Mrd. € bzw. in Relation zum nominalen BIP von 0,3% auf 0,6% steigen. Für das kommende Jahr ist mit einem geringeren Überschuss von reichlich 8 Mrd. € (0,3% des BIP) zu rechnen, da die Einnahmendynamik abnimmt, die Finanzpolitik weiterhin expansiv ausgerichtet ist und hohe Mehraufwendungen für Asylsuchende und Flüchtlinge anfallen.

Mit anderen Worten: Obwohl viel Geld für die Flüchtlinge ausgegeben wird, ergibt sich gesamtstaatlich ein Haushaltsüberschuss. Was das für die einzelnen Ebenen bedeutet und ob die schwarze Null gehalten wird, hat das RWI nicht ausgerechnet, aber es ist gleichwohl interessant. Eine Erklärung für das positive Bild: Das für die Flüchtlinge ausgegebene Geld verschwindet konjunkturell betrachtet nicht in einem schwarzen Loch. Es wird ausgegeben, zum Beispiel für Nahrungsmittel oder Einrichtungsgegenstände. Dann fällt Umsatzsteuer an, die dem Staatshaushalt zugutekommt. Und wenn die Flüchtlinge nicht gekommen wären, wäre dieses Geld überhaupt nicht ausgegeben worden, sondern man hätte damit Schulden getilgt – was ebenfalls nicht nachfragewirksam gewesen wäre. Es sei denn, man argumentiert, dass durch die geringere Nachfrage des Staates nach Krediten das Zinsniveau sinkt und daher Unternehmen mehr investieren – was allerdings angesichts der gegenwärtigen Niedrig-Zinspolitik sehr weit hergeholt wäre. Oder wie es Holger Schmieding von der Berenberg Bank formuliert:

Extra spending on migration-related issues may amount to 0.3-0.4% of annual GDP in Germany and perhaps a few other places. Some further countries will likely quote is as a reason to exceed fiscal targets. On balance, the result could be a near-term stimulus to demand of some 0.2% of Eurozone GDP for 2H 2015 and probably 2016.

Kurzfristig betrachtet sorgen die zusätzlichen Flüchtlinge also für einen Konjunkturschub – wie man in den Betten und Matratzenläden des Landes bereits feststellen kann und wie hier bereits beschrieben wurde. Dauerhaft ist entscheidend, ob die Integration der Flüchtlinge gelingt, sodass sie Steuern zahlen und damit zur Finanzierung des Sozialstaats beitragen, denn für eine Alimentierung über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg dürfte die politische Bereitschaft fehlen. Ob das gelingt, hängt von einer Reihe von Faktoren ab – nicht zuletzt davon, ob am Anfang genug Geld in die Hand genommen wird, um den Flüchtlingen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Klar ist: Einfach wird es nicht.