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Britischer Aussenminister: „Krieg gegen den Terrorismus“ ist ein falscher Begriff

Kommt der Westen doch noch langsam zur Vernunft?

David Milliband schreibt im Guardian:

But ultimately, the notion is misleading and mistaken. The issue is not whether we need to attack the use of terror at its roots, with all the tools available. We must. The question is how.

The idea of a „war on terror“ gave the impression of a unified, transnational enemy, embodied in the figure of Osama bin Laden and al-Qaida. The reality is that the motivations and identities of terrorist groups are disparate. Lashkar-e-Taiba has roots in Pakistan and says its cause is Kashmir. Hezbollah says it stands for resistance to occupation of the Golan Heights. The Shia and Sunni insurgent groups in Iraq have myriad demands. They are as diverse as the 1970s European movements of the IRA, Baader-Meinhof, and Eta. All used terrorism and sometimes they supported each other, but their causes were not unified and their cooperation was opportunistic. So it is today.

The „war on terror“ also implied that the correct response was primarily military. But as General Petraeus said to me and others in Iraq, the coalition there could not kill its way out of the problems of insurgency and civil strife.

This is what divides supporters and opponents of the military action in Gaza. Similar issues are raised by the debate about the response to the Mumbai attacks. Those who were responsible must be brought to justice and the government of Pakistan must take urgent and effective action to break up terror networks on its soil. But on my visit to south Asia this week, I am arguing that the best antidote to the terrorist threat in the long term is cooperation. Although I understand the current difficulties, resolution of the dispute over Kashmir would help deny extremists in the region one of their main calls to arms, and allow Pakistani authorities to focus more effectively on tackling the threat on their western borders.

We must respond to terrorism by championing the rule of law, not subordinating it, for it is the cornerstone of the democratic society. We must uphold our commitments to human rights and civil liberties at home and abroad. That is surely the lesson of Guantánamo and it is why we welcome President-elect Obama’s commitment to close it.

 

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Das Kalkül der Hamas geht auf: Gaza wird der erste palästinensische Staat

Aluf Benn von Ha’aretz schreibt auf der Website Bitter Lemons (meine Übersetzung):

Der erste palästinensische Staat wird in Gaza nicht durch ein Endstatus-Abkommen mit Israel geschaffen, und auch nicht durch die Anerkennung der Clinton-Kriterien oder der Roadmap von Bush, sondern eher durch die Kanonen und Raketen der Hamas. Er ist einfach da, und er läßt all die endlosen Versuch von Staatsführern, Diplomaten und Think-Tankern lächerlich erschienen, einen palästinensischen Staat nach Wunsch zu konstruieren, der „in Frieden und Sicherheit“ neben Israel existiert.

Der derzeitige Konflikt in Gaza sollte als der Unabhängigkeitskrieg der Hamas betrachtet werden. Während ich dies schreibe, dreieinhalb Jahre nach Ariel Sharons Rückzug aus Gaza, schreckt Israel davor zurück, den Gaza-Streifen wieder zu besetzen. Es ist wohl wahr, Israel hat beträchtliche Gewalt angewandt gegen die Hamas in Gaza, aber es hat davor halt gemacht, deren Regime zu stürzen und es durch eine freundlichere Kraft zu ersetzen wie etwa die PA des Machmud Abbas.

In diesem Licht erscheint die Entscheidung der Hamas, den sechs Monate währenden Waffenstillstand nicht zu verlängern und statt dessen Israel zu einem Duell aufzufordern, rationaler und weniger kontraproduktiv als auf den ersten Blick. Hamas ist bereit, mit vielen Toten und einer massiven Zerstörung Gazas zu bezahlen, wenn man im Gegenzug künftig dabei in Ruhe gelassen wird, das Territorium zu seinen eigenen Bedingungen zu regieren. Die Hamas kann Israel nicht „besiegen“, aber wenn sie den Krieg überlebt, stellt sie eine Alternative zum Oslo-Prozess und zur PA dar. Mit dem Verstreichen der Zeit wird die Welt sich an diese de facto Realität gewöhnen.


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Gegen Hamas hilft nur Gewalt

Dies wird heute in der taz vertreten von Micha Brumlik. 

Er fragt, ob die Hamas auch den Weg der Fatah von der Terrorgruppe zur akzeptierten politischen Kraft werde gehen können – und kommt zu einem negativen Befund:

Sogar wenn man davon absieht, dass die Hamas eine antisemitische Partei ist und man diese Passagen aus ihrer Charta wider besseres Wissen als missglückten Ausdruck von Antizionismus konzediert, wird klar: Mit dieser Partei ist kein Kompromiss im Sinne der politischen Moderne möglich. Vergleicht man etwa die Charta der Hamas mit dem längst ad acta gelegten antizionistischen Programm der Fatah, einen demokratischen Staat in Palästina bei Gleichberechtigung aller muslimischer, christlicher und jüdischer Bürger anzustreben, wird das sofort deutlich. Das inzwischen obsolete Programm der Fatah proklamierte wenigstens – glaubwürdig oder nicht – die Idee einer demokratischen Nation. Anders die Charta der Hamas: Sie kennt kein demokratisches, souveränes Staatsvolk, sondern nur Gott unterworfene Muslime hier und widerwillig geduldete Dhimmis dort. Scharia und moderner Nationalstaat aber sind, auch in seiner verspäteten Schwundform, unvereinbar. Ideen jedoch, die einander unauflösbar widersprechen, können auch in der Wirklichkeit nicht koexistieren. Hier weist keine dialektische Synthese einen Weg. Die respektablen Träume der pragmatischen Vernunft zerschellen deshalb. Denn man hat es hier mit einem der glücklicherweise eher seltenen Fälle eines genuinen Feind/Feind-Verhältnisses zu tun, das in der Sache nur durch Gewalt zu entscheiden ist.“

Brumlik ist der Meinung, daß „die demokratisch legitimierte Hamas ob der inneren Widersprüchlichkeit ihres Prinzips, fürsorglicher Gottesstaat und Terrorzelle in einem zu sein, von der weltgeschichtlichen Bühne“ verschwinden wird.

Ich bin da nicht so sicher. Die Islamische Republik Iran lebt mit diesen Widersprüchen auch schon recht lange.

Es bleibt aber in jedem Fall das Problem bestehen, dass am Ende die Hamas wahrscheinlich nicht vollkommen eliminiert werden kann. Etwas von ihr wird überleben, und man wird mit diesem Rest irgendeinen modus vivendi finden müssen. Der Anspruch der Palästinenser auf einen Staat ist nicht aus der Welt zu schaffen. Die Blockade Gazas und die Besetzung der Westbank müssen enden. Das ist schwerer ins Werk zu setzen, als einen Krieg zu führen.

 

Obama will mit Hamas sprechen…

…lassen, weiß der Guardian aus gut unterrichteten Kreisen.

Es gehe nicht um direkte Verhandlungen, sondern um nichtöffentliche Kontakte, zunächst auf Geheimdienstebene, ganz so, wie es in den Siebzigern auch mit der Fatah gemacht wurde.

Ist diese Haltung überraschend, nachdem Obama zu den israelischen Angriffen auf Hamas sehr beredt geschwiegen hatte? Vielleicht schon, aber ich sehe keinen Widerspruch darin. Eine Hamas, mit der man eventuell reden kann, wird es erst nach einem abgeschlossenen israelischen Krieg geben. 

Die militärische Dezimierung und Unschädlichmachung  der Gruppe ist eine Voraussetzung dafür, dass mit dem verbleibenden politischen Kern geredet werden kann – aus einer Position der Stärke.

Man sollte den Krieg in Gaza darum auch nicht als Indiz lesen, dass Israel einem zunächst klandestinen politischen Prozess mit Hamas ganz und gar ablehnend gegenüber steht. 

Fest steht jedenfalls, dass die amerikanische (und europäische) Politik des Nichtredens mit Hamas nichts gebracht hat. Es gibt zweierlei Alternativen zu ihr: Krieg oder Verhandlungen. Oder vielleicht: Erst Krieg, dann Verhandlungen.

Das heißt aber auch: Wird der israelische Krieg ein Desaster und Hamas überlebt in ihrer alten Form, dann wird auch nichts aus Verhandlungen.

 

Israels riskanter Krieg in Gaza

Schmerzhafte Wahrheiten in einem Kommentar von Thomas Schmid in der Berliner Zeitung:

„Kaum ein Israeli kennt die Lebensumstände der Palästinenser in Gaza – kaum ein Palästinenser das Leben in Israel. Das war nicht immer so. Bis zum Ausbruch der ersten Intifada 1987 arbeiteten hunderttausende Palästinenser aus den besetzten Gebieten in Israel und viele Israeli gingen in Ramallah einkaufen. Heute gibt es keine Kontakte mehr und eine gespaltene Wahrnehmung: Auf beiden Seiten sieht man nur die eigenen Opfer. Und mit jedem Krieg wächst der mit Antisemitismus vermischte Hass auf der einen Seite ebenso wie die von Rassismus nicht freie Verachtung auf der anderen.

Ein Bonmot besagt: Im Nahostkonflikt wurde keine Gelegenheit verpasst, eine Gelegenheit zu verpassen. Das gilt für die Palästinenser, die 1948 den UN-Friedensplan abgelehnten, und für die PLO, die Jahrzehnte brauchte, bis sie das Existenzrecht Israels anerkannte. Und es gilt für Israel, das einst die Hamas gezielt förderte, um die PLO zu schwächen. Es hat systematisch verhindert, dass der palästinensische Präsident Mahmud Abbas politische Erfolge vorzeigen konnte. Israel hat damit zur Wahlniederlage der gemäßigten PLO beigetragen und sieht sich jetzt mit der Hamas konfrontiert, deren Popularität mehr in ihrer Hilfe bei der Bewältigung des schweren Alltags als in den Hassreden auf den jüdischen Staat gründet.

Wie eine Friedenslösung im Nahen Osten aussehen wird, ist längst klar: Israel wird die meisten Siedlungen im Westjordanland räumen müssen. Und es kann die völkerrechtswidrig annektierten Gebiete – die Golanhöhen und Ostjerusalem – nicht behalten. Zudem muss es den Palästinensern einen überlebensfähigen Staat zugestehen. Im Gegenzug wird es in anerkannten sicheren Grenzen leben. Die Hamas muss dementsprechend das Existenzrecht Israels anerkennen. Vor drei Jahren deutete eine Fraktion der Islamisten immerhin an, dass sie dazu bereit sei. Die Weigerung Israels, der USA und der EU, mit der Hamas, die die Wahlen gewonnen hatte, in Dialog zu treten, hat seitdem jedoch die Hardliner gestärkt.“

Und dahinter steckt eine riskante Alternative, vor die sich Israel durch die Intervention in Gaza gestellt hat: Entweder Hamas wird vernichtet (und ersetzt, aber mit wem?), oder man wird Hamas am Ende de facto legitimieren müssen (durch eine Vereinbarung).

 

Die feinen Unterschiede im Hass…

Alan Posener zum Streit um Antisemitismus und Islamophobie:

In Arras, Nordfrankreich, sind am Vorabend des muslimischen Opferfests auf einem Soldatenfriedhof Hunderte von Gräbern muslimischer Gefallener von Neonazis geschändet worden.  Wie schon im April 2007 und im April 2008 wurden die Gräber der Soldaten, die für Frankreich ihr Leben ließen, mit Hakenkreuzen und den Worten “Heil Hitler” beschmiert. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy fand die richtigen Worte, als er von einem “widerlichen Rassismus” sprach, der sich gegen die muslimische Gemeinschaft Frankreichs richte. Ob man nun diesen widerlichen Rassismus Islamophobie nennt oder Islamfeindschaft oder Muslimfeindschaft oder Antiislamismus oder was auch immer: die Urheber dieser Tat haben mit ihren Hakenkreuzen und dem Slogan “Heil Hitler” klar gemacht, dass sie für die feinen Unterschiede im Hass gegen die eine wie die andere Gruppe wenig Gefühl haben…

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Wie sagt man Nein zu Obama?

Im folgenden das Manuskript eines Vortrags, den ich so in St. Louis, Denver und Dallas gehalten habe:

One major achievement of George W. Bush that cannot be disputed: He has certainly created a renewed interest in the transatlantic relationship.

How did he do it? By bringing it down to the lowest levels since the end of the Cold War.

Just think of the crowds at Obama’s rallye in Berlin this July! 200.000 people turned up for a campaign event around the Siegessäule in the Tiergarten.

200.000 people, that is, 99 % of which would not have a voice in the election that the speaker was running in! That’s an astounding number.

Now Obama is a gifted speaker, for sure. But without George Bush, he could have never drawn such a crowd.

Why were Germans going crazy about the American election? The Bush government hat taught them the hard way that the transatlantic relations mattered.

The Bush era has left the Europeans with the feeling that they are affected by american policy making in an ever deeper way, while they have never felt so disregarded by an American president ever before.

To quote a famous Bostonian saying: It is a case of „taxation without representation“.

Let me quote a recent survey by the German Marshall Fund of the United States, conducted in the US and 12 European countries. Conducted, I should add, before the financial mess was full blown! So you may add some to the already astonishing numbers! Weiter„Wie sagt man Nein zu Obama?“

 

Obamas erster Minister

…wird Tom Daschle im Fach Gesundheit. Das wird ein Schlüsselressort, denn Obama hat ja versprochen, weitgehende Krankenversicherung für alle einzuführen.

Ich hatte Senator Daschle im April in Berlin exklusiv für dieses Blog interviewt – über Obamas aussenpolitische Agenda.

Senator Tom Daschle und der „President elect“

 

Gründe für den Niedergang der Republikaner

Curt Anderson, ein republikanischer Stratege, der den neuen Hoffnungsträger Bobby Jindal berät, hat eine Analyse der Wahlmotive der Republikaner gemacht.

Anderson ist sichtbar sauer, als er an der Kennedy School of Government zu seinem Vortrag ansetzt: „Ich lese Ihnen mal eine Mail vor, die ich vom Vorsitzenden des Nationalen Komitees der Republikaner bekommen habe: ‚Liebe Freunde, während sich unsere Partei nach unserer knappen Niederlage…‘ Knappe Niederlage? Nein, so nicht!“ Anderson wirft seinen Blackberry verächtlich vor sich auf den Tisch: „Diese Leute haben nicht kapiert, was hier vor sich geht!“ 

Etwa ein Drittel der Wähler McCains, hat Anderson herausgefunden, hat ihn gewählt, um Obama zu verhindern. Nur zwei Drittel, in anderen Worten, waren von dem Kandidaten McCain oder seinem Programm selbst überzeugt.

Ein Drittel der republikanischen Wähler hatte den Eindruck, dass die Republikaner in Washington „ihre Werte“ verraten und Teil der Maschine geworden seien.

62 Prozent der republikanischen Wähler sagen, die Republikaner hätten ihre Macht im Kongress nicht genutzt, Korruption und Lobbyismus zu bekämpfen, wie sie es seit 1994 versprochen hatten.

Zwei Drittel der republikanischen Wähler sagten, die Partei sei nicht mehr die Partei des „small government“ und der Ausgabenbegrenzung.

Anderson meint aber seinen Ergebnissen ablesen zu können, dass das Land sich politisch-ideologisch nicht plötzlich nach links bewegt habe, auch wenn Obamas Sieg das suggeriere.

Was die Grundwerte der Mehrheit angeht, sei immer noch eine solide Basis für eine Beschränkung der Bundesregierung (i.e. Steuersenkungen), für starke Militärausgaben und für sozial konservative Meinungen (gegen „Drogen, Pornographie, Homoehe etc.“) vorhanden. Die Republikaner hätten hauptsächlich ein Glaubwürdigkeitsproblem, und es gebe keinen Grund, in Zukunft weniger konservativ zu sein und in der Mitte um Obamas Wähler zu konkurrieren.

Wenn das mal stimmt!