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Robert Kagan ist kein Republikaner

„Allerdings muß ich eine Sache klarstellen, ich bin kein Republikaner. Ich habe 1992 Clinton gewählt, und 2000 Gore. An mir hat’s also nicht gelegen, dass Bush Präsident wurde. ich möchte gerne Demokrat sein, finde mich dann aber doch auf der anderen Seite wieder.“

Ist ja Interessant!

Dinner mit Robert Kagan im Harvard Faculty Club, nur 5 Tage vor der Wahl. Kagan, einst einer der führenden Neocons, ist sichtlich um Abstand zum amtierenden Präsidenten bemüht. Und ein Neocon möchte er eigentlich auch nicht (mehr) sein.

Robert Kagan Foto: Carnegie Endowment

Vor einem kleinen Kreis von Historikern, Ökonomen und Gästen der Universität erläutert Kagan die Thesen seines neuen Buchs („The Return of History and the End of Dreams“), das ich hier schon länglich diskutiert habe.

Kagan ist ein pointierter und witziger Redner. Seine These, dass wir nach dem „unipolaren Moment“ – in dem die USA kurzzeitig konkurrenzlos schienen (nach dem Ende des Kommunismus) –  zum geopolitischen Normalzustand zurückgekehrt seien, in dem große Mächte (inkl. Rußland, China, Indien) wieder um Ressourcen, Respekt und Einfluß konkurrieren, wurde von vielen Seiten in Frage gestellt.

Er konnte sie gut verteidigen, allerdings bleiben einige wichtige Fragen offen.

Ein interessanter Aspekt von Kagans Weltsicht ist folgender: Der Konflikt mit dem islamischen Radikalismus tritt sehr weit in den Hintergrund. Interessant für einen Denker, der die USA nach dem 11. September mit dazu getrieben hat, zwei Kriege im Herzen der islamischen Welt zu beginnen, und der die Demokratisierung der islamischen Welt zum wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer Erneuerung der Region erklärte.

Heute sagte Kagan in Harvard: „Die Führer der radikalen Islamisten, ob es nun Chamenei im Iran oder die Sprecher der Qaida sind, gerieren sich vielleicht darum immer radikaler, weil ihre Bewegung sich auflöst und ihr historischer Kampf aussichtslos ist. Die amerikanische Aussenpolitik kann nicht um diesen Konflikt herum gebaut werden. Der radikale Islam sollte uns eher wenig Sorge bereiten (should be a rather low level concern). Nur die Möglichkeit eines weiteren fatalen Anschlags in den USA zwingt uns paradoxer Weise, die Sache ernster zu nehmen.“

Das ist für meinen Geschmack eine Kehrtwende. Kagan kritisierte in Harvard explizit Senator McCains Bezeichnung des Konflikts mit den Dschihadisten als „transzendentale Bedrohung“ unserer Zeit. (Kagan hat McCain beraten und eine Rede für ihn geschrieben.) Was ist bloss aus der Neocon-Idee geworden, den Modernisierungsstau der islamischen Welt, dessen Resultat der islamistische Terrorismus ist, mit einem Schlag zu lösen? Man möchte doch gerne wissen, wann genau diese Idee über Bord gegangen ist.

Ich hätte mir gewünscht, dass Robert Kagan ein wenig darauf eingegangen wäre, was ihn zum Umdenken bewegt hat. Aber das ist nun mal nicht seine Art.

Überhaupt scheint die Hauptlinie seiner Argumentation nun nicht mehr Amerikas Sonderrolle und Mission zu sein, sondern die Unvermeidlichkeit „normaler“ Staatenkonflikte, in denen sich die USA eben wie eine Großmacht unter anderen verhalten, während Europa immer noch in der Illusion lebt, diese Welt durch Kooperation und Souveränitätsverzicht hinter sich gelassen zu haben.

Darum seien die Europäer auch unfähig, sich mit einem Rußland auseinanderzusetzen, das ganz altmodisch Anspruch auf Macht und Einflußsphären erhebe. (Was Amerika Putin nach dem Georgien-Konflikt ausser ziemlich hohlen Drohungen entgegenzusetzen hatte, blieb Kagan allerdings schuldig.)

Ein starker Punkt Kagans ist die Warnung, dass wir uns nicht allzu harmoniesüchtig vorstellen sollten, dass Handel und Interdependenz im Zeichen der Globalisierung automatisch eine Ära des ewigen Friedens einläuten. Es gebe, sagte er, eine „fantastische Vielfalt von Ordnungen der Unfreiheit, die wir einfach nicht mehr zur Kenntnis nehmen, weil wir auf die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts eingepeilt sind“. Zweifellos seien die Menschen in China und Rußland heute freier denn je als Individuen. Aber die entscheidende Frage sei doch, ob es in beiden Ländern politische Freiheit im Sinne eines offenen Wettbewerbs um die Macht gebe. Die Antwort sei zweimal nein.

Mein Hauptproblem mit Kagans Perspektive ist dies: Seine „Wiederkehr der Geopolitik“ stellt Interessenskonflikte bis zum Krieg hin als das schlicht Unvermeidliche hin, in einem Ton des heroischen Realismus.

Manche Konflikte sind aber eben aus Realismus unbedingt zu vermeiden – und Kagan gibt keinerlei Kriterien an für eine kluge Politik in diesem Sinn. Im Gegenteil: Er stellt den „großen Mächten“ einen Freifahrtschein aus, ihre Interessen um jeden Preis zu verfolgen. (Seine Sicht ist offensichlich apologetisch: immer wieder läuft alles darauf hinaus, dass die USA genau so handeln mussten, wie sie handelten.)

In der Welt, in der wir heute leben, ist das Handeln nach dem nationalen Interesse als einzigem Kriterium aber eben nicht mehr realistisch. Die drei dringendsten Probleme – Finanzkrise (Wirtschaftskrise), Energiekrise und Umweltkrise – lassen sich so nicht lösen. Weder eine neue Weltfinanzarchitektur, noch die Sicherung des Weltenergiebedarfs, noch ein Übereinkommen zur Emmissionsbegrenzung lassen sich auf der Ebene einzelstaatlichen Handelns herbeibringen.

 

Sarah Palin lobt Jimmy Carter

Nein, tut sie natürlich nicht. Aber sie erhebt eine seiner zentralen Forderungen zur Top-Priorität (ohne es zu wissen, womöglich). Jimmy Carter war der Präsident, der das Thema „Energie-Unabhängigkeit“ erkannt hat, und die Republikaner haben ihn seither dafür denunziert. Heute sagte Palin in Ohio: “It’s been 30 years’ worth of failed energy policies in Washington, 30 years where we’ve had opportunities to become less reliant on foreign sources, and 30 years of failure in that area,” Ms. Palin said. “We must steer far clear of the errors and false assumptions that have marked the energy policies of nearly 20 Congresses and seven presidents.”

Jimmy Carter hat im Jahr 1979 eine Rede gehalten, mit der er sein politisches Todesurteil unterschrieb. Sie wurde als die „Malaise“-Rede denunziert, weil er darin die amerikanische „Krise des Selbstvertrauens“ analysierte.

Ronald Reagan gewann die folgende Wahl mit einem gute-Laune-Programm, das eigentlich ein Hohn auf alle konservativen Werte war. Reagan ermutigte Amerika, weiter auf Pump zu leben und zu konsumieren. Er fing damit an, die enormen Handelsdefizite zu verharmlosen, die zu Amerikas späterer Abhängigkeit von Asien und dem Nahen Osten geführt haben – während Carter eine klassisch konservative Wende zum Wesentlichen und zur uramerikanischen Tugend der „self-reliance“ vorgeschlagen hatte.

Der politische Kern von Carters Analyse war: Die Energie-Abhängigkeit der USA von den OPEC-Ländern ist geopolitisch ruinös und muss beendet werden – durch Einsparungen, neue Energiequellen und Effizienz. Wie recht er doch hatte! (Heute sagen es alle!)

Von den Republikanern wurde Carter damals denunziert, er wolle den american way of life aufgeben. Die Republikaner hatten sich auf die Seite der Konsumgesellschaft gestellt, in der sich die Menschen schlichtweg berechtigt fühlen, den Wohlstand zur Not auf Pump zu finanzieren. Das konservativ zu nennen, ist unhaltbar.

Heute ist es Konsens, dass „energy dependence“ eines der Kardinalprobleme der USA ist (und des ganzen Westens, bei uns bloß mehr mit Blick auf Rußland als Nahost).

Carters prophetische Rede ist eine traurige Lektüre: Jahrzehnte sind verplempert worden.

Hier Auszüge:

The symptoms of this crisis of the American spirit are all around us. For the first time in the history of our country a majority of our people believe that the next 5 years will be worse than the past 5 years. Two-thirds of our people do not even vote. The productivity of American workers is actually dropping, and the willingness of Americans to save for the future has fallen below that of all other people in the Western world.

As you know, there is a growing disrespect for government and for churches and for schools, the news media, and other institutions. This is not a message of happiness or reassurance, but it is the truth and it is a warning.

These changes did not happen overnight. …

We remember when the phrase „sound as a dollar“ was an expression of absolute dependability, until 10 years of inflation began to shrink our dollar and our savings. We believed that our Nation’s re sources were limitless until 1973, when we had to face a growing dependence on foreign oil.

These wounds are still very deep. They have never been healed.

First of all, we must face the truth, and then we can change our course. We simply must have faith in each other, faith in our ability to govern ourselves, and faith in the future of this Nation. Restoring that faith and that confidence to America is now the most important task we face. It is a true challenge of this generation of Americans.

We know the strength of America. We are strong. We can regain our unity. We can regain our confidence. We are the heirs of generations who survived threats much more powerful and awesome than those that challenge us now. Our fathers and mothers were strong men and women who shaped a new society during the Great Depression, who fought world wars, and who carved out a new charter of peace for the world.

We ourselves and the same Americans who just 10 years ago put a man on the Moon. We are the generation that dedicated our society to the pursuit of human rights and equality. And we are the generation that will win the war on the energy problem and in that process rebuild the unity and confidence of America.

Energy will be the immediate test of our ability to unite this Nation, and it can also be the standard around which we rally. On the battlefield of energy we can win for our Nation a new confidence, and we can seize control again of our common destiny.

In little more than two decades we’ve gone from a position of energy independence to one in which almost half the oil we use comes from foreign countries, at prices that are going through the roof. Our excessive dependence on OPEC has already taken a tremendous tool on our economy and our people. …

This intolerable dependence on foreign oil threatens our economic independence and the very security of our Nation.

The energy crisis is real. It is worldwide. It is a clear and present danger to our Nation. These are facts and we simply must face them.

Mehr hier.

 

Amerikanisches Krisentagebuch IV

Cambridge/ Massachusetts Klaus Scharioth, der deutsche Botschafter in Washington, ist eigentlich schwer zu verblüffen, seit er einst im Krisenstab die Tsunami-Hilfe koordiniert hat. Doch der Finanz-Tsunami der letzten Wochen hat Scharioth nach zwei Amtsjahren in Washington noch einmal ein völlig neues Amerika-Gefühl beschert.
Elf Tage vor der Wahl soll er an der Kennedy School of Government in Harvard vor künftigen Diplomaten, Managern und Politikern erläutern, welche Weltprobleme den neuen Präsidenten erwarten. Als die Einladung ausgesprochen wurde, war das ein Routinetermin. Doch inzwischen hat sich vieles gedreht: „Noch vor vier Wochen“, so Scharioth, „reagierten die Amerikaner auf den Begriff ‚Regulierung’, als hätte ich ein schmutziges Wort benutzt. Doch jetzt hat Washington selbst die Welt zu einem Gipfel eingeladen, bei dem es um die Regulierung der globalen Finanzmärkte gehen soll. Still und heimlich sind viele heilige Kühe geschlachtet worden in den letzten Wochen.“
Der Karrierediplomat Scharioth, der als Staatssekretär im Auswärigen Amt mit Schröder und Fischer für das Nein zum Irakkrieg verantwortlich war, ist alles andere als ein Rechthaber. Doch er kann sich das Wort von einer „ermutigenden Lernkurve der letzten Wochen“ nicht verkneifen. Das bezieht sich vor allem darauf, dass der US-Finanzminister Paulson mit seinem Rettunsgpaket dem europäischen Krisenmanagement gefolgt ist.
Doch damit nicht genug: Scharioth erntet auch keinen Widerspruch, wenn er nun eine neue Weltfinanzarchitektur, Klimaschutz und Energiewende zu den obersten Prioritäten des kommenden Präsidenten erklärt – und im Gegenzug Irak, Iran, Aghanistan, den islamistischen Terrorismus und den Nahostkonflikt fast schon wie Nebensachen behandelt. Daran hätte sich vormals der kleine transatlantische Unterschied festgemacht: Hier die softe europäische Venus, da der strenge amerikanische Mars. Setzt jetzt etwa Venus die Agenda? „Multilateralismus“ jedenfalls ist auf einmal keine europäische Marotte mehr, sondern eine schlichte Notwendigkeit der neuen weltpolitischen Situation.
Wie der Botschafter müssen sich viele Europäer dieser Tage daran gewöhnen, dass sie neuerdings in Amerika fast mit einer Art Demut behandelt werden. Auch hier in Harvard – weiß Gott ein unwahrscheinlicher Ort für intellektuelle Bescheidenheit… Weiter„Amerikanisches Krisentagebuch IV“

 

Amerikanisches Krisentagebuch III

Eine ältere Dame im Café in Rockport, Massachusetts, fängt unaufgefordert an, sich für den amerikanischen Präsidenten zu entschuldigen. Der Auslöser ihrer Rechtfertigungssuada ist die Tatsache, dass wir aus Europa kommen: „Sie wissen ja hoffentlich, dass wir ihn nicht gewählt haben. Hier in Massachusetts hat kein Mensch George Bush gewählt. Wir haben noch nie für die gestimmt.“ Sie arbeite als Bibliothekarin am MIT, gibt sie uns zu wissen. Mir dient diese Reaktion auch zur Erinnerung, dass Massachusetts mit seinem eingefleischten Demokraten-Stolz und Kennedy-Kult nicht für die USA im Ganzen steht. Aber andererseits wird gerade heute berichtet, dass Obama auch in Ohio vorne liege.

*

Der deutsche Botschafter spricht in Harvard. Er nennt die Weltprobleme, die das transatlantische Verhältnis herausfordern werden. Nummer eines ist die Finanzkrise. Dann kommt die globale Erwärmung und die Abhängigkeit von fossiler Energie. Dann „nukleare Proliferation“ – das Wort Iran fällt nicht. Viertens radikalen Extremismus (auch islamistischer Art). Fünftens „failed states“. Sechstens Armut. Siebtens die transatlantischen Institutionen (NATO inklusive). Achtens Russland, China, Afghanistan und Iran – und die Zukunft der internationalen Strukturen im Licht dieser Konflikte. Die Reihenfolge ist einigermassen frappierend. Iran hätte vor kurzem noch ganz oben gestanden. Der Nahe Osten wird am Ende mehr pflichtschuldig erwähnt. Es gibt erstaunlicher Weise keine Einwände gegen diese Rangfolge von den amerikanischen Anwesenden. Vor Jahr und Tag noch hätte man an der jeweiligen Rangfolge der Probleme die transatlantischen Differenzen kenntlich machen können – hier Venus Europa, da Mars Amerika. Vorbei? In wenigen Wochen hat sich eine radikale Neuordnung der Prioritäten durchgesetzt. Vielleicht eine Rückkehr zum Wesentlichen?

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Meine Vermieterin Kim weiß aus Georgia zu berichten, dass die Menschen stundenlang anstehen, um jetzt schon am early voting teilzunehmen. Hunderttausende neue Wähler seien dabei, die vorher nie zur Wahl gegangen sind – vor allem unter den Schwarzen. Kim ist selber schwarz. Als ich behaupte, diesmal würde die Rassenfrage nicht so sehr ins Gewicht fallen, weil die realen Probleme zu stark seien, bleibt sie skeptisch: „Das Rassenthema ist tief eingegraben in unserer Gesellschaft.“ Ausserdem sei die Wirtschaftskrise nicht unbedingt ein starkes Argument für Obama: Der sei nicht viel besser qualifiziert als McCain, um die Finanz-Probleme zu lösen, sagt Kim. Für sie scheint die Aussenpolitik eine starke Rolle zu spielen: Amerikas Ansehen in der Welt, der Irakkrieg. Und im Innern die immer weiter wachsende Ungerechtigkeit der amerikanischen Gesellschaft. Mein Eindruck ist, dass sich bei Obamas Anhängern eine Art magisches Denken Bahn bricht: Nur ja nicht voreilig den Sieg beschreien, nur ja nicht zugeben, wieviel für einen daran hängt – es mag Unglück bringen. Klug ist das ja auch, denn: „it ain’t over until the fat lady sings“.

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Joseph Nye von der Harvard Universität – Erfinder des Konzepts soft power – hält es für möglich, dass Obama von Osama eine „October Surprise“ drohen könne. Der letztere könnte sich nämlich durch Herrn Obamas „soft skills“ gefährdet sehen, durch welche die Weltmeinung wieder für das verhasste Amerika eingenommen werden könnte. Und um dies zu verhindern könnte Osama versucht sein, etwas anzustellen, das McCain in die Hände spielt. Da ist etwas dran: Obama könnte in der Tat das Spiel der Qaida durchkreuzen, weil er Amerika (für den Anfang jedenfalls) das offensichtlich Feindliche nimmt. Er wäre – gerade wegen seines kenyanischen Vaters und seiner Jugend in Indonesien – schwerer als Feind und „Kreuzfahrer“ zu brandmarken. Aber die Vorstellung, dass die Qaida-Planung auf den amerikanischen Wahlkampf hin berechnet werden könnte, riecht mir dann doch zu sehr nach Verschwörungstheorie.

 

Amerika hat seinen Kredit überzogen

Wir müssen Andrew J. Bacevich lesen.

Im August hat dieser Professor für internationale Politik am Boston College ein Interview gegeben, in dem alles angesprochen ist, was kurz darauf so spektakulär schief ging. Geradezu unheimlich, wie klar dieser Mann das Unheil kommen sieht. Bacevich ist ein West-Point-Absolvent und Vietnam-Veteran, ein konservativer Mann, dessen Sohn sein Leben als Soldat im Irak ließ.

Wenn so ein Mann solche Dinge sagt, dann ist das ein weiteres Indiz dafür, dass in Amerika vieles in Bewegung ist. Ich kenne derzeit keine kühlere, radikalere Kritik von kenntnisreicher Seite:

Mehr hier. Und hier. Und hier. Und hier.

 

Neocons für Obama

Nur noch zwei Wochen vor der Wahl. Fast täglich kommen neue Konservative hinzu, die Barack Obama unterstützen. Gestern erst Colin Powell. Wenige Tage zuvor Christopher Buckley, der Sohn von William Buckley, dem Mit-Begründer der neokonservativen intellektuellen Bewegung. (Buckley wurde darauf von der National Review seine Kolumne entzogen, von der Zeitschrift, die sein Vater einst begründet hatte, um eine rechte intellektuelle Kultur aufzubauen. Mehr hier.)

Heute ist es Kenneth Adelman, ein weiteres Urgestein der neokonservativen Bewegung.
Adelman hat schon in den siebziger Jahren für Donald Rumsfeld gearbeitet, später war er ein Berater Ronald Reagans während dessen Verhandlungen mit Gorbatschow. Er hat den Irakkrieg enthusiatisch unterstützt, und ihn anfänglich als einen „Spaziergang“ gekennzeichnet.

Ken Adelman

Offenbar war das ein wenig übermütig, und so sah Adelman sich gedrängt, Ende 2006 mit seinem alten Freund Rumsfeld und sich selbst abzurechnen.
Und seine jetzige Unterstützung Barack Obamas steht offenbar in dieser Linie.

Das ist etwas Neues auf der politischen Szene Amerikas: reuige Neocons, die sich durch eine Unterstützung des angeblich am weitesten links stehenden Kandidaten seit Jahrzehnten rehabilitieren.

Die politische Reue als Wahlkampfmunition: Hier kommen die Obamacons!

Besonders interressant ist das vor dem Hintergrund, dass viele der ursprünglichen Neocons einmal reuige Linke waren – „mugged by reality“ (von der Wirklichkeit überfallen), wie Irving Kristol es nannte.

Jetzt findet das Gleiche wieder statt, nur mit anderer Richtung. Obama hat fast so viel Zulauf von der Rechten wie Reagan einst von der Linken.

Hier ist Adelmans Begründung im New Yorker:

Why so, since my views align a lot more with McCain’s than with Obama’s? And since I truly dread the notion of a Democratic president, Democratic House, and hugely Democratic Senate?

Primarily for two reasons, those of temperament and of judgment.

When the economic crisis broke, I found John McCain bouncing all over the place. In those first few crisis days, he was impetuous, inconsistent, and imprudent; ending up just plain weird. Having worked with Ronald Reagan for seven years, and been with him in his critical three summits with Gorbachev, I’ve concluded that that’s no way a president can act under pressure.

Second is judgment. The most important decision John McCain made in his long campaign was deciding on a running mate.

That decision showed appalling lack of judgment. Not only is Sarah Palin not close to being acceptable in high office—I would not have hired her for even a mid-level post in the arms-control agency. But that selection contradicted McCain’s main two, and best two, themes for his campaign—Country First, and experience counts. Neither can he credibly claim, post-Palin pick.

I sure hope Obama is more open, centrist, sensible—dare I say, Clintonesque—than his liberal record indicates, than his cooperation with Nancy Pelosi and Harry Reid portends. If not, I will be even more startled by my vote than I am now.

„Ideas have consequences“ – so lautete die Neocon-Warnung. Unter Bush haben die Neocons selber die Wahrheit ihrer Warnung zu spüren bekommen – und ziehen die Konsequenzen.

 

Powell für Obama – es wird eng für McCain/Palin

Colin Powells Unterstützung für Obama hat mich zunächst skeptisch gemacht: Powell ist vor allem dadurch in Erinnerung, dass er sich zum Vehikel der Bush-Regierung gemacht hat, um den Irak-Krieg zu begründen. Powell war derjenige, der die UN in einer schändlichen Rede mit den hochgejazzten „Beweisen“ versorgt hat für Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen – die dann nie gefunden wurden.

Aber vielleicht ist seine Wende darum eben so bedeutsam: Hier ist ein Republikaner, ehemaliger Aussenminister Bushs, dem sein Gewissen keine Ruhe läßt und der seine Schande wieder gut machen will – indem er der Bush-Regierung und ihrer Fortsetzung unter John McCain ein Ende bereiten hilft.

Und wie er redet, ist wirklich beeindruckend. Er geißelt den Rechtsruck seiner Partei und zweifelt wegen Palin an der Urteilskraft McCains, den er als Menschen sehr schätzt.

Er ist der erste Prominente, der den Mut und die Klarsicht hat, dem Rechtsdrall der eigenen Partei entgegenzutreten. Etwa in der Mitte seiner Einlassungen kommt er auf die „Obama ist ein Muslim“-Hetze zu sprechen und macht den entscheidenden Punkt: Schön und gut dem zu entgegnen, er sei ein guter Christ. „Aber was, wenn er ein Muslim wäre? Wollen wir einem sieben Jahre alten muslimischen Jungen, der davon träumt, Präsident der USA zu werden, diesen Traum versagen. Das ist nicht amerikanisch.“ Und dann erzählt er von einem muslimischen Soldaten, der im Irak gefallen ist – für die USA.

Respekt.

 

Amerikanisches Krisentagebuch (2)

Heute sprach in der Kennedy School of Government der Ex-Senator Sam Nunn (D), ein von beiden politischen Lagern hoch respektierter weiser Mann der Aussenpolitik.

Er kämpft mit den Aussenministern Kissinger, Shultz und Perry für die nukleare Abrüstung. Noch vor wenigen Jahren wären weniger berühmte Menschen für eine solche Initiative als linke Spinner abgetan worden.

Jetzt sind es die weisen alten Männer, die dem Irrsinn nicht länger zuschauen wollen (Amerika hat ca. 7500 strategische Atomwaffen, die in 15 Minuten eingesetzt werden können, Rußland kaum weniger).

Im Publikum sitzt ein noch viel älterer Mann mit schütterem Resthaar, sehr fragil – der 92jährige Aussenminister Kennedys und Johnsons, Robert McNamara. Er war die Hassfigur der Antivietnamkriegsbewegung. Heute ist er einer der entschiedenen Befürworter von Abrüstung und Entsppannungspolitik.

Nunn sagt, wir müssen mit den Russen enger zusammenarbeiten. Wir hätten nicht die NATO, sondern die EU erweitern sollen. Wir hätten Putins Angebot zu einem gemeinsamen Raketenschild annehmen sollen. Wir werden nichts gegen die iranische Rüstung erreichen, sagt er, wenn wir nicht mit Chinesen und Russen und den Nationen Südostasiens zusammenarbeiten. Er rät davon ab, von einer NATO-Aufnahmen Georgiens und der Ukraine zu reden: „Wir Amerikaner haben verlernt, zwischen unseren vitalsten und bloß lebendigen Interessen (vital and vivid) zu unterscheiden.“

Soll heißen: Die Russen nicht mit Georgien und Ukraine ärgern, wenn man sie zugleich zum Abrüsten und bei der Front gegen Iran braucht. Und im übrigen solle Amerika endlich mit dem Iran verhandeln: „Wir bestrafen sie nicht dadurch, dass wir nicht mit ihnen reden.“

McNamara sekundiert: „Das ist genau das, was dieses Land jetzt hören muß!“

Etwas dreht sich hier in Amerika.

*

Als ich in der edelsten Wohngegend Bostons – Back Bay – vom Rad steige, sagt eine Passantin: Hey, very green! Das ist anerkennend gemeint. Dass jemand in Anzug und Krawatte auf dem Fahrrad herumfährt – in Amsterdam oder Berlin eine Normalität, ist immer noch ein Kuriosum hier.

Aber nicht mehr lange, wenn es so weitergeht. Detroit verkauft in diesem Jahr 30 % weniger Autos als im Vorjahr. Manche Leute kaufen nicht nur kein Neues, sondern geben ihr Auto ab und steigen aufs Fahhrad um.

An diesem Tag ist der Dow wieder um mehr als 700 Punkte gefallen. Im Goethe-Institut hält ein Club von Geschäftsleuten, die zwischen Amerika und Deutschland Handel treiben, eine Debatte vor dem letzten Treffen Obama-McCain ab.

Ich soll ein Statement über die deutsche Wahrnehmung der Wahl abgeben. Mein Kommentar fällt ziemlich herbe aus, weil ich all die erschreckenden Zahlen über den Ansehensverlust Amerikas in den letzten Jahren runterzitiere.

Ich habe zeitweilig das Gefühl, ein bisschen zu weit zu gehen. Doch nachher bedanken sich einige Leute dafür. Noch so ein unwahrscheiliches Verdienst von George W. Bush: Er hat mit seiner Hybris eine seit dem Ende des Vietnamkrieges nicht mehr dagewesene Welle der Selbstkritik eingeletet.

*

Haili Cao ist eine Kollegin aus Peking, die in diesem Jahr das renommierte Nieman-Fellowship für Journalisten inne hat. Sie hat die amerikanische Wahl ein bisschen über, sagt sie. Zur Abwechslung reden wir über China. Sie beklagt sich scherzend über einen Schweizer Kollegen, der sie immer wieder fassungslos bedrängt, dass die Chinesen sich nicht mehr über ihr Regime aufregen und mehr Demokratie verlangen.

„Er will einfach nicht verstehen, dass wir anders sind!“ Es muss merkwürdig für Haili sein, sich dauernd für ihr Land rechtfertigen zu müssen. Aber da sind die Ereignisse der letzten Wochen sicher eine Erleichterung: Denn nachdem die Finanzkrise offen gelegt hat, wie sehr die USA von China abhängen, wird sich der Ton doch sehr mässigen.

*

Beim Essen erzählt eine italienische Kollegin hier am Institut, die eigentlich in Washington Jura unterrichtet, dass all ihre Kollegen in D.C. plötzlich riesige Löcher in ihren Pensionsplänen haben: „Einer hat 30.000 Dollar verloren, ein anderer Hunderttausend. Die rechnen jetzt schon, wieviel länger sie vielleicht arbeiten müssen, um das wieder wettzumachen.“

Für Eltern bedeutet die Kreditkrise, dass sie nicht wissen, wie sie die College-Kosten ihrer Kinder aufbringen sollen. Das läuft hier nämlich auch oft über Darlehen, und die werden teurer (oder sind gar nicht mehr verfügbar). Harvard kostet pro Jahr derzeit 52.000 Dollar. Das ist ein Spitzenpreis, aber an der weniger renommierten Boston University sind es auch 48.000 Dollar. Die gebührenfreien, aber auch entsprechend dürftiger ausgestatteten staatlichen Unis haben im laufenden Jahr bereits 4 Prozent mehr Zulauf.

Der Staat kommt wieder, mit mächtigen Schritten.

 

After Georgia and George W. – What’s left of the West

Im folgenden mein Vortrag in Harvard am Center for European Studies:

There is a warning sign at french railway crossings. It reads: Attention! An incoming train can hide another one! „Attention! Un train peut en cacher un autre!“
I should have remembered this while choosing the title for this talk. But no. Instead I went for the obvious pun about Georgia and George W. That seems a little outdated today. Because that’s what happened in the last 6 weeks: While looking out for one train, we were hit by a second one.
I should have remembered this warning while choosing the title. But no. Instead I went for the obvious pun about Georgia and George W. That seems a little outdated today.
Because that’s what happened in the last 6 weeks:
While looking out for one train, we were hit by a second one.
Who cares about Georgia these days? What happened to what seemed to be the most serious crisis since the Iraq war?

Looking back after three weeks of economic turmoil, the Georgian conflict almost looks dwarfed in relation to the worries that we are now facing.
This fact is very telling in itself: It speaks to the situation of the EU and the US that a conflict that seemed to remind of the Cold War has been overshadowed by a crisis of a completely different order. Let’s put it this way: The West’s room for action in the Georgian crisis will be determined by the outcome of the financial crisis. The „financial crisis“ is much more than this wording suggests. I will adress this later in the talk.
Anyhow, I am here at CES to try and find out which way transatlantic relations could go after these eight years. Are we going to see a more divided and more fragmented west in an increasingly multipolar world? Or are we going to see a resurgence of power block politics under a new headline – liberal democracies vis à vis autocratic regimes? A little bit later I will briefly discuss two major publications dealing with this alternative.
Where do we stand in transatlantic relations at this very moment? I would like to play time machine with you and go back more than five years to a very significant moment.
It is the eve of the Iraq war. Weiter„After Georgia and George W. – What’s left of the West“

 

Liveblogging: McCain vs Obama, letzte Runde

22:55h McCain hat Boden gutgemacht, vor allem beim Wirtschaftsthema. Er wirkte besorgter, wärmer, nicht so abgehoben wie sonst. Aber dann hat er die Sache mit Ayers übertrieben und konnte nicht aufhören, Obama immer wieder anzugreifen. Gereicht hat die Performance nicht, um das Spiel auf den Kof zu stellen. Obama nutzte die Gelegenheit, sehr präsidentiell auszusehen. Er hat weder wütend auf die Angriffe reagiert, noch hat er selbst Palin angegriffen. Er konnte am Ende bei Bildung und Abtreibung punkten. Brilliant war er nicht. Aber für ihn kam es darauf an, dass die Leute sich daran gewöhnen, dass er bald der Präsident sein könnte und das nicht völlig bizarr ist. Er hat das geschafft. McCain wiederum wirkte – verständlicherweise – zuweilen sehr angespannt. So sehen keine Sieger aus.

22:32h Die Debatte ist insgesamt merkwürdig zahm, wie gelähmt. Man kann kaum einen Bezug zur Schwierigkeit der Lage sehen. Erst im Schluß-Statement schlägt McCain den passenden Ton an. Aber er verstolpert seine Sätze, sagt zweimal, er werde ein „careful steward of your tax dollars“ sein. Er stellt sich in eine „lange Reihe von McCains“ und bietet sich als erster Diener an.

Obama nutzt den Schluß zum Angriff auf McCain und schließt dann mit Versprechungen ab – wir wünschen allen Menschen alles Gute (Ausbildung, Gesundheitsversicherung, Wohnung).

Insgesamt war das eine merkwürdig verhaltene Angelegenheit. Vielleicht lag’s am Sitzen, das wirkt aggressionshemmend.

22:23h Obama mischt in seiner Einlassung zur Bildung linke und konservative Elemente: Er will eine „Armee“ neuer Lehrer gewinnen und bedürftigen Zuwendungen geben im Ggeenzug für Dienst an der Gemeinschaft. Und dann redet er den Eltern ins Gewissen, sie müssten die Glotze ausschalten und das Videospiel wegnehmen und eine Sehnsucht nach Wissen in den Kindern wecken. McCain ist hier wieder sehr unkonzentriert und sagt, Geld sei nicht die Lösung. Stimmt ja immer irgendwie, aber auch nicht.

22:16h Endlich eine klare Alternative: Obama bekennt sich zum status quo in Abtreibungsfragen, McCain sagt, er werde den Supreme Court zwar nicht nach parteilichen Gesichtspunkten besetzen, aber jemand, der für das Recht auf Abtreibung eintrete, könne nicht in Frage kommen. (Also doch.) McCain greift immer wieder an und versucht Obama als jemanden hinzustellen, dem das Leben eines Ungeborenen nichts wert ist. Der alte Herr ist der Herausforderer. Obama ist Establishment, er regiert schon. (Merkwürdige Optik.)

22:08 h Obama hat einen free ride mit seinem Konzept zur Gesundheitsreform. McCain wendet sich „meinem alten Freund Joe, dem Klempner“ zu, verspricht ihm einen Steuervorteil für seine private Gesundheitsvorsorge und warnt vor Obamas Konzept: da würden nämlich einfache Leute gezwungen, einer Sache beizutreten, ob sie’s wollen oder nicht. Schwacher Angriff, der Wunsch nach erschwinglicher Gesundheitsvorsorge ist einfach zu weit verbreitet, um das als Horror erscheinen zu lassen.

Wiederholt geht McCain gegen Obamas Plan vor, der bedeute „big government“. Das ist lachhaft in Zeiten, in denen täglich neue Banken verstaatlicht werden – von Republikanern. Wenn er gegen „die Regierung“ redet, kommt McCain richtig in Fahrt. Aber die Leute brauchen heute eine aktive Regierung, um sie zu schützen.

21:58h Wieder zunächst Vorteil McCain: Er verteidigt das Freihandelsabkommen mit Kolumbien. Amerika müsse mit Kolumbien zusammenarbeiten, auch bei der Drogenbekämpfung. Obama hat erst Schwierigkeiten, seine Ablehnung zu begründen. Dann kommt er aufs Thema der Energieeffizienz, vor allem für Autos, als wichtigen Bestandteil der Energiepolitik. Das ist ein heisses Thema bei der aktuellen Finanzlage der privaten Haushalte.

21:52h McCain hat noch eine gute Phase bei der Frage nach der Unabhängigkeit von importiertem Öl. Er kann hier seine Differenz von Bush klarmachen, ohne Bush überhaupt zu erwähnen. Obama hat eigentlich nicht viel anderes vorzuschlagen. Die beiden Kandidaten sind sich bei der Energiepolitik relativ nahe.

21:48h Jetzt müssen beide ihre Vizepräsidenten verteidigen. Obama stellt Biden als einen guten Progressiven dar – für den kleinen Mann, für neue Energiepolitik, erfahrener Aussenpolitiker. McCain preist Palin als ein Modell für weibliche Karrieren. Obama traut sich nicht, sie anzugreifen (vielleicht klug so!). McCain hingegen geht frontal auf Biden los, der oft falsch gelegen habe. Da sieht er besser aus, freier.

21:40h Obama muss sich für Ayers rechtfertigen. Er macht das ganz ruhig, indem er seinen Kontakt herunterspielt und auf die involvierten Republikaner verweist. McCain schaut ein bisschen irre, während Obama die alten Geschichten erklärt. Hat er was erreicht? Obama hat die ganze Zeit schon gesagt, er wolle lieber zum Thema des Abends sprechen. (Ob das alles irgendjemanden interessiert, der nicht eh schon von den entsprechenden Gruppen vorinformiert ist – also die begehrten Independents? Unwahrscheinlich.)

21:39h Obama ist in der Klemme: Er will nicht auf das Thema einsteigen. Er will nicht zurückkoffern. Dadurch sieht er teilweise zu zahm aus. Aber wenn er dann immer wieder mahnt, wir sollten zum Thema zurückkehren, sieht er präsidentieller aus als der alte Herr.

21:33h Der Moderator Bob Schieffer spricht die häßliche Seite der Kampagne an, die Charakterattacken. McCain gibt sich leutselig: Es tue ihm leid „wegen beider Kampagnen“. er gibt sich verletzt durch die Vorwürfe, er und Palin hätten rassistische Ressentiments geschürt.

Obama läßt das Thema an sich abperlen: Die Leute interessiert das nicht, sagt er, daß wir uns hier beharken. Wir müssen Rezepte zur Besserung der Lage bringen.

McCain antwortet beleidigt und stilisiert sich zum Opfer einer „noch nie dagewesenen Negativkampagne“.  Geschickt? Aber der Kriegsheld jetzt als Opfer?

21:27h Obama hakt ein und merkt, dass er damit McCain in der Falle hat: Er greift ihn wieder als Fortsetzung von Bush an. Damit bringt er in die Lage, sich wieder zu verteidigen und von Bush zu distanzieren. Das sieht nicht gut aus, selbst wenn er es ehrlich meint.

21:23h: McCain wird endlich seinen Satz los, der ihn von Bush distanzieren soll: „Wenn Sie gegen Bush kandidieren wollen, dann hätten Sie vor vier Jahren antreten sollen. Ich bin nicht Bush.“ Er habe gegen die Ausgabenpolitik rebelliert, Obama nicht. Gute Angriffe, McCain kommt in Schwung.

21:21h Endlich die Frage nach dem explodierenden Defizit! „Ignorieren Sie nicht beide die Realität?“ Obama: Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt! Aber er will nicht sagen, welche seiner Vorschläge nicht finanzierbar sind. Stattdessen spricht er von den Privilegien der Versicherungsbranche, die er wegnehmen will. Und schon ist er wieder bei Mehrausgaben – Investitionen in Energie-Unabhängigkeit.

McCain sagt das Gleiche: Wir werden tausende neue Jobs bei erneuerbaren Energien schaffen. Immer wieder sagt er, er „wisse“, wie er dem Steuerzahler Millionen einsparen könne. Und dann kommen eher kleine Beispiele. Beide sind sehr schwach, irgendwie gehemmt.

21:11h Beide Kandidaten sind gereizt. Sie wetteifern darum, wer den Leuten die größten Steuergeschenke macht. Angesichts der Wirtschaftslage ist das lachhaft. Der Moderator fragt nicht nach. Schlecht.

Heute findet die letzte Redeschlacht der beiden Kandidaten statt. Ich werde hier wieder ab 3h MEZ (21h EST) live bloggen.

Die McCain-Kampagne steht vor einer Entscheidung. Die scharfen Attacken der letzten Wochen haben nichts gebracht. im Gegenteil: je härter man Obama anging und als unpatriotisch hinstellte, ja gar als Terroristenfreund, um so mehr zog er in den Umfragen davon. Mittlerweile gibt es teilweise zweistellige Vorsprünge in entscheidenden Staaten.

Wird McCain also heute bei der letzten Debatte weiter auf Angriff und persönliche Disqualifizierung seines Opponenten setzen? Er hat es angekündigt: „I am going to say it in his face!“

Unterdessen erwarten die Wähler klarere Sprache über die dramatische Wirtschaftslage. Die Enteignungen von Häusern gehen weiter, die Arbeistlosigkeit steigt, Kredite sind schwer zu bekommen, die Rentenplanungen vieler Menschen stehen auf der Kippe.

Obama wird sich Fragen zur Finanzierbarkeit seiner Vorschläge gefallen lassen müssen. Man darf gespannt sein, wie er auf eventuelle direkte persönliche Angriffe reagiert. Sich als „wütender schwarzer Mann“ zu präsentieren, wäre sicher ein Fehler, weil es ihn für zögerliche Wähler schwerer verdaulich macht. Die Republikaner hätten ihn freilich gerne genau in dieser Ecke.

Es wird bestimmt ein spannender Abend (Morgen).