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Kann man den Islam vom radikalen Irrsinn befreien?

Die Palestinian Authority, also die Fatah-Regierung in der Westbank, geht seit einiger Zeit sehr hart gegen radikale Prediger vor.

Der neue Minister für Religiöse Angelegenheiten, Mahmoud Habbash, hat die Kontrolle über die Moscheen übernommen. Der Hintergrund: Über radikale Prediger hat die Hamas im Westjordanland einen erheblichen Einfluss ausgeübt.

Jetzt ist Fatah offenbar entschlossen, diesen Kanal zu schließen. Die Washington Post schreibt, die Freitagspredigten würden von Habbash zentral verfasst und den Moscheen übermittelt. Die Imame müssen diese Texte als grundlage ihrer Predigten nehmen. Wenn sie davon abweichen, werden sie von Sicherheitsdienst gemeldet.

Die Imame müssen auch durch die Moscheen rotieren, um „Gedenkenkontrolle“ der Gläubigen durch einzelne Prediger zu verhindern. Das System erinnert stark an das türkische Modell des Staatsislams (Diyanet) oder auch an den Zugriff des ägyptischen Staates auf die Religion. Die Zentralisierung der Religion stellt aber für die Westbank eine Novität dar – und die Gegenpropaganda der Hamas lässt auch nicht auf sich warten:

The firm grip on mosques is the latest element in a long effort to curb the strength of Hamas that has included widespread arrests and bans on Hamas media and gatherings. On Tuesday, when 70,000 people gathered in Gaza to mark the 23rd anniversary of the founding of Hamas, there were no rallies in the West Bank to mark the occasion.

The United States has pushed the Palestinian Authority to put an end to the vitriolic sermons that the United States and Israel say undercut peace efforts. But it has been careful not to overtly praise the latest effort. While seen as helpful to U.S. goals, the crackdown also reveals an authoritarian streak in a Palestinian leadership routinely hailed by American officials for its governance.

Such central government control of clerics is not uncommon in the Arab world. But it is disappointing to those who had expected greater tolerance from the Palestinian Authority, which rules parts of the Israeli-occupied West Bank. As part of its clampdown, the ministry has banned Hamas-affiliated imams from preaching. Those who are authorized to preach are paid by the Palestinian Authority.

„The Palestinian Authority’s plan is to combat Islam and the religious trend within it,“ said Sheikh Hamid Bitawi, a well-known Islamic religious authority in Nablus who delivered sermons for four decades before the Palestinian Authority banned him three months ago.

Bitawi estimates that dozens of other imams have been prevented from preaching since the crackdown started, leading to a preacher shortage at many mosques. „I’m sure the popularity of Fatah [Abbas’s party] and the Palestinian Authority is going down,“ Bitawi said. „They will be punished for their behavior.“

Ein Problem könnte sein, dass die Repression der Extremisten als Verbeugung vor den Forderungen der USA und Israels gesehen wird. Aber Habbash wehrt sich gegen solche Vorwürfe. Der Kampf gegen den Antisemitismus, führt Mahmoud Habbash, selber islamischer  Theologe,  als Kampf um die Seele seiner eigenen Religion. Ein mutiger Mann.

Habbash insists his goal is to advance Palestinian unity, not to appease the United States or Israel. So far, the Palestinian Authority has focused most of its attention on the mosques and responded quickly when it sees a problem.

After an imam urged Muslims to kill Jews in a sermon broadcast on a Palestinian government-run television station earlier this year, U.S. officials complained. Habbash apologized, said the imam had been a last-minute substitute, and ordered the next Friday’s sermon at all mosques to be about tolerance among followers of Islam, Judaism and Christianity.

Habbash, 47, taught Islamic law and wrote a newspaper column before being forced to flee the Gaza Strip after Hamas seized control of the territory in 2007. Today, he is one of the government ministers closest to Abbas. His policy also makes him one of the most endangered: While most ministers travel with two bodyguards, he has six.

„My main message is, we need to liberate Islam from this madness, from this extremism and wrong understanding of Islam,“ he said. „Islam does not incite to hate.“

Khalil Shikaki, chief pollster at the Palestinian Center for Policy and Survey Research, said the overall crackdown on Hamas, including the mosque policy, has clearly weakened Hamas in the West Bank. „They have no media – no newspapers or magazines“ in the West Bank, he said. „No doubt they have lost the mosques as a key platform.“

Liberate Islam from this madness.

Starke Worte. Wer so etwas sagt, begibt sich in Palästina in Lebensgefahr.

 

Die schleichende Vernichtung der irakischen Christen

Ich hatte heute Besuch von vier irakischen Christen, die dieser Tage auf Einladung des Goethe-Instituts in Deutschland sind.

Was sie mir über ihre Lage erzählt haben, ist sehr aufwühlend. Sie hatten auch Bilder dabei, die ich wohl so schnell nicht vergessen werde. Auf ein solches Grauen war ich nicht vorbereitet. Ein wenig bin ich immer noch unter Schock, vielleicht hilft es da, ein paar Eindrücke aufzuschreiben.

Nabeel Qaryaqos ist Journalist in Baghdad. Er sagt, wenn er schreiben würde, was er denkt und was er für richtig hält, würde er umgebracht. Über die grassierende Korruption kann er nicht ohne Lebensgefahr berichten. Seine Tochter, auch sie Christin, wird in der Schule gezwungen, den Koran zu lernen. Seine Frau, eine Ingenieurin, kann nicht mehr an der Uni unterrichten, weil sie sich weigert, ein Kopftuch anzulegen. (Auch sie ist Christin.) Abends klopfen Leute an die Tür und rufen: Haut ab! Sie hinterlassen auch Zettel mit Drohungen. Die Christen sollen aus Bagdad, aus dem ganzen Land verschwinden. Über so etwas kann er nicht schreiben, sonst bringen sie ihn gleich um. Herr Qaryaqos erzählt von einer Familie, die sich nach jahrelanger Einschüchterung entschlossen hatte, auszuwandern. Sie verkauften ihr Haus, allerdings zu einem viel zu geringen Preis – weil ja bekannt war, dass sie unter Druck standen wegzugehen. Nach dem Verkauf wurde die Familie überfallen und ermordet. Das Geld aus dem Hausverkauf wurde gestohlen.

Aziz Emanuel Al-Zebari ist Sprecher des „Chaldean Syrian Assyrian Popular Council“, einer Dachorganisation der chaldäischen Christen im Irak, einer der ältesten christlichen Gemeinschaften weltweit. Christen hätten keine Rechte im Irak, sagt der exzellent englisch sprechende Herr Al-Zebari, der in Erbil Englisch lehrt. Sie werden bestenfalls als „Dhimmis“ behandelt und müssen oft die islamische Kopfsteuer (Jiziya) an islamistische Gruppen bezahlen, die wie Mafiosi ihnen gegenüber auftreten. Man versuche systematisch, Christen aus ihren Häusern und Wohnvierteln zu verdrängen und ihnen ihr Eigentum wegzunehmen. Moscheen werden in Christengegenden gebaut, um den Machtanspruch des Islams zu demonstrieren. Iran und Saudiarabien, sonst verfeindet, würden beide jene Gruppen unterstützen, die den Irak vom Christentum reinigen wollen. Ein halbe Million Christen hat den Irak bereits verlassen, eine weitere halbe Million hält sich noch, vor allem im kurdischen Norden. Aber viele seien als Binnenflüchtlinge dorthin gekommen und hätten keine Lebensgrundlage. Das chaldäische Christentum, so schildert es Herr Al-Zebari, steht vor dem Aus. Die einzige Lösung wäre eine autonome Region, sagt er, so wie die Kurden eine haben. Ohne einen sicheren Hafen sei die Jahrtausende alte christliche Kultur, die lange vor dem Islam in Mesopotamien zuhause war, in wenigen Jahren am Ende. Seine eigene Familie ist schon teils im Ausland.

Dr. Samir S. Khorani, ein (christlicher) arabischsprachiger Professor für Literaturkritik an der Salahadeen Universität von Erbil, schließt sich dem Plädoyer an. Die Welt solle den Christen lieber im Irak helfen, statt sie zu Flüchtlingen zu machen. Nur dort könnten sie auf Dauer ihre Kultur bewahren. Mit Saddam Husseins Förderung des politischen Islams in seiner späten Phase habe das Elend angefangen. Christen, die Ureinwohner des Landes, wurden schon unter Saddam zunehmend zu „Ungläubigen“ umdefiniert. Nach der Invasion von 2003 wurden sie zur Zielscheibe des Hasses vor allem der Sunniten auf den Westen, auf Amerika. Die einheimischen Christen, sagt Herr Khorani, haben den Preis für den Krieg bezahlt, weil man sich an ihnen ohne Risiko schadlos halten konnte. Sie wurden als Verräter gebrandmarkt, weil man automatisch annahm, sie hätten die Amerikaner gerufen. Weil im Irak seit 2005 die Scharia als Maßstab der Gesetzgebung gilt, sie die institutionelle Diskriminierung von Christen programmiert. Was den Christen im Irak angetan werde, sei ein „Genozid in Zeitlupe“. Täglich würden Christen in Mossul und Bagdad ermordet.

Abdulla Hermiz Jajo Al-Noufali ist Chef der staatlichen Stiftung für „Christen und andere Religionen“ in Bagdad. Er sagt, die Christen seien das Ventil für den innerislamischen Hass zwischen Sunniten und Schiiten. Das ist die einzige Sache, über die sich die Extremisten in beiden muslimischen Lagern einig seien: der Hass auf die Christen. „Hier bei euch in Europa verlangen Muslime die Gleichstellung mit anderen Religionsgemeinschaften, selbst wenn die Muslime nicht Bürger dieser Länder sind. Wir aber sind die Ureinwohner des Irak und haben keine Rechte. Alles, was wir verlangen, ist folgendes: Behandelt uns in unserem eigenen Land so, wie die Muslime in Europa behandelt werden. Das würde uns schon reichen.“ Schiiten, sagt Herr Al-Noufali, seien etwas weniger schlimm als die radikalen Sunniten, deren Agenda von Al-Kaida bestimmt werde. Und dies deshalb, weil die Schiiten selber jahrhundertelang von den Sunniten verfolgt und unterdrückt wurden. Auch theologisch seien die Schiiten wesentlich gesprächsbereiter als die Sunniten, bei denen die Salafiten den Ton angeben. Trotzdem: das Ende des Christentums in Mesopotamien stehe bevor, wenn die internationale Gemeinschaft nicht bald handele.

Und dann holt er ein Album hervor. Er will mir zeigen, was in der Kirche „Maria Erlöserin“ in Bagdad am 31. Oktober passiert ist. (Ein Massaker, das bei uns kaum Reaktionen ausgelöst hat.) Ein Al-Kaida-Kommando hatte das Gotteshaus am Sonntagabend überfallen, die Gottesdienstbesucher als Geiseln genommen. Am Ende des Gemetzels waren 58 Menschen tot, mehr als 70 verletzt.

Ich blättere: Blutspuren an allen Wänden, an der Decke, zwei tote Priester im Ornat, eine Mutter mit einem totem Baby, noch eine Mutter mit totem Baby, ein Leichenfetzen hängt im Kronleuchter, ein Stück Fleisch liegt zwischen Kirchenbänken, und dann: Tote, Tote, Tote. Eine Gruppe von Menschen, erklärt Herr Al-Noufali, hatte sich in einen hinteren Raum zurückgezogen und diesen mit Regalen verrammelt. Zwei Islamisten sprengten sich am Eingang des Raumes in die Luft, um den Weg freizubekommen. Dann warfen andere aus dem Kommando Granaten in die betende Menge.

Die Zeit ist um, die vier Herren ziehen weiter, um anderen Journalisten und Abgeordneten von der Lage ihrer Leute zu erzählen.

Herr Al-Zebari sagt, er werde noch einen Abstecher nach Schweden machen, bevor er in den Irak zurückkehrt. Dort wohnt ein Teil seiner Familie. „Haben Sie von dem Anschlag in Stockholm gehört?“ fragt er mich. Natürlich, sage ich, und verweise auf den irakischen Hintergrund des Täters. „Wir fühlen mit Ihnen, wenn dieser Wahnsinn jetzt nach Europa kommt“, sagt Herr Al-Zebari.

 

Der Ipad-Bomber von Stockholm

Der Selbstmordattentäter von Stockholm, konnte ich heute morgen schon in der Presseschau des Deutschlandfunks hören, sei ganz offenbar ein Einzeltäter-Desperado. Darum sei es auch richtig, einfach cool zu bleiben und die offene Gesellschaft nicht in Frage zu stellen.

Hat das irgendwer getan? Ruft jemand nach irgendwelchen irrationalen neuen Sicherheitsmaßnahmen? Muss ich verpasst haben.

Woher bloß haben manche Kollegen den Mut, über ein Attentat, das gerade erst geschehen ist, so weitgehende Meinungen aufzustellen – und es gleich wieder zur Nummer im Debattenzirkus über Innere Sicherheit zu verwandeln?

Unterdessen stellt sich nämlich heraus, dass der Täter einen britischen Hintergrund hat. Und das ist doch wohl interessant. Taimour al-Abdaly hat in Bedfordshire studiert und hat auf sozialen Netzwerken einige Spuren hinterlassen. Er scheint Verbindungen nach Luton zu haben, einem Hotspot des britischen Dschihadismus, der auch bei den Attentätern von 7/7 schon eine Rolle spielte Mohamed Sidique Khan, der Kopf der Londoner Bomber, hat hier seinen Al-Kaida-Kontakt getroffen.

Also scheint es doch möglicherweise einen Hintergrund von Helfern und Anstiftern zu geben. Und was heißt überhaupt „Einzeltäter“? Soll das heißen, aus der Radikalisierung dieser Männer ließen sich keine Schlüsse ziehen? Scheint mir voreilig. Der Guardian berichtet folgendes:

A profile on the Muslim dating site Muslima says Abdaly was 29 years old (another site claims it was his birthday today) and that he is „looking for my wife (2nd)“. He describes himself as being 5ft 3ins tall and weighing 93kg (14.6 stone). He was born in Baghdad, and moved to Sweden in 1992.

In 2001 he was apparently a high school student in a village in Sweden before moving to Britain to study at the University of Bedfordshire for a BSc in physical therapy. He spoke English, Arabic and Swedish. It is believed he met his wife in Bedfordshire before bringing her to Sweden.On his Facebook profile, Abdaly’s likes are a mixture of Islamic and technological – „I’m a Muslim and I’m proud“, „the Islamic Caliphate state“, „Yawm al-Qiyamaah [the Islamic day of judgment]“, but also „I love my Apple iPad“. The Swedish newspaper Aftonbladet quotes friends who paint a picture of Abdaly as enjoying playing basketball and a good party, yet who had become increasingly angry over the past few years.

A look at his Facebook wall postings show a trend in the links he posted – from video clips from comedy shows in April to increasingly graphic videos. One shows a blindfolded Iraqi man being taunted and abused by US soldiers. Several more are part of a series on „Russian war crimes in Chechnya“. Others show speeches given by radical mullahs.

The email he sent shortly before he blew himself up does not just contain a warning. It also has a message to his family: „I never travelled to the Middle East to work or earn money, I went there for jihad.“ It apologises to his family for not telling them what he was planning. He says he loves his family, and asks his wife to give a kiss to the children from him. It ends „Tell them that Daddy loves them.“

Daraus lassen sich vorerst folgende Schlüsse ziehen: Dieser Täter gibt schwedenspezifische Gründe für seine Tat an (z.B. die Karikatur von Lars Vilks), aber seine Radikalisierung ist vielleicht im Kontext der britischen Dschihadiszene zu sehen. In anderen Worten: Englands radikale Muslime werden zum europäischen Problem. Das scheint ein Muster zu werden: Immer ist irgendeine Begründung zur Hand (Karikaturen, Irak, Tschetschenien), warum der wütende junge Mann sich in die Luft jagen muss. Aber der Zusammenhang zur Tat wird immer beliebiger: Weihnachtseinkäufer in Stockholm umbringen wegen des Einsatzes in Afghanistan oder wegen Lars Vilks? Gaga.

Leute wie er sind sehr schwer zu bekämpfen, weil die Radikalisierung oft schnell vor sich geht und stark übers Internet gesteuert ist. Wie soll man jemanden zu fassen kriegen, der sich perfekt in die zeitgenössische Welt einpasst („I love my Ipad“) und zugleich auf einer Dating-Seite eine Zweitfrau sucht (mit Billigung seiner ersten Frau!), und der im selben Atemzug das Kalifat verherrlicht? Selbst die eigene Familie hat er belogen über den Sinn der Reise in den Nahen Osten. Wo ist er ausgebildet worden?

Zum Glück haben sich die letzten Selbstmordattentäter als technische Amateure herausgestellt – vom Unterhosen- über den Times Square-Bomber bis zu dem Weihnachtsmarktkiller von Stockholm. Auf Facebook hat sich schon eine „Darwin-Preis“-Seite gebildet, die ihn sarkastisch dafür ehrt, die Welt um seine Anwesenheit erleichtert zu haben. Sarkasmus ist sicher besser als Panik. Aber wir müssen mehr über diese Leute lernen, die mitten unter uns leben und sich mit interessierter Hilfe in lebende Zeitbomben verwandeln.

 

Islam, Islamismus und der Westen

Das Mideast Freedom Forum hat nun ein Video meiner Debatte mit Daniel Pipes hochgeladen.
(Sehr lang. Aber das Tolle am digitalisierten Leben ist ja die Vorspulfunktion, die im analogen Alltag leider noch fehlt.)

Daniel Pipes, Jörg Lau debate „Islam, Islamism and the West“ from Mideast Freedom Forum Berlin on Vimeo.

 

„Die Islam-Debatte ist primitiv“

Meint Daniel Pipes in einem Interview mit Ramon Schack (in der NZZ), das anläßlich unseres Berliner Disputs geführt wurde.

Zitat:

„Wie beurteilen Sie eigentlich die aktuelle Debatte in Europa und den USA um den Islam, die Integration von muslimischen Einwanderern usw.?

Die aktuelle Islam-Debatte im Westen ist primitiv. Unsere Probleme bestehen doch nicht aus Moscheebauten, Minaretten oder Kopftüchern. Es handelt sich um eine Phantomdebatte, an den eigentlichen Problemen wird vorbeidiskutiert. Wir müssen Massnahmen ergreifen, um die unbestrittenen, einmaligen Vorzüge der westlichen Zivilisation zu verteidigen, und dabei die Herzen der moderaten Muslime gewinnen, nicht aber Hysterie und Misstrauen streuen.

Sie selbst haben den niederländischen Politiker Geert Wilders öffentlich unterstützt. Begrüssen Sie den Aufstieg von islamfeindlichen, rechtspopulistischen Parteien in Europa?
Wilders‘ politische Agenda ist natürlich bizarr und nicht ernst zu nehmen, sein Parteiprogramm voller unhaltbarer Versprechungen und einfacher Lösungen. Allerdings hat er das Recht, seine Meinung zu äussern. Ich betrachte es als Skandal, dass er nicht ohne Leibwächter das Haus verlassen kann. Der Aufstieg dieser Parteien in Europa, die ja keinen einheitlichen Block bilden, ist das Resultat eines Versagens der politischen Klasse. Es wäre den etablierten Politikern und Parteien zu raten, sich dieses Themas anzunehmen, die Debatte zu führen und zu moderieren. Andernfalls wird die innenpolitische Lage in Europa weiter eskalieren, mit einer zunehmenden Radikalisierung auf allen Seiten.“

Mit diesen Äußerungen habe ich überhaupt kein Problem. Aber ich muss sagen, dass ich Pipes nicht verstehe, und das wird durch dieses Gespräch unterstützt. Er heizt doch selber eben jene haltlosen Debatten mit an, die er hier nun plötzlich als „primitiv“ oder „hysterisch“ bezeichnet. Er war es doch, der die geplante Moschee am Ground Zero als „Triumphalismus“ denunzierte. Er war es, der sogar noch die muslimische Miss America runtermachte zu einem Beleg für politische Korrektheit und affirmative action (lies: Dhimmitum auf seiten der Juroren). Er stilisiert das angebliche Verbot von Sparschweinen in England zum Beleg für für die Islamisierung Europas.

Und Wilders: Dass er ihn nun so runtermacht, wundert mich auch, denn er begrüßt ausdrücklich das Aufkommen rechtspopulistischer Parteien überall in Europa. So geschehen in unserer Debatte vorletzten Mittwoch in Berlin.
Mir fehlen die Worte dafür, dass er die  Türkei langfristig als eine „größere Bedrohung“ denn Iran ansieht und sie als schechthin „verloren“ für den Westen abtut. In Berlin hatte er sogar gesagt, die Türkei sei „the enemy“. Zugleich wird aber Iran als so gefährlich hingestellt, dass Obama „endlich handeln“ müsse, vulgo: bombardieren.
Und so hat man immer einen Feind im Ärmel. Ist der Iran erst ausgeschaltet, muss man sich etwas für den langfristigen „Feind“ Türkei überlegen.

 

Der Facebook-Dschihad

Ein ausführlicher Artikel in der Washington Post beschäftigt sich mit Zachary Adam Chesser, der Lesern dieses Blogs nicht unbekannt ist. Er war einer der Aktivisten von „Revolution Muslim“, der amerikanischen Konvertiten-Truppe, die im Frühjahr gegen South Park agitiert hatte. Chesser ist unterdessen vom FBI einkassiert worden, als er versuchte, die USA in Richtung Somalia zu verlassen, um sich dort Al-Shabab anzuschließen.
Die Geschichte über die Instant-Radikalisierung dieses jungen Mannes aus North-Virginia ist sehr aufschlussreich, weil sie zeigt, welche Rolle das Internet heute für die Agitation spielt. Chesser hatte durch das Internet Kontakt zu dem jemenitisch-amerikanischen Terroristen Al-Awlaki aufnehmen können. Er selber verbreitete Videos auf Youtube und nutzte das Web, um gegen South Park zu agitieren.
Chessers Radikalisierung erinnert an viele andere vergleichbare Karrieren, die wir in den letzten Jahren mitbekommen konnten. Etwa bei den „Sauerländern“, die in Deutschland Anschläge geplant hatten.

For Chesser, it was the latest – and perhaps most unlikely – in a series of identities he’d experimented with, then discarded.

Other attempts to define himself had proved harmless. „If he’d lived in L.A.,“ observed one person close to him, „he would have been a Scientologist.“

Instead, Chesser faces up to 30 years in prison and a label that will haunt him for the rest of his life: terrorist.

While much about what prompted Chesser’s transformation remains a mystery, he illustrates a growing phenomenon in the United States: young converts who embrace the most extreme interpretation of Islam.

Of the nearly 200 U.S. citizens arrested in the past nine years for terrorism-related activity, 20 to 25 percent have been converts, said Oren Segal, director of the Anti-Defamation League’s Center on Extremism. More than a quarter have been arrested in the past 20 months. The center provided The Washington Post with saved copies of Chesser’s postings, most no longer available on the Web.

„Many of these converts are basically white kids from the suburbs“ in search of a community, said Segal, whose group has produced numerous papers on those arrested, including Chesser. They are overwhelmingly male, frequently in their 20s and eager to „become something more than they are, or be part of something greater,“ he said.

Their militancy is not a product of the alienation that has sometimes prompted Muslim-born young people in the United States and elsewhere to embrace extremism, particularly in the years since the Sept. 11, 2001, attacks and the beginning of the wars in Afghanistan and Iraq.

Growing up, they were not the target of anti-Muslim slurs or discrimination. Instead, extremist converts often cultivate their sense of outrage online, where they have access to radical English-language Web sites, videos and forums that didn’t exist 10 years ago.

The ADL thinks that thousands of Americans are consuming this material. While most do little more than read blog posts or watch videos, some go further.

Chesser hatte erst in seiner Schulzeit Kontakt zum Islam, wahrscheinlich durch eine Liebesgeschichte. Er wird als orientierungssuchendes Mittelschichtenkind beschrieben. Die Scheidung der Eltern scheint eine Rolle gespielt zu haben.
Nach seiner Konversion zeigen sich typische Konvertiten-Mucken: Man will hundertprozentig sein, beschäftigt sich obsessiv mit Äußerlichkeiten wie der Bartlänge und dem korrekten Gewand. Man kleidet den Selbsthass in islamische Gewänder. Vieles erinnert an frühere Formen von radical chic.
Und dabei sind die neuen digitalen Medien natürlich ein Göttergeschenk, denn sie erlauben das Leben in einer Phantasiewelt gleichgesinnter Kämpfer, ohne das Kinderzimmer oder die Studentenbude jemals verlassen zu müssen. Sie ermöglichen auch die Phantasie einer globalen Wirkungsmacht, potenziell von jedem Ort der Welt aus, Internetzugang vorausgesetzt.
Für die Terroristen im engeren Zirkel der Netzwerke bieten die sozialen Medien umgekehrt einen idealen Rekrutierungsmechanismus. Sie durchforsten die Foren und die sozialen Medien nach jungen Männern, die sie für ihre Zwecke einspannen können.

 

Wie man Hassprediger stoppt

Der Lesben-und Schwulenverband Berlin zeigt wie man’s macht. Mehrere durch besonders homophobe Predigten aufgefallene Prediger wollten am kommenden Samstag im Berliner Schillerkiez ein Seminar abhalten. Der LSVD sieht die Schwulenhetze von radikalen Islamisten mit Sorge. Also hat man angefangen, mit einigen Berliner Moscheen zu diesem Thema Gesprächskanäle zu eröffnen. Als Ergebnis ist nun der Auftritt der Hassprediger abgesagt worden:

Seminar von islamistischen Hasspredigern in Neukölln abgesagt
Muslime und Nicht-Muslime gemeinsam gegen Islamisten
 
Das am morgigen Samstag in Berlin-Neukölln geplante „Islam-Seminar“ der drei radikalsten islamistischen Hassprediger Deutschlands wurde laut Nachrichtenagentur dapd kurzfristig abgesagt. Die Prediger Abu Dujana, Abdullatif und Ibrahim Abou-Nagie hetzen gegen Homosexuelle und legitimieren dabei Gewalt und die Ideologie des bewaffneten Dschihad. In der Bangladesch-Moschee Baitul Mukarram im Neuköllner Schillerkiez sollte das Seminar stattfinden.
 
Ein Großteil der Berliner Moscheen hatte bereits in den vergangenen Wochen einen Auftritt der drei Islamisten abgelehnt. Nach kritischen Berichten in der Tagespresse hat auch der Trägerverein der Moschee Baitul Mukarram die zunächst zugesagte Veranstaltung abgesagt.
 
Hierzu erklärt Jörg Steinert, Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg:
 
„Insbesondere für Homosexuelle sind solche Hasspredigten unerträglich. Muslime und Nicht-Muslime müssen sich gemeinsam gegen den Islamismus wenden. Ein friedliches, respektvolles Miteinander gilt es zu verteidigen.“
 
Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg befindet sich im interkulturellen Dialog mit mehreren Berliner Moscheen. Dieser Dialog wird in den kommenden Monaten weiter ausgebaut und intensiviert.

 

Wie die Deutschen den (modernen) Dschihad erfanden

Interessantes neues Buch über die Bagdad-Bahn:

Under the influence of the irrepressible Middle Eastern scholar and enthusiast Baron Max von Oppenheim, the Germans devised the stratagem of having Jihad, Holy War, pronounced in fatwas (in Turkish, fatvehs) against all infidels except Germans, Austrians, Americans, and any other ally of the Porte or any significant neutral. Some thought this message was likely to prove confusing to fanatics bent on murdering anyone who did not look Turkish or Arab, and the thought proved prescient. Its main aim was to get the huge number of Muslim subjects of the British Empire to rise against their masters, thus saving Germany and its allies the trouble of defeating Britain themselves.

In the words of the American ambassador to the Porte, Henry Morgenthau, “the Kaiser’s desire” was “to let loose 300,000,000 Mohammedans in a gigantic St Bartholomew’s Day massacre of Christians.” One of the pamphlets distributed by the Germans blamed what it called “the state of degradation to which the World of Islam as arrived” on the European Christians who in India, Egypt and the Sudan had subjugated hundreds of millions of Muslims. And the worst of these “enemies of God,” said the pamphlet, were “the infidel English”. The pamphlet told Muslims everywhere “that from today Holy War has become a sacred duty and that the blood of the infidels in the Islamic lands may be shed with impunity (except those who enjoy the protection of the Muslim power and those to whom it has given security and those who confederate with it).” And in a phrase that remains chillingly resonant today, the pamphlet concluded, “The killing of the infidels who rule over the Islamic lands has become a sacred duty, whether it be secretly or openly; as the great Koran declares in its word: ‘Take them and kill them wherever you come across them’.”

Quelle.

 

Die Wurzeln des iranischen Antisemitismus

Der Sprecher der „Liberalen Studenten des Iran“, Saeed Ghasseminejad, hat einen hilfreichen Artikel über die Quellen des modernen Antisemitismus im Iran geschrieben. Er beschreibt kurz und knapp, wie der deutsche und der französische Faschsimus, der russische Kommunismus, eine bestimmte Lektüre der koranischen Quellen über Mohammed und die Juden und zuletzt der Tiersmondisme zu der verhärteten antisemitischen Haltung des Regimes führten.

Wichtig scheint mir sein Hinweis, dass Antisemitismus – so sehr er nun zu Obsession der Herrschenden geworden ist – keine tiefen Wurzeln in der langen Geschichte des Iran hat. Und ich hoffe, dass Ghasseminejad (Jg. 1982) auch Recht damit hat, dass die jüngere Generation dieser Obsession befremdet gegenübersteht und sie nicht teilt. Ghasseminejad lebt nach den Exzessen des letzten Jahres gegen die Grüne Bewegung in Paris.

Zitat:

„Anti-Semitism in Iran is a new obsession. Literature is a mirror which reflects the thoughts of a nation during its history. In Persian literature the Jews are not the bad characters. To be more precise Persian literature does not really speak about the Jews as much. Anti-Semitic thoughts began to become popular in Iran some years before the Second World War. It can be said that anti-Semitism in Iran has four roots.

1   German and French Fascism:

Many students were sent to Europe, mostly Germany and France, a few years before the beginning of the Second World War. These students became the architects of new Iran. Unfortunately one of the things they brought back as a gift was anti-Semitism which was widespread in Germany and France then. Ahmad Fardid was a good example of such students. He went to France and came back a disciple of Heidegger, a fascist and an anti-Semite. After the Islamic revolution in 1979 he became the spiritual guide of Islamist and anti-Semite militia-intellectuals and tried to justify ayatollah Khomeini’s anti-Semitic and anti-liberal efforts by combining Islam and fascism…“

 

Warum eine Moschee am Ground Zero legitim ist

Obamas Iftar-Rede finde ich wieder einmal bemerkenswert. Ich bewundere diesen Mann für seine Fähigkeit to cut through the bullshit, wie es so schön heißt. Klasse Mann, ein Präsident für Erwachsene.

Ist er unterdessen zurückgerudert, weil er ja später nachgeschoben hat, seine Bemerkungen haben nicht der Frage gegolten, ob es „weise“ sei, eine Moschee am Ground Zero zu errichten (nur ob es legitim sei)? Sehe ich nicht so. Er nimmt ja die Frage der Gefühle der New Yorker schon auf, wenn er von „heiligen Boden“ spricht, wo einmal die Türme waren.

Und dann gegen Ende seine Erinnerung daran, gegen wen „wir kämpfen“ (Muslime einbegriffen) – gegen die vor allem Muslime mordende Al-Kaida.

D a s  ist die moral clarity, von der sein Vorgänger und seine verrottete Partei immer nur reden.

(Unglücklich über Obamas Position ist auch der Religionskritiker Sam Harris, was allerdings nicht sehr überrascht. Aber in dessen Stück sind immerhin nicht nur fiese Unterstellungen drin.)

Hier der Text der Präsidentenrede:

„Hier im Weißen Haus ist die Einladung zum Fastenbrechen eine Tradition, die mehrere Jahre zurückreicht, ebenso wie unsere Feiern zu Weihnachten, zum Seder und zum Lichterfest. Mit diesen Veranstaltungen würdigen wir die Rolle, die der Glaube im Leben der Amerikaner spielt. Sie führen uns vor Augen, dass wir alle Kinder Gottes sind und dass unser Glaube uns Kraft und Sinnhaftigkeit gibt.

Diese Veranstaltungen sind auch eine Bestätigung dessen, wer wir Amerikaner sind. Unsere Gründerväter wussten, dass der Glaube am ehesten dann seinen Platz im Leben unserer Bürger haben würde, wenn die Freiheit der Religionsausübung geschützt wird. Im Gesetz von Virginia zur Religionsfreiheit (Virginia Act of Establishing Religious Freedom), schrieb Thomas Jefferson, dass „alle Menschen ihre religiösen Meinungen frei bekunden und durch Argumente behaupten sollen können“. Mit dem ersten Verfassungszusatz wurde Religionsfreiheit als Gesetz im ganzen Land verankert. Dieses Recht wurde seitdem gewahrt.

Innerhalb unserer Grenzen konnte Religion sich im Verlauf unserer Geschichte genau deshalb entfalten, weil die Amerikaner das Recht hatten, ihren Glauben so zu praktizieren, wie sie es wollten – und dazu zählt auch die Möglichkeit, keinem Glauben anzugehören. Es ist ein Zeugnis der Weisheit unserer Gründerväter, dass Amerika zutiefst religiös ist – eine Nation, in der Menschen unterschiedlichen Glaubens friedlich und in gegenseitigem Respekt miteinander leben ist ein scharfer Kontrast zu den religiösen Konflikten, die andernorts auf der Welt andauern.

Das heißt nicht, dass Religion frei von Kontroversen ist. Seit einiger Zeit erhält der Bau von Moscheen in einigen Gemeinden – insbesondere in New York – verstärkte Aufmerksamkeit. Wir müssen alle die Befindlichkeiten erkennen und respektieren, die mit der Entwicklung von Lower Manhattan einhergehen. Die Anschläge vom 11. September waren für unser Land zutiefst traumatisch. Der Schmerz und das Leid, das jene erfahren mussten, die Angehörige verloren haben, sind unvorstellbar. Ich bin mir also der Emotionen, die dieses Thema hervorruft, bewusst. Ground Zero ist zweifellos heiliger Boden. Weiter„Warum eine Moschee am Ground Zero legitim ist“