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Paul Berman über Obama und Israel

Paul Berman, ein „linker Falke“, der das Kunststück versucht hat, die Irak-Invasion zu verteidigen und Bush zu kritisieren, über Obama und Israel (in einem auch sonst lesenswerten Interview aus dem März über den Gaza-Krieg und die Folgen):

What does the election of Barack Obama mean for America? Do you think that American support for Israel will continue under his Administration?

I’m enthused by Obama. And, in my enthusiasm, I find myself thinking: this election has been the most inspiring event in American history. The American Revolution was inspiring, and the Civil War and Lincoln likewise, and Franklin Roosevelt and the victory over fascism, and all that – inspiring events because they signaled big forward steps for democracy. But there has always been something wrong with America, and the claim to be democratic has always contained an extra clause. And so, each of those big successes in the American past has been accompanied by a small, unobtrusive asterisk, which leads your eye to the bottom of the page, where you find the extra clause, which says: „Democracy is fine and good for most people, and yet, for various unfortunate reasons, one part of the American population is hereby excluded.“ The asterisk has meant that America is living a lie. Even at America’s grandest moments. But no longer! Not on this one point, anyway. The election just now is the first large event in American history that can be recorded without an asterisk.

The old-fashioned antisemitic right-wing is completely on the outs, for now. As for the anti-Zionist left in America: The Nation magazine, the Answer movement, the professors who want to boycott Israel (now, that’s an interesting phenomenon!) – these kinds of tendencies are pretty marginal, in America. The views of The Nation magazine on the Middle East are represented in the degree of about five percent in the Obama administration. We have every reason to believe that President Obama will be totally sympathetic to Israel’s principle policy, namely, the policy of continuing to exist. I don’t know everything that Obama will do – but he won’t adopt his measures on the basis of an unstated antipathy to Israel.

Now, if the new administration were capable of taking a wider view of the problem in the Middle East than the Israelis themselves are sometimes capable of taking – would that be bad? It’s good that Obama has expressed a compassion for the Israelis who have lately suffered – but also for the Palestinians.

There is every reason to weep for Gaza, even if we can understand why the government of Israel is not awash right now in those particular tears. And there is every reason for the United States to do whatever can be done to help the Palestinians to a better life, liberated from these pathological ideologies whose adherents keep condemning their fellow Palestinians to ever lower rungs of suffering and sorrow. I don’t know how much the United States can do to help the Palestinians throw off Hamas and a number of other groups, but, however much it is, I hope that Obama does it. To be pro-Israel is good – but the United States should show herself to be pro-Palestinian, too, in the simple belief that, in the long run, a pro-Israel position has to be pro-Palestinian, too, and vice versa.

 

Von Kairo nach Buchenwald und Dresden

Bei seiner großen Rede in Kairo hat Obama deutlich gemacht, warum er das KZ Buchenwald besuchen wird. Er wird in dem Lager bekräftigen, dass der Holocaust eine unleugbare Tatsache ist.
Es war atemberaubend, wie entschieden und deutlich der amerikanische Präsident sich dem Antisemitismus und der Leugnung der Shoah entgegenstellte – im Herzen der arabischen Welt, in der Judenhass – oft im Gewand der Israelkritik – leider längst Teil der offiziell geduldeten Populärkultur geworden ist.
Natürlich ist der Buchenwald-Besuch auch eine Geste gegenüber dem Iran, dessen Präsident nur einen Tag zuvor wieder einmal vom Holocaust als einem „Betrug“ gesprochen hatte.
Die fast 3000 Studenten und Würdenträger in der Kairoer Universität haben sich wohl noch nie in so klaren Worten anhören müssen, dass die Judenvernichtung durch das NS-Regime eine legitime Quelle des israelischen Wunsches nach einem jüdischen Staat darstellt. Mehr als 6 Millionen Juden wurden ermordet, führte Obama in Kairo aus – mehr Menschen als heute in Israel leben.

Obama sparte nicht mit Kritik an der israelischen Siedlungspolitik, die die Möglichkeit eines palästinensischen Staates – das Ziel des Roadmap-Prozesses – untergräbt. Und er nannte die Situation der palästinensischen Flüchtlinge „unterträglich“. Er bot sich durch die Klarheit seiner Worte zu beiden Seiten als ehrlicher Makler an, der die Parteien in ihren legitimen Ansprüchen akzeptiert.
Bei manchen Israelis löst die neue Balance der amerikanischen Nahostpolitik Ängste aus: Denn nun wird nicht nur mit den „moderaten“ Kräften in der Region verhandelt, sondern früher oder später auch mit denen, die Israels Existenzrecht bestreiten oder dem Staat seine Anerkennung verweigern wie  Hamas, Hisbollah und ihre Paten Syrien und Iran. Heißt das nicht jenen nachgeben, die Israel von der Landkarte tilgen wollen?
Nein. Obama macht in Kairo und Buchenwald klar, dass dem keineswegs so ist: Voraussetzung für solche Verhandlungen ist, dass jüdisches Leiden unter den Nazis und die Legtimität des israelischen Staates anerkannt werden. Erst dann kann man sinnvoller Weise Zugeständnisse erwarten. (Natürlich gilt die gleiche Logik auch für palästinensisches Leiden und den Wunsch nach einem palästinensischen Staat.)

In Deutschland waren im Vorfeld dieses Besuchs kleinliche Stimmen zu vernehmen, die sich darüber beklagten, dass Obama Deutschland durch diesen Besuch selektiv wahrnehme und auf die  Vergangenheit reduziere. Auch war zu hören, er komme hauptsächlich aus taktischen Überlegungen hierher. Obama besucht nämlich bei diesem Nahost-Trip Israel nicht. Und da kann es nicht schaden, so wurde insinuiert, in Buchenwald Zeugnis abzulegen, um die jüdische Öffentlichkeit zu beruhigen. Wenn schon nicht Israel, so wenigstens ein KZ – das war die zynische Logik dieser Unterstellung.
Das ist alles viel zu kurz gedacht: Denn der Präsident bezeugt in Buchenwald zwar zuerst den Opfern seinen Respekt – aber damit eben auch der deutschen Vergangenheitsbewältigung, der Basis für das wiedergewonnene Vertrauen der Welt nach dem Kriege. Dass Obama in Buchenwald – zusammen mit dem Überlebenden Elie Wiesel und der deutschen Kanzlerin – ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen will, gereicht Deutschland zur Ehre.
Und zweitens ist es mehr als bloss PR-Taktik Obamas, das KZ aufzusuchen, an dessen Befreiung sein Großonkel Charlie Payne beteiligt war. Obama zieht in Buchenwald einen geschichstpolitischen Strich und stellt seine neue Nahostpolitik auf ein festes Podest. Er sendet die Botschaft in den Nahen Osten: Dass wir jetzt mit (fast allen) reden, bedeutet nicht, dass wir uns mit Relativierern und Leugnern gemein machen werden.
Dass er – nebenher – auch noch ein wenig von Dresden zu sehen bekommen wird, passt übrigens auch in die Logik seiner Argumente, die er in Kairo ausführte. Dort riet er den Palästinensern, sich vom „gewalttätigen Extremismus“ zu distanzieren. Gewalt führe immer in die Sackgasse.
Und dann kam ein sehr geschickter und kluger Schachzug: Obama empfahl den Palästinensern den Kampf der Schwarzen in Amerika als Vorbild, den friedlichen Aufstand gegen die Apartheid, die  friedliche Revolution in Osteuropa gegen den Kommunismus. Allesamt erfolgreiche Kämpfe aus aus mindestens ebenso schwieriger Lage wie heute im Westjordanland und in Gaza.
Guter Punkt. Daran wird Obama in Dresden anknüpfen können, wenn er der Ereignisse in Ostdeutschland vor 20 Jahren gedenkt.

 

Der Wendepunkt im arabischen Denken

Abdul Rahman Al Rashed schreibt in der saudisch finanzierten Tageszeitung Asharq Alawsat über Obamas Chance:

Usually, pleasing the Arabs is an unachievable aim, because they blame Washington nearly for everything, whether it interferes or stays away. Washington is blamed for the dictatorships if it deals with them, and if it topples them, it will be accused of wanting to impose its political culture. It is blamed for all the contradictions: poverty, ignorance, occupation, terrorism, oppression, the support for the extremists, the hunt down of the Islamists, and even for the divorce of wives. Practically, Washington is the devil who is blamed for everything evil.

Obama should not get fed up with the huge amount he will hear in the region of urging him to settle the Arab-Israeli conflict, because this is praise for him. It is a new phenomenon that the Arabs, however different their political stances might be, consider that he is the trusted man who is capable of resolving the issue. This is a huge turning in the Arab thinking, which has been rejecting in principle the US mediator, and in the past had insisted on European and Russian participation as it believed that any US president would be biased in favor of Israel from the start.

 

„Natürliches Wachstum“: Der große Siedlungs-Schwindel

Shaul Arieli ist ehemaliger israelischer Brigade-Kommandeur für den Gaza-Streifen und hat als ehemaliger Chef der israelischen regierungsamtlichen Peace Administration an zahlreichen Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern teilgenommen. Er gilt als einer der führenden Experten zu Fragen einer möglichen zukünftigen Grenzregelung zwischen beiden Seiten.

Arieli hat sich die Zahlen zum Siedlungsbau in den besetzten Gebieten der Westbank vorgenommen und sie daraufhin untersucht, ob es sich bei dem Wachstum der Siedlungen um „natürliches Wachstum“ handeln kann, wie die israelische Regierung behauptet.

Das Ergebnis ist eindeutig: Nein. Es handelt sich um gezielte Einwanderungspolitik. Die folgende Tabelle entnehme ich der Website von Shaul Arieli.

Natural growth or growth by immigration?!

Government

Years

Settlements in the West Bank and Gaza

Israelis in the West Bank and Gaza

Neighborhoods in east Jerusalem

Israelis in east Jerusalem

Total

Cumulative total

Labor

67-77

32

6,000

11

32,000

38,000

38,000

Likud

77-81

47

11,000

26,000

37,000

75,000

Likud

81-84

37

29,000

20,000

49,000

124,000

Unity

84-90

26

46,000

1

32,000

78,000

202,000

Likud

90-92

2

15,000

5,000

20,000

222,000

Labor Likud

92-2001

4

93,000

2

52,000

145,000

367,000

Likud Kadima

2001-2009

100 Outposts

95,000

27,000

122,000

489,000

Total

127

295,000

14

194,000

489,000

So fasst Arieli seine Ergebnisse zusammen:

1. All Israeli governments established settlements in West Bank areas.
2. During the first 15 years, the Israeli government prioritized populating east Jerusalem with Jews.
3. Since 2001, unauthorized outposts have replaced the establishment of new settlements.
4. A third of the Israelis living in the West Bank and Gaza Strip moved there prior to signing the Oslo Accords (25 years), another third during the Oslo Accords period (8 years), and another third after it was frozen (8 years)!!!
5. 55% of the Israelis living in east Jerusalem moved there before signing the Oslo Accords and the rest during the Oslo Accords period or after it was frozen!!!
6. Natural growth for Jewish population is 1.6%.
7. The size of an average family in Israel is 3.1 persons.

In anderen Worten: In acht Jahren nach den Oslo-Verträgen wanderten genausoviele Menschen in die Westbank ein wie in den 25 Jahren zuvor. Und nach der Aussetzung des Oslo-Prozesses abermals so viele. In Oslo sollte die palästinensische Selbstverwaltung vorbereitet werden. Während also offiziell die Selbstverwaltung der Palästinenser ausgehandelt wurde, wurden auf dem Boden Fakten geschaffen, um sie zu torpedieren und die Landnahme in der Westbank voranzutreiben.

Akiva Eldar kommentiert die Zahlen Arielis in Ha’aretz:

The myth of „natural population growth“ doesn’t impress Col. (res.) Shaul Arieli, nor do the stories about little children from good Jewish homes who are left without a kindergarten. Arieli, who in the late 1990s served as deputy military secretary to former prime minister and incumbent Defense Minister Ehud Barak, did the calculations and found that one third of Israelis living in the territories (not including East Jerusalem) settled there during the Oslo years and another third after the peace process was suspended.

Expressed in numbers: From 1992-2001, the number of Jewish settlers increased by approximately 93,000 and four settlements were added; in the period from 2001-2009, another 95,000 settlers were added to the population and 100 additional outposts established.

As for East Jerusalem, 45 percent of Israelis living in East Jerusalem moved there after the Oslo agreement.
And now for the total: While 32 settlements (not including East Jerusalem) were established in the territories between 1967 and 1977, housing some 6,000 settlers, today 127 Jewish settlements can be found in the territories, alongside another 100 outposts, housing a total of 295,000 settlers.

It doesn’t take a demographer to deduce from Arieli’s figures that „natural population growth“ – even at a record 3.4 percent per annum (which is twice the national average among Jews) – cannot explain a 100 percent growth to the settlers‘ population in 2001-2009.

 

Wie die Siedler den Zionismus pervertieren

Seit Tagen geht es hin und her zwischen der israelischen Regierung und den USA im Streit um die Siedlungen in der Westbank.
Obamas Regierung verlangt einen vollständigen Stopp der Bauaktivitäten. Netanjahu hat zugesichtert, illegale Aussenposten zu räumen, aber das „natürliche Wachstum“ in den Siedlungen müsse erlaubt sein.
Unter dem Alibi des „natürlichen Wachstums“ ist freilich das Anschwellen der Siedlungen schon seit Jahren betrieben worden.
Jeffrey Goldberg bringt in seinem Blog die Perversion des Zionismus durch die Siedler auf den Punkt:

Here’s the thing: The settlers are arguing that their human rights would be violated if they were made to move to Israel. That’s right. It used to be that a person could fulfill his Zionist destiny in a place like Petah Tikva, but no more: Now, it’s a sin against God, apparently, to live anywhere but in a government-subsidized trailer on a barren hill in the mountains of Samaria.

Gut gegeben.

 

Was will Obama in Kairo und Buchenwald?

Obama wird seine womöglich bisher wichtigste Rede in der nächsten Woche halten – in Kairo wird er sich am kommenden Donnerstag an die „muslimische Welt“ richten.

Nun ist seinem länger angekündigten Besuch eine weitere Station hinzugefügt worden – Riad (hier ein Kommentar). Obama wird zuerst nach Saudi-Arabien reisen, bevor er in Kairo auftritt.

Am Tag nach seiner Kairoer Rede kommt er nach Deutschland, um Angela Merkel in Dresden zu treffen. Die beiden werden dort bilaterale Gespräche führen – vielleicht im Grünen Gewölbe – und eine Pressebegegnung abhalten. Dann wird es einen Besuch im KZ Buchenwald geben, bei dem Obama von Merkel und Steinmeier begleitet wird. Elie Wiesel, ein Überlebender der KZ Auschwitz und Buchenwald, der dort von den amerikanischen Truppen am 11. April 1945 befreit worden war, wird auch dabei sein.

Es ist noch nicht klar, ob Obama die Gelegenheit nutzen wird, sich weitere Teile von Dresden oder Weimar anzuschauen. Am Abend fliegt er weiter nach Paris, um am folgenden Tag an den Feierlichkeiten des 65. Jubiläums der Landung der Alliierten in der Normandie teilzunehmen.

Welch eine merkwürdige Reise: Riad, Kairo, Buchenwald, Normandie?

Dieser Verlauf ist ganz offensichtlich nicht von langer Hand geplant. Er hat sich so ergeben. Aber man kann dennoch eine Botschaft erkennen, die die verschiedenen Teile miteinander verknüpft.

Obama hat verschiedene Gründe, sich von Riad und Kairo aus an die Muslime zu wenden:

– er will den Friedensprozess wieder in Gang bringen und darum den „moderaten“ Kräften in der arabischen Welt den Rücken stärken, die bereit sind, Israel anzuerkennen

– zugleich erhöht er den Druck auf Israel, seinen Teil beizutragen (Siedlungsstopp, Bewegungsfreiheit in der Westbank, Aufhebung der Gaza-Blockade, Gespräche über den Endstatus)

– er will die Moderaten zugleich als Allianz gegen das iranische Atomprogramm sammeln und ihnen die Angst nehmen, dass er mit seinem Gesprächsangebot an die Iraner deren Hegemoniewünsche naiv bedient

– er will Salbe auf die Wunden streichen, die die Bush-Regierung mit ihrer Antiterrorpolitik gerissen hat.

Natürlich riskiert er mit diesem weitgehenden Ansatz, in Israel Ängste zu schüren, die amerikanische Schutzmacht verabschiede sich innerlich vom jüdischen Staat, der nur noch „irgendein Land wie jedes andere in Nahost“ sei.

Und da kommt nun der lange geplante Besuch im KZ Buchenwald sehr gelegen. Denn hier kann Obama ein Zeichen setzen, dass er Amerika weiter in der Pflicht sieht, gegen Antisemitismus und Holocaustleugnung aufzustehen. Eine Wurzel der Legitimität Israels – das „Nie wieder ohnmächtig zur Schlachtbank, nie wieder recht- und staatenlos“ – kann symbolisch gestärkt werden, wenn Obama nach seiner Rede an die Muslime in Buchenwald einen Kranz niederlegt. Und wenn seine eigene Familiengeschichte sich mit der Befreiung eines KZs verbinden läßt, weil sein Großonkel Charlie Payne 1945 hier als Soldat dabei war, dann hilft das auch Obama, seine Glaubwürdigkeit gegenüber Kritikern zu behalten, die ihm zu große Zugeständnisse gegenüber den Gegnern Israels vorwerfen.

Der Besuch in der Normandie – und zwischenzeitlich noch auf der amerikanischen Airbase in Landstuhl, wo die verwundeten Soldaten aus dem Irak und aus Afghanistan gepflegt werden – rundet diesen Eindruck ab: Hier zeigt sich der partiotische Obama, der zur Armee steht, die sich im Dienst von Freiheit und Menschenrecht sieht. Es wird schwer für die republikanischen Feinde seines Kurses, ihm vor dem Hintergrund dieser Bilder  einen Ausverkauf amerikanischer und israelischer Sicherheitsinteressen anzuhängen.

Aber: Alles hängt daran, wie die Besuche in Riad und Kairo laufen. Wird Obama dort die richtigen Worte finden? Wird er auch die Frage der Menschenrechte in diesen (extrem unpopulären) Diktaturen ansprechen?

Das ist ein Paradox dieser Reise: Obama besucht zwei arabische Staaten, deren Legitimität von vielen Muslimen (von den Liberalen bis zu den Islamisten) bestritten wird. Und ausgerechnet von dort aus wendet er sich an die muslimische Welt. Er kann seine Gastgeber natürlich nicht brüskieren, dann verliert er wichtige Partner im Friedensprozess. Doch wenn er sich einfach nur Arm in Arm mit ihnen zeigt, verliert er die Glaubwürdigkeit bei den Menschen, die beide undemokratische Regime kritisieren.

Einen Tag nach seinem Besuch – am Sonntag, den 7. Juni – wält der Libanon. Eine Woche nach Obamas Kairoer Rede wird in Iran gewählt. Wird Achmadinedschad wiedergewählt? Wird Hisbollah zur entscheidenden Kraft im multireligiösen Libanon?

Obama wird von vielen Wählern gehört werden, bevor sie ihr Kreuz machen. Auch über seine neue Nahostpolitik wird also abgestimmt werden.

 

Israelis und Palis – wie verwöhnte Kinder

Bradley Burston sagt es (in Haaretz), wie es ist:

In the case of Israel, the White House has stood often on the sidelines, politically neutralized, as the Jewish state undertook initiatives, in particular, settlement construction, which have proven painfully costly, morally dubious, and otherwise harmful – first of all, to Israel itself.

As the peace process unraveled in the late 1990s and then-prime minister Netanyahu burned through political capital in visits to Washington, senior Clinton administration Mideast official Aaron David Miller famously recalled that „all of us saw Bibi as a kind of speed bump that would have to be negotiated along the way until a new Israeli prime minister came along who was more serious about peace.“

In the case of the Palestine that has yet to arise, global donors who lavished hundreds of millions of dollars and euros in aid, failed to require that the funds be spent on the needs of the needy, and the phantasmagoria of corruption that ensued led directly to the rise of Hamas, the crippling of Fatah, and the collapse of the peace process.

As in the case with spoiled children, as Israel and the Palestinians received more and more attention, they focused more completely on themselves, cataloguing, memorizing, publicizing and, frequently, exaggerating, every real and imagined injury, dismissing and ignoring damage and injustice done to the other.

Like spoiled children, hardliners on each sides spin a narrative in which the other side „started it,“ and bears sole responsibility for the entirety of the fighting which no one seems capable of stopping. Like brats, they have no room for another narrative, for someone else‘ distress, to feel remorse or extend sincere apologies to address wrongs they themselves have committed.

Like spoiled children, they have been treated all too often with excesses of sympathy and compensatory, largely unappreciated gifts, rather than the respect and honesty that would better have served them.

Like spoiled children, the hardliners demand to be allowed to continue whatever destructive behavior they choose, for the sake of fairness.

This behavior, in turn, engenders revulsion on the part of the neighbors [Israeli or Palestinian] who thus become favorably disposed, or at least, complicit, when harsh punishments are heard being meted out in the neighboring household [air strikes, crippling aid embargos, rocket attacks].

The result, for Israel, has been an unaddressed clash with its own future, as the number of Arabs living in Israel and the West Bank continues to rise, and Gaza continues to seethe, with no solution remotely in sight.

The consequence, for Palestinians, has been the self-immolation of their movement for independent statehood, and, in blaming the occupation for all ills, an acquired, abject incapability to alter for the better a tragic present.

Small wonder, then, that this remains the most infuriating peace process in the world. For the present, you don’t have far to look to see why the Obama administration may, in the end, decide instead to devote its energies to more promising pursuits.

This may be the time to ask what, exactly, it is that Netanyahu has to lose by endorsing in broad strokes the two-state formula first conditionally endorsed by his Likud in 2003. On Monday, hours before the meeting, pollster Mina Zemach said that more than 50 percent of the Israeli public currently favors the two-state solution, and a total of 78 percent „would be willing to live with it“ in the context of a future peace.

 

Netanjahu – Obama 1:2

Meine Analyse zum ersten Treffen der beiden Regierungschefs aus der ZEIT von morgen:

Er hat die Zauberformel nicht benutzt: Das Wort »Zweistaatenlösung« kam Benjamin Netanjahu bei seinem Antrittsbesuch in Washington nicht über die Lippen. Obama bekannte sich umso eifriger zu einem palästinensischen Staat. Hat Netanjahu sich trotzig durchgesetzt gegen Obamas neue Nahostpolitik? Nein, der israelische Premier steht vor der Schicksalsfrage seines politischen Lebens. Und es ist Obama, der ihn durch seine Kursänderung dahin drängt.
Unter solchem Druck hat lange kein israelischer Regierungschef gestanden und unter solchen Bedingungen noch kein Gipfel stattgefunden: Netanjahu musste lange auf ein Treffen warten, um sich zwischen lauter Arabern eingeklemmt zu finden. Obama rahmt den Antrittsbesuch des Israelis mit hochsymbolischen arabischen Auftritten ein. Schon Wochen zuvor hatte er König Abdullah von Jordanien empfangen. Nächste Woche kommt Palästinenserpräsident Machmud Abbas nach Washington und die Woche darauf Ägyptens Präsident Mubarak. Solche Politik mit dem Terminkalender wäre früher ein Eklat gewesen. Kann es sein, dass sich hier gerade Grundlegendes verschiebt in der Nahostpolitik? Weiter„Netanjahu – Obama 1:2“

 

Zum Ende der Papstreise ins Heilige Land

Man kann sich die Erleichterung des Papstes vorstellen, wenn heute nach einem Treffen mit orthodoxen Christen sein Besuch im Heiligen Land zuende geht. Noch nie ist der Pilger-Besuch eines Pontifex so skrupulös beobachtet worden. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass das Schicksal dieses Pontifikats an dieser Reise hing: Noch ein falsches Wort, noch ein Skandal – und Benedikt wäre als Versager auf dem heiligen Stuhl in die Geschichte eingegangen.

So ist es nicht gekommen. Die Papstreise ist – gemessen an den Befürchtungen – gut verlaufen. Der Papst hat in einigen Fragen sogar – was etwa die Wünschbarkeit eines palästinensischen Staates angeht – erfreulich klare Worte gefunden.

Aber eine große Reise war es dann doch nicht. Und das hat mit einem merkwürdigen Ungleichgewicht des Mitgefühls zu zu tun, das der Papst bei seinen Stationen an den Tag legte.

Dass diese Pilgerreise so heikel werden würde, hatte der Papst sich selbst eingebrockt – zuletzt durch sein Missmanagement der Affäre um den Holocaustleugner Bischof Williamson. Es war klar, dass manche in Israel darum eine besondere Geste erwarten würden. Und es war zugleich klar, dass er sie nicht würde bieten können. Ein Papst, der sich – etwa in der Gedenkstätte Jad Vaschem abermals entschuldigt, dass er und seine Beamten leider, leider übersehen haben, dass ein Bischof der Piusbrüder offenbar der Meinung ist, die Gaskammern hätte es nicht gegeben – wie peinlich und unangemessen wäre das gewesen!

Doch hätte Benedikt sich in Jad Vaschem zur Haltung der Katholischen Kirche im Nationalsozialismus unter Pius XII äussern sollen? Im Ernst wurde dies nicht erwartet, auch wenn manche Stimmen in Israel so etwas lauthals gefordert hatten. Eine Pilgerreise ist nicht geeignet zur Fortsetzung eines immer noch nicht angeschlossenen Historikerstreits um Schuld und Verstrickung der Kirche.

Aber hätte Benedikt, wenn er schon diese Erwartungen nicht erfüllen konnte, nicht etwas anderes tun können, um die Israelis für sich einzunehmen? Eine menschliche Geste, ein paar bewegte, persönliche Worte wären genug gewesen. Sie kamen ihm nicht über die Lippen. Er wirkte wie eingemauert in die Angst, etwas falsch zu machen. Jedenfalls beim israelischen Teil seiner Reise.

Das ist das Erstaunliche: Dieser Papst kam besser bei seinen palästinensischen Gastgebern an als bei den Israelis.

Anders gesagt: Benedikt kommt überraschender Weise mit den Muslimen besser zurecht als mit den Juden, mit denen er doch theologisch eine größere Nähe („unsere älteren Brüder“) zu haben reklamiert. Das ist nach dem Skandal seiner Regensburger Rede erstaunlich, die vor Jahren zu großer Empörung in der muslimischen Welt geführt hatte.

Aber vielleicht ist das bei diesem Papst eine Konstante – dass er mit den ferneren Glaubensrichtungen eigentlich besser kann als mit den nächsten Verwandten im Geiste: Es fällt ihm ja auch leichter, freundliche Gesten gegenüber der christlichen Orthodoxie zu machen als in Richtung der Protestanten.

Und so schien Benedikt mehr in seinem Element, als er Messen in Amman, Nazareth und Bethlehem feierte, als auf israelischem Boden. Er fand ergreifende Worte für das Leid der Palästinenser unter der Besatzung. Er ging voller Engagement in die politischen Tageskämpfe, als er das Recht der Palästinenser auf ein eigenes „Heimatland“ forderte (auch wenn er dabei das Wort „Staat“ vermied“).

In Jad Vaschem hingegen erging er sich in eher dürren und abstrakten Erklärungen gegen den Antisemitismus, ohne die unheilige Rolle der Kirche über Jahrhunderte dabei auch nur zu streifen. Es hätte gar nicht das große „nostra culpa“ sein müssen: Ein persönliches Wort des Mannes, der als Joseph Ratzinger ja auch ein Zeitzeuge der Barbarei war, hätte genügt.

Die israelische Öffentlichkeit war zu Recht enttäuscht über diesen Mangel. Und dies besonders angesichts der Tatsache, dass es Benedikt auf der palästinensischen Seite offenbar nicht an lebendiger Empathie gebrach.

Am Ende hat er noch einmal versucht, seinen allzu kühlen Ton in Jad Vaschem zu korrigieren. Am letzten Tag sagte er, in Erinnerung an den Besuch in dem Museum: „Diese sehr bewegenden Momente haben mich an meinen Besuch im Todeslager Auschwitz vor drei Jahren erinnert, wo so viele Juden, Mütter, Väter, Ehemänner und Frauen, Brüder, Schwestern und Freunde brutal vernichtet wurden – von einem gottlosen Regime, das eine Ideologie von Antisemitismus und Hass verbreitete.“ Er hat es also spät auch selber verspürt, das da etwas gefehlt hatte.

Trotzdem war diese Reise ein Erfolg: Der Papst hat sich immer wieder leidenschaftlich dafür ausgesprochen, dass die Religionen – alle großen monotheistischen Religionen, die im Nahen Osten ihre gemeinsamen Wurzeln haben – eine Ressource zur Überwindung der haßvollen Kulturkämpfe unseere Tage sein können. Und er fand auch starke Worte gegen jene, die im Namen Gottes den Hass säen – und so noch vor dem Leben „ihre Seele verlieren“. Das war ins Gewissen jener gesprochen, die Selbstmordanschläge im Namen Gottes rechtfertigen oder verharmlosen.

Hätte Benedikt seine Anti-Bin-Laden-Botschaft, dass die Religionen der Liebe und dem Respekt der Menschen untereinander dienen sollen, auch mit etwas mehr menschlicher Bewegtheit angesichts der Shoah vorgetragen, es hätte eine ganz große Reise werden können.

 

Israel under pressure – from its friends

An english version of my post on US-Israel-talks next monday is online:

Israeli Prime Minister Netanyahu will visit President Obama next week to present the “new approach” in Palestinian policy proposed by his coalition.

A central point of contention will be whether the Israeli government will embrace the two-state solution as previous Israeli governments have. Israeli Foreign Minister Avigdor Lieberman has publicly stated on several occasions that the Annapolis summit has failed. During his visit to Berlin last Thursday, Lieberman openly made fun of “the peace industry” that he says has failed to solve anything despite decades of bargaining.

Americans and Europeans have responded by increasing pressure on Israel to accept the two-state solution.

To this end, The U.N. Security Council on Monday unanimously passed a resolution urging both sides to refrain from any actions that could undermine mutual trust. The Secretary General even said it was “high time that Israel changed its behavior.” American Ambassador to the U.N., Susan Rice, is pushing for “real results.” Israel hasn’t been subjected to this kind of pressure from its friends for years. The left-leaning newspaper „Haaretz“ wrote last Friday of fears that there would be a “breakdown in cooperation between Israel and the United States under Obama.”

A second central point of contention will be something called “linkage wars” in Israel – the debate over whether, and if so, then how – Iran’s developing nuclear threat should be linked to the question of a Palestinian state…
(Thanks to Ron Argentati. Read the whole thing here.)