Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen

Extended version meines Leitartikels für die kommende Ausgabe:

Auch dumme Sprüche können eine Debatte weiterbringen. Horst Seehofers Behauptung, wir bräuchten »keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen« ist so ein Fall.
Das Gegenteil ist nämlich wahr, und vielleicht könnte man darüber jetzt endlich reden. Deutschland bekommt nicht die Zuwanderer aus »anderen Kulturkreisen«, die es dringend braucht. 34000 Ingenieursstellen waren im letzten Jahr offen, und doch konnte das Land im letzten Jahr nur knapp 5000 Hochqualifizierte gewinnen – die meisten von ihnen aus China und Indien, Tendenz stark rückläufig.
Aber diese besonders in Bayerns Hightechindustrie begehrten Einwanderer hat Seehofer natürlich nicht gemeint. »Andere Kulturkreise« – das ist ein politisch korrektes Codewort für »Türken, Araber, Muslime«. Hier sucht jemand offenbar Anschluss an die Debatte um Thilo Sarrazin. Leider hat auch er dessen Buch nicht gelesen. Darin wird trocken festgestellt, wer qualifiziert genug für unseren Arbeitsmarkt sei, »kann selbstverständlich auch aus einem muslimischen Land kommen«. Seehofer ist beim Versuch, Sarrazin einzuholen, weit rechts über ihn hinausgeschossen und knapp neben dem niederländischen Populisten Geert Wilders gelandet. Der will nicht einmal Christen aus dem Irak aufnehmen – wer aus dem islamischen »Kulturkreis« kommt, gilt als kontaminiert.
So weit sind wir zwar noch nicht, dass solche Hetze auch hierzulande mehrheitsfähig wäre. Doch Populismus ist auch in Deutschland eine starke Versuchung in Zeiten schwindender politischer Legitimation. Im Unterschied zum hemmungslosen Original der Rechtspopulisten sind die Erfolgsaussichten der Kopie aber wahrscheinlich begrenzt. Denn dies ist ein Populismus aus Angst vor dem Volk.
Man kann diese Angst spüren, wenn Angela Merkel Seehofers xenophobe Spielchen jetzt »verständlich« nennt. Fand sie nicht Wulffs Rede richtig und Sarrazins Buch »«nicht hilfreich«? Was denkt sie wirklich über Deutschland und den Islam – zum Beispiel wenn sie den halbnackten Özil als Matchwinner für Deutschland in der Kabine beglückwünscht? Man erfährt es nicht. Auch für Sigmar Gabriel ist das schwer zu sagen, wenn er  Sarrazin hart attackiert und dann doch wie jener gegen »Integrationverweigerer und Hassprediger« poltert. Die Integrationsbeauftrage Maria Böhmer ist vor lauter Angst seit Wochen abgetaucht. Sie scheint die wichtigste Debatte über ihr Thema im Bunker des Kanzleramts aussitzen zu wollen.

„Hallo Herr Özil, ich wollte nur noch mal klarstellen: Bei uns steht das Grundgesetz über der Scharia! Ansonsten: Weitermachen.“

Sarrazins Erfolg hat die Politik in Furcht und Schrecken versetzt. Sie fürchtet, von der Welle, die er ausgelöst hat, erfasst zu werden – und versucht doch zugleich darauf zu surfen. So tritt das Paradox ein, dass heute genau jene Parolen und Denkfiguren in den Mainstream einsickern, für die man ihren Urheber doch ausgeschlossen hat.
Die derzeit so populäre Rede von der christlich-jüdischen Kultur hatte einmal einen guten Sinn. Nie wieder sollten Juden als das unintegrierbare andere schlechthin definiert werden, wie es jahrhundertlang üblich war. Doch nun geht es vor allem um die Markierung einer Differenz zu den Muslimen. Die Juden rhetorisch zu umarmen, um die Fremdheit des Islams herauszustreichen, grenzt an Geschichtklitterung.
Die kaum versteckte Botschaft an die Muslime kommt gleichwohl an: Ihr gehört hier nicht her, ihr habt nichts beizutragen, ihr werdet fremd bleiben. Fahrlässiges Geschwätz von »Kulturkreisen« unterhöhlt die Geschäftsgrundlage unseres Einwanderungslandes, das von jedermann einen Beitrag erwarten und fordern muss, unabhängig von seiner Herkunft und Prägung.  Darin lag ja die Berechtigung der Kritik am Multikulturalismus: dass er  Menschen nicht zuerst als selbstverantwortliche Individuen versteht, sondern als Gefangene starr abgegrenzter Kulturen. Wer jetzt das Einteilen  in »Kulturkreise« forciert, wiederholt disesen Fehler: Multikulti von rechts.
Mindestens in einer Hinsicht war Sarrazin doch hilfreich: Erst die Debatte um sein Buch hat gezeigt, wie groß die Themen Zuwanderung und Integration verhandelt werden müssen: Hier liegt eine politische Führungsaufgabe, die nicht kleiner ist als seinerzeit bei der Ostpolitik oder der Nachrüstung.
Den Deutschen ist viel zuzutrauen. Nach allen Umfragen steigt zwar die Skepsis gegenüber dem Islam. Aber es wäre falsch, das als Welle der Islamophobie zu deuten: Wie islamfeindlich kann ein Land sein, das in fünfzig Jahren die Entstehung von mehr als 2600 Moscheen und Gebetsräumen ohne große Konflikte ertragen hat? Ein Wort der Anerkennung von muslimischer Seite für diesen atemberaubenden Wandel wäre auch nicht verkehrt.
Es gibt nämlich keine Garantie dafür, dass dieses Land so weltoffen bleibt. Die Politik muß die Angst vor dem Volk überwindenund der  Mehrheit ebenso wie der Minderheit die Wahrheit sagen: Nein, wir werden nicht von muslimischen Horden überrannt. Mehr Abwanderer gingen im letzten Jahr in die Türkei als Einwanderer von dort zu uns kamen. Aber es sind oft die Besten, die uns verlassen. Wir fallen zurück im Wettlauf um die Elite der globalen Migranten. Und wenn wir das stoppen wollen – etwa durch ein Punktesystem für Migranten nach kanadischem Vorbild – auch dann müssen wir mehr Differenz aushalten. Und wenn das frei von Ressentiment und Kulturdünkel geschieht, kann man auch mehr Integration, ja mehr Anpassung von den Einwanderern verlangen. Der türkische Europaminister Egemen Bagis ruft den Türken zu:  »Lernt Deutsch! Passt euch den Sitten und Gebräuchen eures Gastlandes an!« Deutschland ist ein weltoffenes Land. Noch. Die Zukunftsfrage ist nicht bloß, wieviel Islam Deutschland verträgt, sondern: wieviel Engherzigkeit.

 

Deutschenfeindlichkeit an Berliner Schulen

Mein Beitrag aus der Zeit von heute über die Vorfälle an Berliner Schulen und den Versuch der Lehrergewerkschaft, sich einen Begriff von dem Problem des „Deutschenhasses“ türkisch- und arabischstämmiger Schüler zu machen. Es ist nicht meine erste Auseinandersetzung mit diesem Thema:

Es liegt ein Hauch von Panik in der Luft, als die Lehrerin endlich zu sprechen beginnt. Sie schluckt. Sie sagt: »Ich bekomme immer mehr Ehrfurcht und Respekt vor diesem Thema.« Dieses Thema, das ist die »sogenannte Deutschenfeindlichkeit« ihrer türkisch- und arabischstämmigen Schüler.

Kein Wunder, dass die Lehrerin so beklommen ist. Nur zwei Straßen entfernt vom Tagungsort hetzt der Rechtspopulist Geert Wilders (siehe Seite 12/13) gegen Muslime, die angeblich Deutschland durch Masseneinwanderung unterwerfen wollen. Die Lehrerin, die ihr halbes Leben an einer Schule in Neukölln verbracht hat, will mit der politisierenden Islamophobie nichts zu tun haben. Dies hier ist eine Veranstaltung des multikulturellen Ausschusses der linken Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Furcht, eine ohnehin schon hysterische Debatte noch weiter anzuheizen, füllt den Raum.
Zwei Mitglieder des GEW-Ausschusses für multikulturelle Angelegenheiten, Andrea Posor und Christian Meyer, hatten in einem Artikel für die Berliner Lehrerzeitung Alarm geschlagen, in den zunehmend segregierten Schulen verstärke sich das Mobbing gegen deutsche Schüler. Dieser bereits vor einem Jahr erschienene Hilferuf löste so heftige Diskussionen unter den Lehrern aus, dass man sich, wenn auch unter großen ideologischen Bauchschmerzen, entschloss, eine Tagung zum Thema einzuberufen. Alles selbstverständlich hochseriös, abgesichert mit Rassismusexperten, Migrantenvertretern, Bildungsforschern. Zu groß ist die Angst, selbst unter Rassis­mus­verdacht zu geraten.
Aber am Ende schaut dann eben alles auf diese Frau, die von der Pöbelei berichtet, der deutsche Schüler – und Lehrer – ausgesetzt sind. Sie lehrt seit mehr als zwanzig Jahren an der Otto-Hahn-Gesamtschule im Stadtteil Neukölln und heißt Mechthild Unverzagt.
»Ist ja irre, dass die auch noch diesen Nachnamen hat«, flachst ein Lehrerkollege in der hintersten Reihe vor lauter Anspannung. Dann redet Frau Unverzagt, und sofort wird es leise im vollen Tagungsraum des Berliner GEW-Hauses.
Sie spricht von »Ghettoisierungstendenzen« in Neukölln, einem sogenannten »A-Bezirk« (»A« für Alte, Arbeitslose, Ausländer, Alleinerziehende). An ihrer Schule seien über 80 Prozent der Kinder »nichtdeutscher Herkunftssprache«, die große Mehrheit davon türkisch- oder arabischstämmig. Fast alle Familien seien arm, viele zerrüttet. Die türkischen und arabischen Schüler seien tonangebend in ihrer Respekt­losig­keit gegenüber Lehrern. Sie bekämen dafür Anerkennung unter ihresgleichen und stärkten so ihr Selbstwertgefühl: »Wenn es bei uns mal sogenannten Unterricht gibt, erleben sie Misserfolge. Also tun sie alles, um ihn zu sabotieren.« Die deutschen Kinder hätten als kleine Minderheit »alle Qualitäten, die ein Opfer haben muss«. Sie müssten lernen, »sich unsichtbar zu machen«. Sie wollten während der Pausen nicht mehr auf den Schulhof, weil draußen nur ein Spießrutenlauf mit Beschimpfungen und Drohungen auf sie warte. Nicht nur deutsche, auch leistungsbereite türkische und arabische Schüler würden von den Wortführern niedergemacht. Ein türkischer Junge, der zu den guten Schülern zähle, werde als »schwul« beschimpft: »Jeder, der irgendwas erreichen will in der Schule, ist der Gegner. Es wird alles gemobbt, was anders ist.« Auch sie selber ist in demütigender und sexistischer Weise angemacht worden.
Es dauert eine Weile, bis die Teilnehmer sich nach Unverzagts Schilderungen fangen. An diesem Samstagmorgen kann man erleben, wie schwer es manchen Linken immer noch fällt, offen von den Konflikten des Einwanderungslandes zu reden. Eine Professorin für Rassismusforschung versucht nachzuweisen, dass die »strukturell benachteiligten Schüler« türkischer oder arabischer Herkunft per definitionem nicht zum Rassismus fähig seien, weil sie ja eine machtlose Minderheit darstellten. Nach dem Bericht von Mechthild Unverzagt wirkt das einigermaßen bizarr. »Diese Kinder waren noch nie in einer Minderheitensituation«, erwidert die Lehrerin.
Vielleicht liegt ja darin das Problem. Chris­tian Meyer, selber Lehrer an der Hector-Peterson-Gesamtschule in Kreuzberg und einer der beiden Autoren des Artikels, der die Debatte ins Rollen brachte, spricht von der »doppelten Segregationsfalle«: Nicht nur die Deutschen ziehen aus den »A-Bezirken« weg, sondern auch die bildungsbewussten Migranten. Die verbliebenen Schüler »kompensieren Frustrationen und Per­spek­tiv­losig­keit durch Macho-Gehabe«. Sie definierten sich stolz als Nichtdeutsche und blickten verachtend auf Deutsche als Ungläubige, »Schweinefleischfresser« und – wenn es sich um Mädchen handelt – »Schlampen«. Die trotzige Selbstausgrenzung von Losern, die sich an noch Schwächeren abarbeiten, ist für sich nichts Neues – nur dass die Schwächeren jetzt in manchen Berliner Kiezen Deutsche sind. Jagen nicht anderswo deutsche Rechtsradikale Juden, Linke und alles irgendwie Fremde?
Mancher bei der Tagung neigt dazu, die Sache allzu schnell wegzuerklären. Bei dem Verhalten der Jugendlichen müsse es sich wohl um die »Rückgabe erlebter eigener Diskriminierung« handeln, sagt ein Teilnehmer. Sofort sind Beispiele zur Hand, bei denen Mädchen mit Kopftüchern diskriminiert und arabische Jungs nicht in die Disco gelassen werden. Ein Teilnehmer fordert daraufhin mehr »Lehrer mit Migrationshintergrund«, andere verlangen eine Nachschulung der Pädagogen in »interkultureller Kompetenz«, ergänzt um die Möglichkeit für »ausgebrannte Kollegen, sich früh pensionieren zu lassen«. Und auf einmal wendet sich der Verdacht gegen die Lehrer, die von ihrer Ohnmacht erzählt hatten: Sind sie einfach zu wenig »kultursensibel«?
Christian Meyer lässt das nicht auf sich sitzen. Seit über 30 Jahren ist er an der Schule in Kreuzberg, und er hat einen »interkulturellen Kalender« produziert, der die Feste aller Religionen verzeichnet: »Wir haben Türkischunterricht, wir machen Fahrten in die Türkei, Lehrer haben Türkisch gelernt. Gegen die Segregation kommen wir aber mit mehr Interkulturalität alleine nicht an.«
Meyer macht sich Sorgen, dass neuerdings die religiöse Differenz zunehmend zur Selbststigmatisierung benutzt wird. Und er möchte, dass gerade diejenigen verstehen, wie alarmierend das ist, die sich für die Integration des Islams einsetzen. Wenn die Religion zum Mittel der Abgrenzung wird, spielt das am Ende gerade denjenigen in die Hände, die sich darin einig sind, dass der Islam mit westlichen Werten unvereinbar sei: Hasspredigern und Islamophoben.
Das Unbehagen, Deutsche als Opfer von Diskriminierung zu thematisieren, bleibt bei der Tagung bis zum Ende. Mechthild Unverzagt sagt schließlich fast reumütig, sie wolle den politisierten Begriff der Deutschenfeindlichkeit »nicht mehr hören«. Sie will sich nicht vor den Karren der Demagogen spannen lassen, die auch ohne Kenntnis der Verhältnisse per Ferndiagnose schon »den Islam« als Ursache ausgemacht haben. Aber sie möchte doch, dass man zur Kenntnis nimmt, dass ausgerechnet sie, die engagierte Lehrerin, den Hass der Verlierer abbekommt, der dieser Gesellschaft im Ganzen gilt.
Was tun? Gewerkschafter sind nie lange verlegen, Rezepte gegen Benachteiligung zu formulieren. Eine bessere Schule, ganztags und mit mehr Ausstattung, wurde dann auch gefordert, neue Unterrichtsformen, interreligiös ausgebildete Lehrer, eine größere soziale Mischung. Also genau das, was an der einst als hoffnungslos geltenden Rütli-Schule die Wende gebracht hat. »Es ist ein Verbrechen, wie das Potenzial dieser Kinder verschwendet wird«, sagte Mechthild Unverzagt, so als müsse sie noch einmal klarstellen, dass die Schüler nicht ihre Gegner sind. »Wir brauchen eine Lobby«, sagt sie fast flehend.
Für Lehrer wie Mechthild Unverzagt und Christian Meyer ist es wichtig, in der Öffentlichkeit Gehör zu finden. Sie fühlen sich alleingelassen. Sie brauchen keine Belehrung über die sozialen Ursachen des Mobbings, dem sie und andere ausgesetzt sind. Sie brauchen die Anerkennung, dass bestimmte Verhaltensweisen inakzeptabel sind, auch unter schlimmsten Bedingungen. Und so sind sie am Ende erleichtert, dass die Gewerkschaft die Angst vor der eigenen Courage überwunden hat.
Den Kampf mit der neu erstarkenden Rechten in Deutschland und Europa kann man auch so sehen: Wenn dieses Land eine Linke hat, die den öffentlichen Raum gegen jeden Rassismus verteidigt – auch den von Nichtdeutschen –, haben Rechtspopulisten ein Thema weniger.

 

Die Zumutung der Einwanderung

Paul Scheffer ist ein Pionier des Nachdenkens über Einwanderung und Integration. Sein Essay über „Das multikulturelle Drama“ in unseren Städten ist vor genau zehn Jahren erschienen. (Eine deutsche Version, allerdings gekürzt, hier.) Vieles von dem, was Scheffer 2000 beschrieben und analysiert hat, ist uns in der vergangenen Dekade zum täglichen Thema geworden: Segregation, Selbstabschottung, Extremismus im Namen des Islam, der Aufstieg des Rechtspopulismus.

Heute morgen habe ich Paul Scheffer in Triest getroffen. Bei einer Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung hielt er einen Vortrag über die Einwanderungsgesellschaft und ihre Konflikte – und was dies für eine Herausforderung für alle europäischen Gesellschaften bedeutet. Beim Frühstück hatten wir Gelegenheit, über die Lage in den Niederlanden zu reden, in der die etablierten Parteien auf einen Zustand der Unregierbarkeit zusteuern. (Ich war der Moderator der anschließenden Diskussion.)

Paul Scheffer wäre eigentlich der Denker der Stunde, finde ich, weil er als erster ein Modell entwickelt hat für die Prozesse, die in allen Einwanderungsgesellschaften unvermeidbar ablaufen. Diese Konflikte – und dazu dient ja auch ein Blog wie dieses hier (in den guten Momenten) – müssen wir annehmen und als etwas (möglicherweise) Produktives anzusehen lernen, statt sie vermeiden zu wollen, weil sie oft genug hässlich sind.

Scheffer sagt, in allen von ihm studierten Einwanderungsprozessen findet sich das Muster segregation – avoidance – conflict – accomodation. Also etwa: Segregation, Vermeidung, Konflikt, Verständigung. Unzweifelhaft stecken wir mitten in der Konfliktphase. (Was allerdings leider nicht bedeutet, dass die Segregation aufgehört hat. Sie geht parallel weiter und lässt künftige Konflikte ahnen.)

Die Segregationsphase zeichnet sich dadurch aus, dass sowohl die Immigranten, als auch die aufnehmende Umwelt unter sich bleiben wollen. Die Bildung von ethnischen Kolonien hat Vorteile für Neuankömmlinge ebenso wie für die Aufnahmegesellschaft: Sie reduziert die Kosten und den Stress. Die Einwanderer finden billigen Wohnraum und Netzwerke, die sie tragen, die Einheimischen bleiben von sozialem und kulturellem Wandel verschont – und von Konkurrenz. Man meidet sich wechselseitig, unterstützt oft durch gezielte Separationspolitik (Wohnungsbau, Schulwesen).

In dieser Phase klammern sich beide Seiten an „den Mythos der Rückkehr“.

Wenn dieser nun zusammenbricht, sagt Scheffer, (und die Einwanderer sich eingestehen, dass sie welche sind und damit das Einwanderungsland zwingen zuzugeben, dass es eines ist), ist nicht plötzlich alles gut, weil man sich nun ehrlich gemacht hat. Im Gegenteil: Vermeidung ist jetzt unmöglich geworden, man sitzt im gleichen Boot und sieht einer gemeinsamen Zukunft ins Auge, die man vorher beidseitig geleugnet hat. Jetzt kommt es zum Konflikt, weil man sich genauer anschaut und sich fragt: Was, mit denen sollen wir ein WIR bilden? Jetzt wird das Andere des anderen zum Problem.

Und jetzt muss neu verhandelt werden, was daran akzeptabel ist und was nicht. Das bedeutet accomodation: Nicht Hinnahme des Anderen per se als gut und wunderbar und bereichernd, sondern lange und zähe Verhandlung über ein neues Wir. Wechselseitige Vorwürfe und Unterstellungen gehören notwendig dazu. Extremes Mißtrauen auch: Die Iren in Amerika haben 120 Jahre gebraucht, bis sie einen Präsidenten stellen durften, und JFK musste an jeden Tag seines Wahlkampfes klarmachen, dass seine Loyalität nicht Rom galt, sondern der Verfassung der USA. (Erinnert an etwas, nicht wahr?)

Scheffer ist einer der ersten Kritiker des Begriffs der Multikulturalität, weil er diesen Begriff schlicht für eine Falle und im Effekt für rassistisch hält: Er sperrt eine ganze Gruppe in ein Konzept von „Kultur“ ein, er errichtet die Schranken, die er eigentlich überwinden will. Der Begriff der Multikulturalität stammt aus der Phase der Vermeidung, die wir nolens volens überwunden haben – die Phase, in der man sich wechselseitig keine Fragen stellte.

Ohne ein gemeinsames Wir, das auch gemeinsame Werte und Regeln beinhaltet, kann eine ausdifferenzierte Gesellschaft nicht überleben, ja sie kann noch nicht einmal ordentlich miteinander streiten. Paul hat auch ein anschauliches Beispiel für gelungene Integration in ein neues Wir. In einer Diskussion mit Haci Karacer von der Milli Görüs über die niederländische Rolle in Srebrenica kam es zu dem Punkt, dass Karacer Scheffer sagte: „Wir haben in Srebrenica versagt!“ Dass der konservative Amsterdamer  Muslim von den holländischen Soldaten in diesem Plural sprach, war ein Zeichen dafür, dass er sich mit dem Land identifizierte – und das bedeutet eben auch mit den Schattenseiten und dem Versagen.

Bei dem neuen Wir geht es um geteilte Verantwortung für eine gemeinsame Zukunft, nicht bloß um das Wissen um die Geschichte, das politische System, die holländischen Werte etc.

Für ein solches Wir braucht man aber bestimmte Fähigkeiten. Darum reden wir jetzt seit Jahren darüber, dass die Landessprache so existenziell wichtig ist.  Und darum ist es mir auch nach wie vor unverständlich, wieso türkische Lobbygruppen allen Ernstes gegen die Sprachtests für Neueinwanderer protestieren können, als wäre das eine fiese Schikane. Wer so agiert, schürt den Verdacht, er habe an der Teilhabe in dieser Gesellschaft, die nur durch Sprache möglich wird, kein Interesse – und so ist ja leider auch bei vielen der Eingeheirateten.

Auf solchen Voraussetzungen zu insistieren ist die Pflicht aller, die an diesem Wir interessiert sind. Es kann, so argumentierte Scheffer, nicht durch Kompromisse entstehen – durch ein Treffen in der Mitte – dieses Wir. Kein „middle ground“, bei dem sich alle ein bisschen aufeinander zu bewegen. In einer Stadt wie Amsterdam (oder Berlin, oder Stuttgart) mit über 100 Herkunftskulturen gibt es keinen „middle ground“, den man per Kompromiss finden könnte.

Für die Einwanderer heißt das auch, dass es keinen automatischen Anspruch auf „Respekt“ für ihre Eigenheiten gibt. Wer die Vorurteile der Einheimischen anprangert, wird automatisch mit seinen eigenen konfrontiert werden. Eine Religionsgemeinschaft, die Religionsfreiheit in Anspruch nimmt, wird sofort mit der Frage konfrontiert, wie sie es denn selbst mit den Grundfreiheiten hält. Das Gesetz der Reziprozität ist unerbittlich. Es trifft allerdings auch die Mehrheitsgesellschaft. Wenn sie die grundlegenden Freiheiten einer Minderheit beschneidet (Minarettverbot), wird sie es schwer haben, ihrerseits glaubwürdig die Treue zu den Grundwerten zu verlangen. Das Minarettverbot ist kein Beispiel dafür, wie eine Gesellschaft ein ein neues Wir aushandelt. Das Burkaverbot ist ein anderer Fall, weil es hier um ein allgemeines Gesetz geht, das den gleichberechtigten Verkehr in der Öffentlichkeit gerade ermöglichen will. (Jedenfalls auf dem Papier.)

Paul Scheffer hat in seinem Vortrag noch viel mehr Punkte gestreift, die ich hier nicht erwähnen kann.

Er macht sich Sorgen um die wachsende Segregation in den Städten und  Schulen seines Landes. In Deutschland sieht es nicht besser aus.

Und er sorgt sich um die größer werdende Schere zwischen dem Kosmopolitismus einer Elite und dem „tribalism of the locals“ – womit sowohl die Einwanderer als die Unterschichten gemeint sind, die mit ihnen zusammen leben müssen. Ein immer wiederkehrender Gedanke in seinen Schriften: Die Gefühle von Verlust und Angst, die durch den Wandel ausgelöst werden – auch bei den Alteingesessenen, dürfen nicht einfach abgetan und diskreditiert werden. Ein falsch verstandener Kosmopolitismus kann den Populismus der einfachen Antworten auf die Fragen der Einwanderungsgesellschaft befördern, gerade weil er die Schmerzen nicht ernst nimmt. Die Spaltung der Gesellschaft in eine Caffelatte-Fraktion derjenigen, die alles als Bereicherung begrüßen, was die Filterkaffetrinker als Zumutung empfinden, wäre fatal. Sie ist schon weit vorangeschritten, wie die Sarrazin-Debatte hierzulande zeigt.

Das ist eine Gefahr unserer Debatte über Sarrazin (die ich hier im Eifer wahrlich auch nicht immer vermieden habe): dass man bei der Kritik an seinen Argumenten und an dem Ton mancher seiner Fans die rationalen Ängste und Befürchtungen überspringt, die in der Debatte berücksichtigt und bearbeitet werden müssen.

Die politische Mitte trägt nicht mehr, wenn sie das nicht vermag. Das ist ein Phänomen überall in der westlichen Welt – in den Niederlanden derzeit besonders dramatisch. Scheffer glaubt, dass das politische System in seinem Land überhaupt nicht auf die Herausforderung eingestellt ist, die Balance zwischen „heritage and openness“ (Erbe und Offenheit) und „tolerance and belonging“ (Toleranz und Bindung“) neu auszutarieren. Aber das ist kein Den Haager Problem. Morgen ist Geert Wilders in Berlin.

 

Vorwärts in die Ära der Unvernunft

Pastor Jones hat seine Bücherverbrennung abgesagt. Er hatte seinen Spass: Wochenlang war er das Zentrum des Universums (jedenfalls wenn man Internet und Kabelfernsehen zu Rate zieht). Ein paar Menschen in Afghanistan sind tot, ein paar mehr verwundet wegen Pastor Jones. Er wird sich dadurch bestätigt fühlen. Wir haben noch nicht einmal einen Koran verbrannt – und die drehen trotzdem durch! Und hat er nicht Recht: Es gibt, wie wir seit den Karikaturen wissen, in der islamischen Welt sehr willige Kooperationspartner beim Kulturkampf. Großartig. Jemand anderes wird das Konzept wahrscheinlich aufnehmen. Jedermann kann heute einen Krieg starten, Internetzugang vorausgesetzt.

Herr Wilders aus Den Haag war in New York. Er hat Bürgermeister Bloomberg für seine „selbstmörderische“ Toleranz gegenüber den Muslimen mal so richtig vorgeführt, Lincoln-Zitat inklusive. Er hat davor gewarnt, die Moschee der Cordoba-Initiative bauen zu lassen, weil das ein Triumph derjenigen wäre, die nach dem 11. September „in Europas Strassen getanzt haben“ – muslim youths. (Das muss ich verpasst haben. Ich war am 11. September 2001 in der Türkei. Und dort waren die Menschen gelähmt und erstarrt angesichts dieser Barbarei im Namen ihrer Religion.)

If a mosque were built here on Ground Zero such people would feel triumphant. But we, we will not betray those who died on 9/11.

For their sakes we cannot tolerate a mosque on or near Ground Zero. For their sakes loud and clear we say: No mosque here! For their sakes, we must draw the line. So that New York, rooted in Dutch tolerance, will never become New Mecca.

(…)

Mayor Bloomberg forgets, however, that openness cannot be open-ended. A tolerant society is not a suicidal society.

It must defend itself against the powers of darkness, the force of hatred and the blight of ignorance. It cannot tolerate the intolerant – and survive.

This means that we must not give a free hand to those who want to subjugate us.

Die Kräfte der Finsternis, die Macht des Hasses, und der Fluch des Unwissens. Die wollen uns unterwerfen in Form der Corodoba Moschee des Imam Rauf und seiner Frau, Daisy Khan.

Wilders steht wie die iranischen Ajatollahs im apokalyptischen Endkampf. Natürlich will er die Freiheit nicht steinigen, sondern bewahren vor ihren Feinden. Wer es nicht so sieht, muss ein verblendeter Mulitkulti-Idiot, Dhimmi, Burkaversteher, Apeasenik sein. Er verweist immer wieder auf die Unfreiheit in der islamischen Welt und die Unmöglichkeit, dort überall frei Kirchen zu errichten. Damit New York kein neues Mekka wird, keine Moscheen mehr. Aber würde New York nicht gerade dadurch ein bisschen mehr Mekka? Oder ist das jetzt schon wieder ein „selbstmörderisch toleranter“ Gedanke?

Allerdings war – was Wilders natürlich verschweigt – der Islam schon Teil des Lebens in den Zwillingstürmen. Es gab einen „prayer room“ auf der siebzehnten Etage des Südturms. In der New York Times beschreibt einer der damaligen Besucher ihn so: “It was so freeing and so calm,” Mr. Sareshwala, 47, said in a phone conversation from Mumbai, where he is now based. “It had the feel of a real mosque. And the best part is that you are in the epicenter of capitalism — New York City, the World Trade Center — and you had this island of spiritualism. I don’t think you could have that combination anywhere in the world.” Das ist New York.

Der Westen wurde getroffen an 9/11. Es gab aber keine Hassreaktionen gegen Muslime im Westen, wie man sie vielleicht hätte erwarten können. Nirgendwo jagte der Mob Muslime durch die Strassen. Es brannten keine Botschaften islamischer Staaten. Bush ging in eine Moschee, und alle westlichen Regierungen beschworen Religionsfreiheit und Toleranz für loyale muslimische Bürger. Eine endlose Reihe von Dialogveranstaltungen und Islamkonferenzen war die Folge. Eine bemerkenswerte Reaktion: eine Absage an den „Krieg der Kulturen“. Zugleich führten wir da draussen  zwei Kriege gegen den Terror und zur Verbreitung der Demokratie und der Menschenrechte. Die waren nicht so erfolgreich wie gehofft. (Woher eigentlich kam diese Hoffnung?)

Jetzt sind wir erschöpft, ausgepowert, frustriert. Wir wissen nicht, wie wir den Rückzug so hinkriegen sollen, dass wir nicht schlechter dastehen als vor dem ganzen Horror, der so viele Menschenleben gekostet hat. Aber es wird einen Rückzug geben müssen. Wir müssen (irgendwann) raus aus Afghanistan. Im Irak hat der Rückzug schon begonnen.

Zugleich macht sich Ernüchterung breit, seit wir anerkennen, dass das Zusammenleben mit Muslimen in unseren Gesellschaften ein Dauerzustand und keine Episode sein wird. Was nicht gut läuft, kann man nicht mehr ignorieren. Der Nachbar, der bleibt, wird anders gemustert als ein Gast, der übermorgen weg ist.

Hier wird es allerdings keinen Rückzug geben können. „Disengagement“ gibt es nicht in der Einwanderungsgesellschaft.  Reden vielleicht gerade darum heute so viele über „die“, als gäbe es eine Möglichkeit, sie wieder wegzubekommen? Wilders „neues Mekka“ und Sarrazins Selbstabschaffung Deutschlands sind maßlose Übertreibungen realer Ängste. Wie konnten wir nur – neun Jahre nach dem 11. September – bei diesem abgrundtiefen Pessimismus, bei dieser Botschaft des Mißtrauens, der Misanthropie, der Wut und des westlichen Selbsthasses landen?

 

Kann es sein, dass die Welt gerade durchdreht?

Der verrückte Pastor hat also erst einmal seine Absicht zurückgezogen, den Koran zu verbrennen. (Oder doch nicht? Er meinte wohl, man habe ihm versprochen, im Gegenzug die Moschee nicht zu bauen… Was eine irre Gleichsetzung!)

Ein anderer, noch verrückterer Pastor steht aber schon bereit, es doch zu tun, falls Jones sich nicht traut. (Phelps und seine Gemeinde sind bekannt dafür, mit „God hates Fags“-Plakaten bei Soldatenbegräbnissen aufzutauchen. Sie glauben nämlich, die amerikanischen Soldaten gottgewollt sterben, weil Amerika nicht genug gegen Homosexualität tut.) Übrigens haben die Phelps-Leute schon einmal (2008) einen Koran verbrannt und dies gefilmt – sie wurden ignoriert, wie es sich gehört.

Pastor Jones hat aber zig Kameras auf seinem Rasen, die jede seiner wirren Bekundungen in die Welt tragen. In anderen Worten: Die Medien machen diesen Irren erst zu einer Bedrohung für den Weltfrieden.

Auch die Hasskampagne gegen die Cordoba-Initiative ist ganz klar von interessierten Medien vom Zaun gebrochen und gesteuert worden, von der durchgeknallten Bloggerin Pam Geller und Murdochs New York Post, wie Salon nachgewiesen hat. (Danke, Boothby.)

Seit Tagen fährt die BILD-Zeitung eine heuchlerische Kampagne „für die Meinungsfreiheit“, in der Sarrazin zum armen Opfer stilisiert und zum Protest gegen den Bundespräsidenten (per BILD-Vordruck) animiert wird. Es wird hier dieselbe Politik kaputtgeschossen, deren bedauernswerten Zustand man dann später gerne mit Krokodilstränen beweint. Man möchte gerne die Wut der Leute auf die eigenen Mühlen lenken. Niemand sollte sich einbilden, solche Prozesse steuern zu können. Meine Vermutung: Tholo Sarrazin hat das gemerkt und es ist ihm unheimlich geworden. Er will den Bundespräsidenten nicht beschädigen, er will keine wochenlange Wulff-Hatz durch BILD, obwohl er Grund hat ihm groll zu sein. Darum hat er zurückgezogen, und dafür gebührt ihm Respekt. (Ist allerdings nur eine These, ob’s stimmt wied sich zeigen…)

Morgen wird sich Wilders in New York als Anführer der antiislamischen Internationale empfehlen. In drei Wochen wird er in Berlin erwartet, eingeladen von Herrn Stadtkewitz, Ex-CDU, der heute seine deutsche „Freiheitspartei“ vorgestellt hat.Viele Leute erwarten ihn wie einen Erlöser.

Und in Afghanistan, Pakistan, Teheran und Indonesien freuen sich die Islamofaschisten bereits auf ein herrliches Eid-Fest mit Antiamerika-Aktionen und Flaggenverbrennungen.

Etwas braut sich zusammen. Die Irren sind dabei, die Klinik zu übernehmen.

p.s. Ich fahre ab morgen für 5 Tage in die Türkei, um dort das Verfassungsreferendum zu erleben. Ich werde mich sicher melden. Bitte die Diskussionen im presserechtlich vertretbaren Rahmen halten, damit ich dieses Blog nicht abschalten muss.

 

Der Imam der „Ground Zero Moschee“ spricht

Der New Yorker Imam Rauf hat sich nun nach Wochen zu Wort gemeldet und das Projekt seines „Community Centers“ (i.e. „Ground Zero Moschee“) verteidigt. Er war, wie bekannt, im Auftrag des State Department unterwegs, um Amerika im Nahen Osten zu bewerben.
In einem Kommentar für die New York Times erklärt er, warum er nicht nachgeben will und was das Zentrum für eine Aufgabe haben soll. Er verspricht die Finanzierung offenzulegen und kündigt an, es werde Gebetsräume für andere Religionen, namentlich Juden und Christen, in dem Zentrum geben, sowie einen Gedenkraum für die Opfer des 11.September.
Er sagt auch, die Verteidigung des Projekts durch Präsident Obama und den Bürgermeister Bloomberg – einen Christen und einen Juden – habe in der islamischen Welt großen Anklang gefunden und helfe, die falschen Meinungen zu bekämpfen, Amerika befinde sich auf einem Kreuzzug gegen den Islam. „It was striking: a Christian president and a Jewish mayor of New York supporting the rights of Muslims. Their statements sent a powerful message about what America stands for, and will be remembered as a milestone in improving American-Muslim relations.“

Unterdessen scheinen die prominenten Republikaner kalte Füsse zu bekommen, was die geplante Krawall-Demo am 11. September am Ground Zero angeht: Newt Gingrich ließ mitteilen, er werde nicht persönlich erschienen und habe von vornherein nur eine Video-Botschaft in Aussicht gestellt. Sarah Palin hat andere Pläne, offenbar zusammen mit Glenn Beck in Alaska. John Bolton wird ein Video schicken. Ach ja, Geert Wilders ist weiterhin angekündigt.

Rauf schreibt: „The wonderful outpouring of support for our right to build this community center from across the social, religious and political spectrum seriously undermines the ability of anti-American radicals to recruit young, impressionable Muslims by falsely claiming that America persecutes Muslims for their faith. These efforts by radicals at distortion endanger our national security and the personal security of Americans worldwide. This is why Americans must not back away from completion of this project. If we do, we cede the discourse and, essentially, our future to radicals on both sides. The paradigm of a clash between the West and the Muslim world will continue, as it has in recent decades at terrible cost. It is a paradigm we must shift.“

Ich wiederhole meine Frage: Spricht so der Feind?

Anders gefragt: Wer ist hier der Freiheitskämpfer? Der blondmähnige Volkstribun aus Limburg oder dieser Imam?

 

Das multikulturelle Drama – ein Streit

Mitblogger NKB hat mit seinem Post die Dimensionen des letzten Threads gesprengt. Er verdient eine ausführliche Debatte, und darum habe ich mich entschlossen, ihm und Loewe hier einen kleinen Ring zum Boxen einzurichten:

@Loewe

Manichäisch reine und absolute Bewertungen liegen mir nicht.

So? Das überrascht mich nun aber etwas. Ich habe von Ihnen, namentlich in Bezug auf “Multikulti” und Israel, hier bislang nur absolute Bewertungen lesen können.

Der Unterschied zwischen uns besteht u. a. auch darin, dass ich zum Beispiel meine Eltern, mein Land, meine Partei – und das Multikulturelle lieben und schätzen kann, obwohl ich gleichzeitig auch Fehler, Grenzen, Kritikpunkte, Schwierigkeiten erlebe und zum Thema mache.

Ich denke weder, dass Sie Ihr Land lieben, noch kann ich mich daran erinnern, von Ihnen je ein aufrichtiges Wort zu Fehlern, Grenzen und Schwierigkeitengelesen zu haben – soweit es nur um das Thema Zuwanderung und dabei um Fehler, Grenzen und Schwierigkeiten von Zuwanderern ging. Wenig überraschend schreiben Sie denn auch im Folgenden, als wollten Sie mir präventiv recht geben:

Ist Multikulturalität ein Selbstläufer? – Nur dann und nur so weit, wie wir Deutsche selber integrationsfähig und integrationswillig sind und die Voraussetzungen dafür schaffen. Glücklicherweise sind wir es im großen und ganzen.

Haben Sie einmal darüber nachgedacht, dass es hier auch eine andere Seite gibt? Jedes Mal, wenn Sie sich hier austoben, sehe ich mich in meiner Meinung bestätigt, dass Zuwanderer, zumal aus dem Nahen Osten, für Sie höchstwahrscheinlich nur eine Projektionsfläche für eigene Komplexe sind… Weiter„Das multikulturelle Drama – ein Streit“

 

Nazis machen mobil gegen „Islamisierung“

Heute war eine Postwurfsendung der NPD in meinem Briefkasten – eine 4 Seiten starke Zeitung.
Ich wohne in Charlottenburg in einer alten Reihenhaussiedlung. Kein klassisches Neonaziterrain. Die Zeitung setzt denn auch auf ein neues Thema: „Islamisierung“.
Das Titelfoto zeigt eine Frau mit Kopftuch. Ein dazu gehöriger Text versucht mit zweifelhaften Zahlen zu erweisen, dass in wenigen Jahrzehnten Muslime die Mehrheit in Deutschland stellen werden. Falls nicht … die NPD ein Wörtchen mitreden wird.
Im Grunde hat der Flyer nur dieses eine Thema: die Verdrängung der Deutschen durch Muslime. Auf der Rückseite werden Werbematerialen angeboten. Darunter ein T-Shirt in rot-weißen Farben mit dem Aufdruck: „Danke Schweiz! Minarettverbot auch hier!“ Die Grafik: Ein fallendes Minarett.
Im Inneren ist ein Comic zu sehen, der sich wohl an jüngere Leser wendet. Da sieht man eine Schulklasse mit lauter schwarzen Haarschöpfen. Nur ein blonder Junge sitzt in der vordersten Reihe. Er meldet sich, wird aber nie drangenommen. Stattdessen die dunkelhaarigen Kinder, die grotesk falsches Deutsch sprechen und schreiben. Der Lehrer lobt sie dafür auch noch. Und der Ausländerbeauftragte „Zottel“ rügt das deutsch-blonde Kind, das sich darüber beschwert, als rassistisch.
Es wird das Bild einer korrupten Medien- und Politikelite gezeichnet, die sich heimlich dem Ziel der Islamisierung verschworen hat. Schon das Plädoyer für „Integration“ gilt hier als Indiz für die Zugehörigkeit zu dieser korrupten, vaterlandslosen Clique.
So geht es immer weiter auf diesen 4 nicht schlecht gemachten Seiten. Nach der Ächtung des Antisemitismus bis weit in die deutsche Rechte hinein (-> Homann) hat der völkische Rassismus ein neues Thema gefunden, das er für mehrheitsfähig hält. Auch in meinem kleinbürgerlich-soliden Berliner Westend. Ich glaube, wie ich hier verschiedentlich schon geschrieben habe, nicht daran, dass die Rechtsextremen das Thema der Integration des Islams werden kapern können.
Aber sie arbeiten hart daran. Und ihr Diskurs über die drohende Islamisierung ist sehr geschickt darum bemüht, sich mit einer landläufigen Islamkritik zu überlappen. Ein Grund mehr, auf genaue Begriffe und klare Argumente zu achten.

 

TV-Duell: Eine journalistische Katastrophe

Zeit für einen Wutanfall.

Kann es sein, dass die Journalisten (wir Journalisten) die Krise unseres politischen Systems herbeischreiben und herbeiquatschen (um mal beim gestrigen Abend zu bleiben), die wir dann beklagen?

Wie sich die vier Frager gestern abend bei dem „Duell“ zwischen Merkel und Steinmeier präsentiert haben, war beschämend. Statt die Kontrahenten zu den Inhalten zu befragen, wurde sofort auf die Metaebene ausgewichen: Sind Sie nicht ein altes Ehepaar? Wann wird der Wahlkampf endlich unterhaltend? (Als ginge es darum!) Wollen Sie nicht in Wahrheit eine zweite Große Koalition gründen? (Als wäre das nicht dem Wähler vorbehalten.) Und dann noch die „Tigerentenkoalition“ (Illner) oder die Schulnoten für Gerechtigkeit (Plasberg)! Halten diese Kollegen eigentlich das Publikum für doof und uninteressiert? Oder glauben sie, dass es eigentlich um nichts geht? Sie vermittelten jedenfalls den Eindruck.

Es wurde kaum in der Sache nachgefragt – Merkel nicht zu ihrem Steuerpopulismus, Steinmeier nicht zu seiner Opel-Retterei.

Immer wieder dieser Schwachsinn (Verzeihung), dass den beiden Kandidaten unterstellt wurde, sie könnten sich nichts Schöneres vorstellen als gemeinsam weiterzuregieren! Die Große Koalition war aber 2005 nicht gewünscht.Und sie wird auch nicht in Neuauflage erwünscht.

W i r (Wähler) haben sie herbeigewählt, die beiden Parteien haben sich in sie fügen müssen – und nun stehen beide vor historisch schlechtesten Wahlergebnissen. Und vor schrumpfenden Parteien, denen die Anhänger das Vertrauen entziehen.  Und müssen sich noch dazu vorhalten lassen, „langweilig“ zu sein. An der Zerstörung des Politischen ist diese Geschmäcklerei mit schuld.

Unerträglich auch der eitle Claus Peymann bei Anne Will, der sich „Sarkozy oder Berlusconi“ herbeiwünschte und der deutschen Politik „Zwergenhaftigkeit“ vorhielt. Was ist er denn selber für ein Geistesriese mit dieser Einlassung! Der Mann hält sich für links, aber sein populistische Schelte zeigt, aus lauter Rambazamba-Sehnsucht wäre er auch rechts sehr flexibel.

Die Intellektuellen (solche jedenfalls) sind in Deutschland das größere Problem für die Demokratie als die Politiker. Und die Journalisten dazu. Die Bildzeitung konnte sich ihren vorher ausgedachten Gag (Yes we gähn) nicht verkneifen, aber der Boulevard ist hier wirklich überall.Das Angeödetsein wird auch in manchen Qualitätsmedien gerne ausgestellt.

Wir haben keine korrupte, kaputte politische Kultur wie England. Wir haben keine zerstörte politische Kultur wie Amerika (wo Obama der blanke Hass entgegenschlägt). Wir haben keinen Berlusconi, keinen Wilders, keinen Blocher, keinen Le Pen, keinen Haider. Wir sind ein glückliches Land, was unser politisches Personal angeht.

Aber wir arbeiten hart daran, das kaputtzumachen.