Wilders weitet seinen Rassismus aus

Ich begrüße, dass Geert Wilders seinen Rassismus universalisiert. Zur Zeit sorgt eine Website seiner „Partei für die Freiheit“ für Aufsehen, die sich als „meldpunt“ (Meldestelle) für „Mittel- und Osteuropäer“ anbietet:

Heeft u overlast van MOE-landers? Of bent u uw baan kwijtgeraakt aan een Pool, Bulgaar, Roemeen of andere Midden- of Oost Europeaan? Wij willen het graag horen.

„Werden Sie von Mittel- und Osteuropäern belästigt? Oder haben Sie ihren Job an einen Polen, Bulgaren oder Rumänen oder andere Mittel- und Osteuropäer verloren? Wir wollen davon gerne hören.“

Nun haben 10 Botschafter betroffener Länder protestiert. Das ist verständlich, wird aber wenig Folgen haben, weil Mark Ruttes Minderheitsregierung von Wilders Duldung abhängt.

Interessant ist die Sache als Symptom der Transformation des Rechtsextremismus. Das Massaker von Utoya hat der islamophoben Ausrichtung gewisse politische Grenzen aufgezeigt. Die EU- und Euro-Krise eröffnet eine andere mögliche Front: Agitation gegen das Europa der 27 (und der 17). Aberwitzig ist es schon, dass Wilders unter dem Banner der „Freiheit“ gegen die Freizügigkeit der Arbeitskräfte in der EU agitiert.

Für jeden wahren Wirtschaftsliberalen ist Freizügigkeit im Gegenteil doch ein Kernbestandteil eines wiedervereinigten Europas ohne Mauern. Ein Grund der Strukturprobleme des europäischen Wirtschaftsraums ist mangelnde Beweglichkeit des Faktors Arbeit (im Vergleich mit den USA, wo sich regionale Krisen durch Wanderung leichter ausgleichen können).

Wilders interessiert sich für solche Dinge überhaupt nicht. Er ist ein Protektionist mit rassistischem Einschlag. Die muslimischen Migranten drängten sich nach 9/11 und van Gogh als Hauptgegner auf. Aber die Agitation in diese Richtung stößt nun an ihre Grenzen.

Muslime bleiben zwar mit Sicherheit aus ideologischen Gründen die Hauptgruppe, an der er sich auch in Zukunft abarbeiten wird. Aber Osteuropäer sind ihm nun eben auch recht. Überall in West- und Nordeuropa sind tief verankerte Stereotypen über die „Ostmenschen“ mit ihrer „kriminellen Ader“ und ihrer „niederen Kultur“ immer noch leicht abrufbar.  Man betrachte die zitierten holländischen Headlines auf der Website: „Osteuropäer immer kriminieller“, „Schamlose Diebe“, „Könnt ihr nicht lieber zurückkehren“.

Weil die Regierung Rutte Wilders bisherige Agenda schon weitgehend übernommen hat, nutzt sich seine Anti-Islam-Pose zusehends ab. EU und Euro sind also die nächste Arena für seine Polemik. (Ein deutscher Erfolgsautor bereitet dem Vernehmen nach auch ein neues Buch auf diesem Feld vor.)

Ich begrüße diese Ausweitung der Kampfzone, weil damit deutlich wird, dass Wilders nicht das Problem der Muslime und ihrer Vertreter ist. Er ist eine Herausforderung für alle Europäer, denen etwas an der Freiheit liegt.

 

Oranje boven – eine Königin gegen Wilders

Die Königin der Niederlande, Beatrix, war für mehrere Tage in Deutschland. Wie immer, haben solche Besuche eine inwärtige und eine auswärtige Seite. Die Königin wollte offenbar einige Botschaften nach Hause senden.

Das Bemerkenswerte: Im gegenwärtigen Klima der Niederlanden ist Deutschland zum guten Beispiel avanciert. Für alle Seiten, interessanter Weise. Es tobt eine Art Deutungskampf um den großen Nachbarn. Geert Wilders hatte sich ja bekanntlich begeistert darauf gestürzt, als die Bundeskanzlerin Multikulti für gescheitert erklärt hatte. Nun würden die Deutschen endlich aufwachen und seine Sicht habe sich bis in die Regierung durchgesetzt.

Beatrix setzte nun auf ihrem Deutschlandbesuch Gegenpunkte. Bei dem Festbankett lobte sie ausdrücklich die Rede des Bundespräsidenten vom 3. Oktober, in der Wulff den Islam als zu Deutschland gehörig bezeichnet hatte. Das war eine klare Botschaft nach Hause, wo Wilders den Koran verbieten lassen will. (Man muss dazu wissen, dass die Reden der Königin minutiös vom Regierungschef revidiert werden, in diesem Fall dem von Wilders geduldeten Liberalen Mark Rutte. Also könnte es sich auch um eine subtile Spitze Ruttes gegen Wilders handeln.)

Schließlich ließ Beatrix einen Besuch am Brandenburger Tor ausfallen, bestand aber auf einem Termin im auch in den Niederlanden bekannten Ortsteil Neukölln, wo sie in Anwesenheit von Bezirksbürgermeister Buschkowsy und Klaus Wowereit ein Projekt für Migrantenkinder besuchte. Auch Wilders war ja letzten Herbst in Berlin gewesen, um hier mit einer seiner apokalyptischen Islamreden die Partei „Die Freiheit“ aus der Taufe zu heben.

Schon vor drei Jahren hatte Beatrix in einer Weihnachtsansprache für den Zusammenhalt in der niederländischen Gesellschaft geworben. Wilders hatte sich damals angegriffen gefühlt – wahrscheinlich zu recht: „In dem, was einem Menschen lieb und heilig ist, ist er am meisten verwundbar.“ Ein wichtiger Satz, den man auch in Deutschland beherzigen sollte.

 

Was Geert Wilders wirklich in Berlin gesagt hat

Es reicht nicht, Wilders als Nazi oder Scharlatan abzutun. Man muss versuchen, die Radikalität seiner Thesen zu verstehen. Mein Text aus der ZEIT von morgen, Donnerstag, den 7. Oktober, zum Auftritt von Geert Wilders in Berlin:
Der Erfolg des Rechtspopulismus in Europa hat viele Gründe. Einer davon ist die Kombination von Entrüstung und Ahnungslosigkeit aufseiten seiner Gegner. Die paar Dutzend, die gegen Geert Wilders Berliner Auftritt am vergangenen Samstag mobilmachten, trugen stilisierte Hitler-Bilder. Antifa-Folklore statt Analyse.
Wilders ist aber kein Nazi. Drinnen, im Saal des Hotel Berlin, leuchtete der Wahlspruch der neuen Partei (»Die Freiheit«), deren Geburtshelfer er sein möchte, auch in hebräischen Buchstaben( »Wir lieben die Freiheit!«). Bewusst wird die Grenze zur alten Rechten gezogen. Wilders Israelfreundschaft erfüllt zwei Funktionen. Erstens sagt sie: Ich bin zwar sehr blond, aber keine Bestie. Zweitens hat Israel in seiner antimuslimischen Geschichtstheorie eine wichtige Rolle als Frontstaat des Westens gegen die Welle des Islams, die Europa zu überrollen droht.
Geert Wilders Rechtspopulismus ist für Konservative eine größere Herausforderung als für die Linke. Karl-Theodor zu Guttenberg scheint das erkannt zu haben. Doch auch der CSU-Politiker macht es sich leicht, wenn er Wilders abtut als einen »jener Scharlatane, die dieser Tage herumturnen«.
Man muss sich die Mühe machen, jener Berliner Rede genau zuzuhören, der 700 Zuhörer im Hotel Berlin zujubelten. Denn wer dem zugleich abgedrehten und konsequenten Gedankengang von Wilders folgt, der versteht, welcher neue Radikalismus der Mitte sich zusammenbraut.
Gleich zu Beginn baut der freundliche Demagoge die Grundlage seines Arguments auf: Deutschland brauche »eine politische Bewegung, die die deutsche Identität verteidigt und sich der Islamisierung Deutschlands entgegenstellt«. Angela Merkel hingegen erkläre die Islamisierung Deutschlands für unvermeidlich«. Sie habe, so Wilders, die Bürger aufgerufen, sich auf »Veränderungen durch Einwanderung einzustellen«.
Damit ist mit wenigen Sätzen die Kampfzone skizziert: »Deutsche Identität« steht gegen »Islamisierung«, und Einwanderung ist gleich »Islamisierung«. Die deutsche Regierung nimmt Einwanderung hin, ergo: Merkel ist eine nützliche Idiotin der Islamisierung.
Dann begründet Wilders, warum der Islam eine politische Ideologie sei, die nur Ahnungslose für eine Religion halten könnten. Er beruft sich auf Islamkritiker ebenso wie auf radikale Islamisten. Zwischen Islam und Islamismus zu unterscheiden, wie es die Bundesregierung mit ihrer Islamkonferenz macht, ist danach sinnlos: Der Islam sei der dritte Totalitarismus nach Kommunismus und Nationalsozialismus. Die heutigen Führer des Westens seien unfähig, die Gefahr zu erkennen. Das Establishment – Politik, Medien, Kirchen, Universitäten – setze die Freiheit aufs Spiel, indem es den Islam anderen Re­ligionen gleichstelle. Das ist »Appeasement« des Islams, und also ist auch das gesamte Establishment ein Instrument der »Islamisierung«. Widerstand dagegen wird zur Pflicht.
Der Islam ist beileibe nicht nur durch Terrorismus gefährlich (obwohl dieser nach Wilders keine Pervertierung, sondern sein Wesen ist). Seine Ausbreitung, sagt er, geschehe historisch entweder durch militärische Eroberung – oder »durch die Waffe der Hidschra, der Einwanderung (…). Mohammed eroberte Medina durch Einwanderung. Hidschra ist auch das, dem wir uns heute gegenübersehen. Die Islamisierung Europas schreitet kontinuierlich voran.« Man muss sich die Radikalität dieses Gedankens und seiner logischen Konse­quenzen klarmachen: Muslimische Einwanderer sind Eroberer, Migration ist eine Waffe im Kampf des Islams um Herrschaft.
Wenn man diese Weltsicht teilt, müssen viele Maßnahmen legitim erscheinen, gegen die sich mancher vielleicht noch sträubt. Wilders möchte die Deutschen von ihren Schuldkomplexen befreien, damit sie ungehemmt »dem Kampf für ihre eigene Identität« nachgehen können. Er zeichnet eine apokalyptische Situation, die jedes Mittel gerechtfertigt erscheinen lässt. Ein Verbot des Korans, wie von Wilders gefordert, kann dann eigentlich nur ein Anfang sein. Moscheen und Kopftücher in unseren Städten zu akzeptieren ist Defätismus, eine Versündigung an der Freiheit. Wer Wilders Gedanken nachvollzieht, kann konsequenterweise Muslime nicht einmal dulden wollen.
Ein Scharlatan? Wilders sieht sich als Prophet des Endkampfs »für unsere Identität«. Er ist groß im Angstmachen, aber auch als Erlöser – von Schuldgefühlen und bürgerlichen Bedenken. Die Entfremdung des Volkes von der Politik ist sein Geschäft. Es läuft recht gut. Auch mitten in Berlin.

 

Warum Geert Wilders‘ Erfolg ihm vielleicht nichts bringt

Zu den unverantwortlichen Positionen von Geert Wilders muss ich hier nichts mehr sagen. Aber wie sieht es nun mit seinen Chancen aus, nach dem großen Sieg an der Regierung beteiligt zu werden?

In dem sehr Wilders-freundlichen Magazin Elsevier analysiert Syp Wynia den Wahlausgang in den Niederland. Er hält Wilders Chancen auf eine Regierungsbeteiligung für „minimal“.

Wilders hat zwar mit seiner PVV von 15 auf 24 Sitze in der „Zweiten Kammer“ – dem Parlament – zulegen können. Doch eine von dem Rechtsliberalen Mark Rutte (VVD) angeführte Koalition aus VVD, Christdemokraten und Wilders‘ PVV  hätte nur einen Sitz Mehrheit.

Im Oberhaus – der „Eerste Kamer“ – hätte man vorerst gar keine Mehrheit, bis zu den Provinzwahlen (statenverkiezingen) im kommenden Jahr.

Vor allem aber die superknappe Mehrheit in der Tweede Kamer dürfte Rutte zu riskant sein, weil Wilders‘ Truppe als nicht sehr zuverlässig gilt:

„Dat is heel wankel.

Er hoeft maar één kamerlid van de PVV (of een van de andere deelnemende partijen) uit de fractie te stappen, of ook de meerderheid in de Tweede Kamer is weg. Dat risico is te groot.“ (Es muss nur ein Abgeordneter der PVV (oder der anderen beteiligten Parteien) die Fraktion verlassen, und auch die Mehrheit im Parlament ist weg. Das Riskiko ist zu groß.)

Möglich wäre dann eine Stützung dieser Koalition, meint Wynia, durch die SGP, eine kleine evangelisch-refomierte Partei. Die SGP (Staatkundig Gereformeerde Partij) ist ultrakonservativ-calvinistisch. Sie strebt eine Theokratie an und hat bis 2007 keine Frauen als Vollmitglieder und Abgeordnete zugelassen.

Ich fände das witzig: Der Islambasher Wilders wird von einer christianistischen Theokratenpartei gestützt, die nur durch Zwang zur Gleichberechtigung von Frauen gedrängt werden konnte!

Aber Syp Wynia ist nicht überzeugt, dass es so kommen wird: Rutte will gar nicht mit Wilders regieren, schreibt er. Er ist ihm wirtschaftlich zu links – zu sozialpopulistisch. (Wilders war im Wahlkampf z. B. vehement gegen eine Rente mit 67. Wilders ist nicht gegen den Sozialstaat, er will ihn bloss für Einheimische reservieren. Seine Reformideen beschränken sich darauf, Migranten von Sozialleistungen auszuschließen.) Wynia: „Rutte wijst op ‘de heel linkse economische agenda’ van de PVV. Dat wijst niet op een grote hunkering naar samenwerking met de PVV.“

Außerdem hat Wynia große Zweifel daran, ob Wilders überhaupt die Leute hat, um in eine Regieurng einzutreten. Die Partei ist ja eine One-man-show:

„Het is ook mogelijk dat Wilders niet ten koste van alles wil regeren, maar de schuld voor zo’n uitkomst wel bij Rutte en Verhagen neer wil leggen.“ (Möglich, dass Wilders gar nicht um jeden Preis regieren will, aber die Schuld für dieses Ergebnis gerne bei Rutte und Verhagen abladen möchte.)

Dies mache wiederum die Chance größer, so Wynia, dass es zu einer Koalition der Rechtsliberalen, Sozialdemokraten und Christdemokraten komme – also zu einer ganz großen Koalition.

Und wäre das nicht die schönste Sache überhaupt für einen wie Wilders? Er könnte dann weiter unverantwortlich vom Rand aus hineinbrüllen, sich zum ausgeschlossenen Opfer stilisieren und Hass gegen die etablierte Politik säen.

 

Wilders Erfolg: Holland ist kein Modell

Natürlich ist das zunächst mal nur eine Koinzidenz. Aber vielleicht steckt ja etwas mehr in dieser Parallelität der Ereignisse:

In Holland gewinnt Geert Wilders mit seiner one-issue-Partei grosse Anteile der Wählerschaft in Almere und Den Haag. Die PVV nennt sich „Partei für die Freiheit“, hat aber eigentlich nur ein Thema: Die Muslime sind unser Unglück. Vor allem wegen des Versagens der etablierten (ehemaligen) Großparteien – Sozis und Christdemokraten – wächst der Nimbus des islamfeindlichen  Rechtspopulisten.

Zur gleichen Zeit in Deutschland: Innenminister de Maizière verkündet, wie hier bereits vorab berichtet, er werde die Deutsche Islamkonferenz fortsetzen. Die ganze Sache wird nun aber praktischer angegangen, weshalb zum Beispiel staatlicherseits mehrere Oberbürgermeister von Städten mit hohem Migrantenanteil dabei sein werden. Auf der Seite der Verbände wird auf den Islamrat verzichtet, eine Briefkastenfirma von Milli Görüs. (Der hatte die Chuzpe, am Tag vor der Verkündigung dieser Nachricht von sich aus auf die Mitarbeit zu verzichten. Nachdem man vorher behauptet hatte, ohne den Islamrat sei es keine Islamkonferenz mehr: sehr lustig!) Die feministischen Kritikerinnen Kelek und Ates werden zwar nicht mehr im Plenum dabei sein, aber de Maizière sagte gestern, er werde sie und andere als persönliche Berater mit dazuziehen.

Und noch eine weitere Nachricht von gestern, während unsere Nachbarn Wilders wählten: Die islamistischen „Sauerlandbomber“ erhielten hohe Haftstrafen zwischen 5 und 12 Jahren. Zwar hatten sie noch keine konkrete Anschlagsplanung gemacht. Aber die abgehörten Absprachen und das beschaffte Material ließen auf einen Anschlag von der Größe der Madrider oder Londoner Mordtaten schließen. Richter Breitling stellte fest, dass wir tiefe Einblicke in Radikalisierungsprozesse der Szene bekommen haben, aber mit unseren Erkenntnissen über die islamistische Gefahr erst am Anfang stehen.

Manche Kommentatoren von Wilders‘ Erfolg – wie etwa der früher eigentlich zurechnungsfähige vernünftige Kollege Rainer Haubrich in der WELT – wollen nun herbeischreiben, dass Holland uns voraus sei. Die Niederländer seien einfach schon weiter in ihrer Wahrnehmung der islamischen Gefahr. Und darum werde etwas ähnliches wie der Wildersche Erfolg auch hier möglich sein.

Ich glaube, es ist umgekehrt: Deutschland ist Europas Modell im Umgang mit dem Islam. Dialog und Sanktion, Gefühl und Härte – ohne Gegensatz, sondern im Einklang für das Ziel einer offenen Gesellschaft mit Zusammenhalt. Die Radikalen isolieren, verfolgen und verurteilen, den anderen die Hand ausstrecken. So einfach ist das.

 

Warum Deutschland keinen Wilders braucht

In Holland wird die Implosion der politischen Mitte womöglich bald zu einer Regierungsbeteiligung des blonden Bannerträgers des liberalen Rassismus in Europa führen. Deutschland hat und braucht keinen Wilders, wie sich an zwei bemerkenswerten Interviews des Wochenendes zeigen läßt: Der kluge konservative CSU-Mann Alois Glück und der SPD-Innensenator von Berlin Erhart Körting, haben sich bei zu dem Zusammenleben mit Muslimen hierzulande geäußert. Und es ist beispielhaft, wie sie dabei Sorgen und Probleme der Integration einer für Deutschland neuen Religion aufnehmen, ohne Ressentiments zu bedienen:

WELT ONLINE : Herr Glück, Sie haben einen guten Einblick in die islamische Community in Deutschland. Ist zwischen Katholiken und Muslimen eine Kooperation, wenn nicht gar Allianz in ethisch-moralischen Fragen denkbar?

Glück : In Teilen des Islam sehe ich eine solche Kooperationsbereitschaft. Aber es gibt noch Erklärungsbedarf: etwa zu Fragen unserer Verfassung, der Trennung von Staat und Religion, der Freiheit des Religionswechsels, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, und zur gleichen Würde der Frau.

WELT ONLINE : Gleiche Würde, das sagen auch Muslime, was freilich noch nicht Bereitschaft zur vollen Gleichberechtigung bedeutet.

Glück : Das ist auch ein kultureller Prozess. Jüngste Untersuchungen in Deutschland zeigen die große Bandbreite der Einstellungen des Islam. Als grobe Orientierung kann man sagen: Je stärker Muslime säkularisiert sind, umso mehr schätzen sie unsere Verfassungs- und Gesellschaftsordnung. Seien wir ehrlich: Auch wir haben einen kulturellen Prozess durchgemacht. Ich kenne noch die geschlossenen Gesellschaften der 50er- und 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, in denen die Gleichberechtigung der Frau nicht voll akzeptiert wurde. Das gilt auch für Teile unserer Kirche.

WELT ONLINE : Sehen Sie in den Islam-Verbänden Ansätze einer Hinwendung zu einem europäischen, vielleicht deutschen Islam?

Glück : Es gibt niemanden, der für das Ganze sprechen kann, das ist ein unglaublich schwieriges Problem. Wir sehen große Spannungen etwa zwischen Sunniten und Schiiten. Wir haben, was unsere Verfassung betrifft, eine große Zustimmung beispielsweise bei den Aleviten, aber auch anderen Gruppen. Die Verbände sind aber noch stark geprägt vom Islam der Herkunftsländer. Es ist ganz dringlich, dass wir zu Ausbildungen in Deutschland kommen, auch, was die Imame angeht. Es gibt nach meiner Erfahrung viele Muslime, die unsere Kultur bejahen und zugleich ihren Glauben leben. Es ist ein großer Unterschied, ob in eine Ditib-Moschee ein Imam kommt, der einige Jahre hier ist und dann wieder in die Türkei zurückkehrt, oder ob es Menschen sind, die sich hier entwickelt haben. Das ist eine der großen Zukunftsaufgaben, die wir aber nicht ohne die Muslime lösen können.

WELT ONLINE : Das heißt, die Verbände sollen einbezogen werden?

Glück : Wir können sie nicht ausschalten, müssen aber wissen, dass sie, wie die Untersuchungen zeigen, eben nicht den ganzen Islam vertreten. Auch wenn wir immer wieder Enttäuschungen erleben sollten, müssen wir mit konstruktiven Kräften kooperieren. Und wir müssen die tief verwurzelten Ängste in unserer Bevölkerung ernst nehmen.

WELT ONLINE : Leidet die deutsche Gesellschaft an Islamophobie? Der Berliner Historiker Wolfgang Benz hat Parallelen zum Antisemitismus gezogen.

Glück : Die Parallele halte ich für falsch. Solche Vergleiche verbieten sich. Es gibt eine Angst, die vielfältige Ursachen hat: die Türken vor Wien, der Terrorismus durch fanatische Muslime, Angst vor Überfremdung. Es gibt viele Anfragen an die Muslime. Es geht nicht nur um den guten Willen unsererseits, es geht auch um die Integrationsbereitschaft der Muslime in eine Gesellschaft, die christlich-abendländisch geprägt ist. Zu ihr gehören Toleranz und Freiheit der Religionsausübung in all ihren Formen. Insofern ist es auch kein Widerspruch, die kulturellen Prägungen unseres Landes durch das Christentum zu betonen und gleichzeitig offen zu sein für ein ehrliches Zusammenleben mit den Muslimen ?

WELT ONLINE : … was in islamischen Ländern die umgekehrte Wirklichkeit ist ?

Glück: … aber wir nicht zum Maßstab unseres Handelns machen dürfen. Wir dürfen nicht wegen einer solchen Wirklichkeit in anderen Ländern oder des Verhaltens einer Minderheit hierzulande die Werte unseres Grundgesetzes relativieren.

(Alles lesen).

Und Körting im Tagesspiegel:

„Wir sind ein hochtechnisiertes Land, in dem Sie nur dann einen guten Lebensstandard erwirtschaften können, wenn Sie über sehr viel Bildung und Ausbildung verfügen. Es mag für den Einzelnen noch funktionieren, wenn er sagt, ich bin es gewohnt, mit wenig auszukommen und lasse mir von Vater Staat helfen. Aber spätestens an den Kindern versündigen sich diese Leute. Seinen Kindern das zuzumuten, was man selbst aus Palästina oder anderswo kennt, ist nicht in Ordnung. Sie grenzen damit ihre Kinder von der Gesellschaft ab. Wer nicht bereit ist, das Bestmögliche für seine Kinder zu tun, muss damit rechnen, dass sie kriminell werden und abdriften.


Wie kommt es, dass in der Öffentlichkeit immer von Türken und Arabern die Rede ist, wenn es um Integrationsprobleme in Berlin geht? Machen andere Gruppen keine Schwierigkeiten?

Es gibt eine europäische Kulturidentität, die Integration erleichtert. Diese Identität haben beispielsweise Italiener, Spanier, Polen, in Teilen auch Russen und Ukrainer. Höchstwahrscheinlich auch Menschen aus Ankara und Istanbul. Bei Leuten aus Mardin, im Osten der Türkei, gibt es diese Kulturidentität schon nicht mehr, weil sie dort in einer Welt leben, die sich in vielen Bereichen sehr von unserer unterscheidet. Und deshalb sind bei diesen Menschen mehr Anstrengungen erforderlich, um Integration zu erreichen, als bei anderen.

Es heißt aber doch oft, Vietnamesen seien in Deutschland am besten integriert. Die haben mit der europäischen Kultur kaum Berührungspunkte, wenn sie herkommen.

Das hat wiederum nichts mit der Kultur zu tun, ebenso wie bei Chinesen, Armeniern oder anderen kleinen Gruppen. Zuwanderer, die zahlenmäßig nicht in großen Communities leben, sind stärker gezwungen sich zu integrieren, wenn sie überleben wollen.

Die türkische Regierung erklärt, es leben in 118 Ländern rund 5 Millionen Auslandstürken, davon über zwei Millionen allein in Deutschland. Ist die große Zahl ein Nachteil für ihre Integration?

Nachteil klingt immer so negativ. Ich würde sagen, je größer die Gruppe ist, desto größer müssen die Integrationsanstrengungen sein. Die große Gruppe hat einen Vorteil: Die Menschen fühlen sich emotional gebunden und sicher. Der Nachteil ist, dass große Gruppen schnell ein Eigenleben entwickeln, mit eigenen Geschäften, Gaststätten, Ärzten etc. Das Phänomen gibt es nicht nur in Bezug auf Türken, sondern auch Araber in Neukölln und manche Russen in Marzahn-Hellersdorf. Das Paradebeispiel sind junge Menschen aus der Türkei, die in Deutschland in eine türkische Familie einheiraten und hier keinerlei Bedürfnis entwickeln, Deutsch zu lernen. Sie können so weiterleben wie in der Türkei. Diese Situation erschwert die Integration in der Gesamtgesellschaft.

Sie haben vor kurzem in einem Interview gesagt, dass wir auch deshalb ein Problem mit Integration haben, weil sich der türkische Staat noch immer politisch verantwortlich fühlt und einmischt. An anderer Stelle sagten Sie, „das hat keine konkreten Auswirkungen auf die hier lebenden Türken“. Was stimmt nun?

Zu sagen, die Türkei ist schuld an unseren Integrationsproblemen, wäre viel zu verkürzt. Aber auch der türkische Staat muss akzeptieren, dass die Menschen aus der Türkei, die hier leben, Auswanderer sind. Manchmal habe ich aber den Eindruck, dass einige türkische Politiker eine Vormundschaft für türkische Bürger beanspruchen. Kritisch wird es, wenn einige vermitteln, „ihr seid zwar ausgewandert, aber eigentlich gehört ihr noch zur Türkei und werdet überall schlecht behandelt außer bei uns“. Das ist desintegrativ.

 

Geert Wilders in London an der Einreise gehindert

Ich habe kein Verständnis für die britische Entscheidung, dem niederländischen Abgeordneten Wilders die Einreise nach Großbritannien zu verweigern. 

Ich verachte zwar diesen Herrn und seine Politik, wie ich hier bereits festgestellt habe.

Aber die Meinungsfreiheit – und die Freizügigkeit – eines gewählten Abgeordneten eines europäischen Landes sind ein hohes Gut, das nur unter sehr schweren Bedingungen eingeschränkt werden dürfen. Wilders ist in Holland angeklagt wegen Volksverhetzung. Er ist aber noch nicht verurteilt.

Die britische Regierung macht präventive Gründe – Gefahrenabwehr – geltend in Ihrem Schreiben an Wilders.

Seine Gegenwart auf der Insel würde eine „genuine, unmittelbare und ausreichende Gefährdung der grundlegenden Interessen unserer Gesellschaft“ darstellen, heißt es in dem Brief. Wow, die „grundlegenden Interessen unserer Gesellschaft“?

Das ist eine Bankrotterklärung der britischen Sicherheitsbehörden, die sich offenbar nicht in der Lage sehen, in Absprache mit den muslimischen Verbänden das nötige Krisenmanagement für den Fall eines solchen angekündigten Besuchs zu betreiben.  

Was ist denn eigentlich zu befürchten? Demonstrationen? Gewalttätige Ausschreitungen? Müssen wir davor jetzt auch schon so viel Angst haben, dass es gar nicht mehr dazu kommen darf? Wo kommen wir denn da hin, wenn allein die Möglichkeit solcher Ausschreitungen schon die massive Einschränkung der Grundwerte ermöglicht?

Dennoch ist die Sache nicht ganz einfach: Unter der gleichen Gesetzgebung sind in England bereits etwa 270 Personen an der Einreise gehindert worden. Die meisten von ihnen sind keine selbst ernannten „Islamkritiker“ wie Wilders. Fast 80 werden im Gegenteil  als islamistische „Hassprediger“ qualifiziert. 

Aber ist es legitim, auch Wilders seinerseits als einen Hassprediger zu sehen und auch so zu behandeln?Zweifellos ist er ein Provokateur, der Krawall und möglicherweise auch gewalttätigen Krawall in Kauf nimmt, weil er ihm nützen könnte.

Aber er ruft eben nicht zur Gewalt auf. Sein Verbrechen besteht einzig darin, Dinge zu sagen, und sie so zu sagen, dass sie für viele Menschen verletzend sein könnten.

Wilders behauptet gerne, er sei ein Aufklärer. Er ist es nicht. Er ist ein Finsterling, der sich zu Unrecht in eine Reihe mit Rushdie rücken will, der vor genau 20 Jahren zur Zeilscheibe des islamistischen Hasses wurde. 

Aber diese feinen Unterschiede wären ein Thema für politischen Streit, den die englische Politik lieber gleich vorab unterbindet. Fatal. Wie weit ist das Mißtrauen des britischen Staates gegenüber der eigenen Zivilgesellschaft und den eigenen Bürgern schon gediehen, dass Grundfreiheiten für solche leichtfertigen politischen Manöver aufgehoben werden?

Die Muslime in Grossbritannien sollten sich im Spiegel dieser Entscheidung ansehen und sich fragen, ob sie so gesehen werden wollen: allzeit leicht entflammbar, unfähig zu zivilisiertem Streit mit unangenehmen Zeitgenossen, und jederzeit bereit, Grundfreiheiten aufzugeben, wenn bloss die eigenen Empfindlichkeiten berührt sind (aber freilich dann darauf pochend, wenn es die eigene Seite trifft).

Das britische Vorgehen ist nicht nur rechtspolitisch fatal, es ist auch völlig unnötig: Gestern berichtete ein holländischer Muslimfunktionär stolz auf einer Tagung u.a. der Britischen Botschaft in Berlin, man habe den heraufziehenden Sturm um Wilders‘ Film „Fitna“ klug abgewandt, indem man unaufgeregt und entschieden reagiert habe und die eigenen Reihen ruhig gehalten habe. Mit den Sicherheitsbehörden habe man weiträumig im Vorfeld besprochen, wie eine Wutwelle zu handhaben sei, und selbst in die islamischen Staaten sei man gefahren, um dort Holland zu verteidigen: „Die Meinungsfreiheit, die ich in Holland als Muslim habe, steht auch unseren Gegnern wie Wilders zu“, sagte ein Vertreter des größten Muslimverbandes. „Das verteidige ich ganz offensiv in meinem Herkunftsland.“

„Fitna“ wurde so ein Non-Event. Wilders hatte sich verrechnet.

England geht einen verhängnsiwollen anderen Weg mit seinen Muslimen: Es ist eine ängstliche Politik der geringen Erwartungen und der ganz kleinlichen, faulen Kompromisse.

Wer die „Harmonie zwischen den Gemeinschaften“ stört, bedroht die öffentliche Ordnung, so heißt es in dem Brief an Wilders. Die Sprache erinnert an Orwells „1984“. Oder an chinesischen KP-Verlautbarungen. 

Ein schlechter Tag für Europa.

 

Warum Muslime Wilders‘ Film ernst nehmen sollten

Darüber schreibt D.B.Shobrawy, ein mutiger junger Blogger ägyptischer Herkunft aus Chicago. Er fragt sich, woher die Wut auf den Film sich speist – nicht nur unter Radikalen, sondern selbst unter seinen moderaten Freunden:

Finally I came to another realization, I asked myself, “what is it specifically that has made people so angry that they want to kill over it?” Is it….

-The original Mohamed cartoon showing Mohamed and a bomb on his head depicted at the beginning and end of the film?

-The listing of verses from the Quran that are seen as shocking from the perspective of non-Muslims?

-Clip’s of Sheikh’s, Imam’s and Jihadist’s dedicating themselves to the murder of Christians, Jew’s and all types of Westerners?

-The implied illusion of a page being torn out of the Quran in the end?

-The comparison of Islamization of Europe to Nazism and communism?

-The request that Islamic ideology be “defeated”?

-Or is it simply that a non-muslim has made a movie critical of Islam?

I’ll assure you that for the wild and ignorant zombie monkey’s that burn embassies, murder clergy and send death threats to anyone within 100 degrees of separation from the movie itself, its the latter. These people are animals, too simple minded to see that their violent response gives credibility to the criticism posed by the movie in the first place. I’ve browsed fellow bloggers who call themselves moderate or even non-practicing Muslims and found much angrier responses to the movie than I would have expected.

Instead of following with a knee jerk reaction or just shouting “islamophob” take the movie for what it is, a fair reflection of how violent, angry and hate filled people have interpreted the Quran and how their perverted interpretations have changed the face of Islam all around the world. How many times have I heard, “these terrorists do not reflect Islam”, “this is not the Islam I know”. By simply condemning the movie because you view it as an attack on Muslims and not an attack on a specific ideological interpretation of Islam, then you have let a great opportunity pass you by. The West fears Islam because there aren’t enough Muslims who are willing to publicly condemn the actions of other Muslims. This has been a pivotal problem in the West’s confrontation with Islam. By staying quiet and being angered by criticism aimed at barbaric animals like those featured in Fitna you allow those animals to represent you and Islam.

 

Holländische Juden gegen Geert Wilders

Der niederländische Centraal Joods Overleg (Zentralrat der Juden) kritisiert Geert Wilders für seinen Film, der unzulässige Generalisierungen enthalte und „kontraproduktiv“ sei:

Met het in beeld brengen van grafieken die de explosieve groei van de Moslim bevolking in Nederland en in Europa moeten voorstellen, in relatie met de getoonde terreuraanslagen en met de slogan ‘stop de islamisering, verdedig onze vrijheid’ suggereert Wilders, dat alle Moslims potentiële terroristen zijn die onze samenleving omver willen werpen. Dat strookt niet met de feiten en zet op een onacceptabele wijze een hele bevolkingsgroep in een kwaad daglicht. Een Nederlands politicus dient zich van dit soort generaliserende voorstellingen te onthouden.

Zu Deutsch: „Indem er Grafiken über das explosive Wachstum der muslimischen Bevölkerung in den Niederlanden und Europa zeigt und diese in Beziehung setzt mit terroristischen Anschlägen und mit dem Slogan ‚Stoppt die Islamisierung, verteidigt unsere Freiheit‘, suggeriert Wilders, dass alle Muslime potentielle Terroristen seien, die unser Zusammenleben zerstören wollen. Das stimmt nicht mit den Tatsachen überein und setzt eine ganze Bevölkerungsgruppe in ein schiefes Licht. Ein niederländischer Politiker sollte sich dieser Sorte verallgemeinernder Behauptungen enthalten.“

Zugleich betont die jüdische Dachorganisation, dass die Radikalisierung in Teilen der muslimischen Welt Anlass zu ernster Sorge ist und ruft zur Wachsamkeit und zur streitbaren Verteidigung der Demokratie auf.

Sehr gut. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.

(Hier ein englischer Bericht in Haaretz.)

 

Geert Wilders und das Ende der Islamkritik für Dumme

Der Film „Fitna“ ist bislang ein Non-Event. Das ist gut so, und es zeigt, dass die Islamkritik an einem Scheidepunkt angekommen ist.
Wilders‘ Film beruht auf lauter altem Material, das weidlich bekannt ist.
Ohne das monatelange Vorab-Marketing hätte sich kaum jemand für dieses dürftige Werk interessiert.
Die dokumentierten Hasstiraden und die bekannten anstössigen Koran-Verse sind seit Jahren Thema, unter anderem auf Blogs wie diesem hier.

Und sie werden es auch sehr zu Recht so lange bleiben, bis die Muslime selbst sie widerlegt, kontextualisiert oder historisiert und damit entschärft haben. Das ist der einzige – allerdings gewichtige – valide Punkt in Wilders‘ Argumentation. (Wird hier freilich seit Jahren auch schon genau so gesagt.)

Es geht nicht an, dass dieser anstößige Punkt gleich mit erledigt wird, indem man auf Wilders bekannte „rechtsgerichtete“ (tolles Wort!) oder „islamfeindliche“ Haltung verweist. Der UN-Generalsekretär, die niederländische Regierung oder die EU sollten sich hüten, in ihrer ängstlichen Kritik diese Baustelle zu schließen. Die anständigen Muslime müssen da heran, und sie müssen es sehr viel offensiver tun als bisher.

Bis hierher habe ich absolut kein Problem mit „Fitna“ – ausser dass der Film total schlecht gemacht und langweilig ist. Ich finde es nicht unangemessen, wenn Koranverse über die „Ungläubigen“ zitiert werden und dann die Flugzeuge gezeigt werden, die in die Towers fliegen. (Der Kollege Peter Körte in der FAS kritisiert dieses Montage-Verfahren.) Es ist aber nun einmal so, dass die Islamisten sich auf diese Weise ermächtigt sehen. Und es bleibt die Aufgabe der vernünftigen und friedliebenden Muslime, jenen die heilige Schrift aus der Hand zu schlagen.

Mein Problem mit Wilders beginnt da, wo er die muslimische Einwanderung nach Europa in dramtischen Balkendiagrammen ins Spiel bringt. Von ein paar Dutzend Muslimen am Anfang des letzten Jahrhunderts in Holland bis zu den angeblichen 54 Millionen, die heute in Europa leben, wachsen die Balken bedrohlich an. Und dann werden dazu die Horrorbilder über die Ermordung von Schwulen und die Mädchenbeschneidung montiert – mit der Frage, ob dies Europas Zukunft sein solle.
Das ist genau die Logik der Islamisten, die jeden Einwanderer – egal ob aus Marokko, der Türkei, aus Bosnien oder Iran – als einen Soldaten in ihrem Kampf sehen möchten. Für die radikalen Islamisten gibt es keine säkularen Muslime, keine lauen Gläubigen, keine Freitagsbeter, keine Kulturmuslime, keine Biertrinker und Speckesser unter den Ihrigen. Für sie – Wilders zeigt ja einige ihrer Prediger – sind Muslime in Europa entweder Vorhut der Islamisierung oder Verräter. Genauso denkt Wilders, denn anders käme er nicht auf seine bedrohlichen Zahlen.

Und hier ist übrigens die ästhetische Gestalt dieses Films äußerst verräterisch: Er bedient sich der gleichen Technik und der gleichen Bildsprache wie die islamistischen Propagandavideos: Die Pflicht der Muslime zur Tötung von Ungläubigen und Juden wird direkt aus dem Koran abgeleitet. Dem Vers folgt dann das Snuff-Video von der Hinrichtung. Wilders‘ Film sieht über weite Strecken aus wie von der Propagandaabteilung von Al-Qaida gemacht – ein ästhetisches Stockholm-Syndrom.
Daraus muss die Islamkritik sich befreien.

Wir müssen das Wahnbild der Islamisten entzaubern, statt es von „islamkritischer“ Seite zu bestätigen.