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Zwei Gänge oder großes Menü?

Ein Gast schrieb mich an. Die Frage war, warum er nicht ein großes Menü mit sieben Gängen essen hat dürfen. Seine zwei Begleiterinnen hatten Salat und ein Hauptgericht. Ich antwortete:

„..auf Ihre Frage will ich gerne antworten. Ich bin ein Freund des gemeinsamen Essen, wie das in Italien und Frankreich üblich ist. Man hat dann zwar nicht den gegenseitigen „ich-hab-was-was-Du-nicht-hast-Effekt“, aber dafür ein einigendes Ess-Erlebnis im Sinne alter Kultur, und nicht der neuzeitlichen Schnäppchenmentalität dienend.

Wer ein großes Menü isst, sollte die mit am Tisch sitzenden, die nur zwei Gänge bestellt haben (ich selbst esse nie mehr als zwei Gänge, evtl. noch ein Dessert dazu), man sollte diese Leute nicht eine Stunde zum Zusehen zwingen. Auch dann nicht, wenn es sich um die Gattin, um eine abgehärtete Ehefrau handelt.
Beim kleinen Menü mit vier Gängen ist das alles kein Problem. Zu oft habe ich die Spannungen erlebt, die sich ergeben haben wenn der eine stundenlang frisst und die andern zuschauen. Daran sind schon Ehen zerbrochen.

Mir ist klar, wer von weit angereist kommt will natürlich den größten Nutzen aus dem Besuch ziehen, da nie gewiss ist, wann man wiederkommt. Trotzdem, glauben Sie mir, weniger ist mehr, das trifft auch auf Restaurantbesuche zu.

Herzliche Grüße, und trotz allem mit großem Verständnis für Sie, Ihr Vincent Klink.“

 

Schwäbische Hochküche – leider selten

Mit dem Bib von Michelin hat es noch etwas auf sich. Er wird verliehen, wenn bürgerliche Küche sehr gut gekocht und obendrein – das ist das Problem – preiswert angeboten wird.
Den Bib bekommt man für Selbstausbeutung. Immerhin.

Traditionelle Küche sehr gut gekocht dürfte die personalintensivste Variante der Kochkunst sein. Spätzle machen, Knödel, Rouladen wickeln, endlos schmoren etc., dagegen ist das braten einer Jakobsmuschel, und ein Salattürmchen dazu zu bauen, ein Kinderspiel.

Wer mir das nicht glaubt, der suche diese Küche. Im Großraum Stuttgart gibt es allerhöchstens vier bis fünf Gaststätten, die eine handwerklich gute Maultasche anbieten. Warum? Weil es eine Heidenarbeit ist, und mehr Kochkenntnisse voraussetzt, als einen Hummer zu köcheln.

Ravioli beim mittelprächtigen Italiener kosten das doppelte wie Maultaschen, und deshalb ist die Schwäbische Hochküche so selten geworden, und deshalb feiert die industriell gefertigte Stanzmaultasche solche Massenerfolge.

Jetzt aber die Empfehlung eines Lokals, wo man genau das Essen kriegt, das ich liebe. Dort kostet eine Maultaschensuppe lächerliche 4,50 Euro. Der Gasthof Adler in Baach.

 

„Ich mache eine Diät“

Schnauze voll. Neulich kaufte ich mir neue Hosen und Schulz meint, ich soll mal zum Hirmer, das ist so eine Art Geschäft für männliche Umstandsmoden. Ich war entzückt. Zum einen war dort alles erste Sahne, beste Qualität, und meine Konfektionsgröße die kleinste. Die Hosen waren etwas zu weit, und heute, drei Wochen später sind sie zu eng.
Verdammt.
Also sage ich heute zum Helmut Schulz, meinem Küchenchef: “Ich mache eine Diät.”

Am Freitag hatten wir ein Kalb geschlachtet (78 kg) und heute könnte man die Leber auf die Karte nehmen. Schulz meint, sie sei noch zu frisch, denn ultrafrisch ist Kalbsleber etwas hart. “Schulz, das müssen wir ausprobieren. Braten Sie mir eine Scheibe, aber ohne alles, ich mache eine Diät.”
Schulz meint: “Chef, Sie sind doch ein gründlicher Mensch, eine Diät ist zu wenig, machen Sie drei, sonst werden Sie ja nicht satt.”
Tja, der Schulz hat immer recht.

 

Flamingo „alla romana“

Seit ich denken kann, begleitet mich dieses Römische Kochbuch. Mein Vater hat es mir zum Beginn meiner Lehre geschenkt. Mittlerweile habe ich einige Exemplare, auch alte Ausgaben, in meiner Bibliothek. Ehrlich gesagt, ich habe nicht gerne in den alten Büchern gelesen. Zu Weihnachten bekam ich nun erneut eine Ausgabe und zwar die des Reclamverlags. Große Klasse das Büchlein.

Wie bei allen Kochbüchern vergangener Jahrhunderte – in diesem Fall sind es sogar zwei Jahrtausende – erfährt man nichts über die Küche des gemeinen Volkes. Soziologische Abwägungen, also wie die Armen lebten o.ä., wie sie dachten, litten etc., das scheint mir eine ziemlich neue Disziplin. Wir können auf unsere Zeiten diesbezüglich stolz sein.

Es handelt sich in diesem Buch um die Aufzeichnungen eines regelrechten Totalhedonisten.

Wirklich interessant ist das alles aber nur für kulturgeschichtlich Interessierte, oder für Leute, die den Schneid haben, sich im Zoo einen Flamingo zu klauen, um diesen dann “alla romana” in die Pfanne zu hauen. Solche Bücher richteten sich übrigens nicht an Hobbyköche, sondern an Fachpersonal, deshalb dürfte der Amateur mit der Umsetzung der Rezepte seine Schwierigkeiten haben. Ein Problem, das auf alle alten Kochbücher zutrifft.

Das römische Kochbuch des Apicius. (Vollständige zweisprachige Ausgabe lateinisch – deutsch) von Marcus Gavius Apicius und Robert Maier
Reclam, Ditzingen (Taschenbuch – 1991)
Preis: EUR 6,60

 

Maggi finito!

Maggi finito. Täglich checke ich den Gardemangerposten (Salate, kalte Vorspeisen), probiere den Kartoffelsalat und er schmeckt gut. “Maggi?” Der Koch sagt Ja. Nun erfahre ich hintenrum, dass seit einiger Zeit kein Maggi mehr dran ist und meine Köche (um ihren Chef und den Ruf des Hauses zu schützen) die Pulle weggeschmissen haben.

Da haben wir es mal wieder, alles Einbildung? Ein großer Prozentsatz des Schmeckens geschieht im Kopf. Ärgert man sich beispielsweise in einem Restaurant über die Berieselungsmusik oder den Knödelputz an der Wand, schmeckt das Essen eindeutig anders, als wenn man sich in angenehmer Atmosphäre befindet. Wie sagte doch der große Paul Bocuse: „Die Küche macht 20 % des Restaurants aus, der Rest ist Atmosphäre!”

 

Das Maggi der Römer

Da habe ich mit dem Maggi ja eine richtige Diskussion angestoßen. Deshalb geht es jetzt weiter mit den alten Römern.

Zu Weihnachten hat mir der Reclam Verlag das Kochbuch des Apicius geschenkt. Darin hat es jede Menge Rezepte. 2000 Jahre alt und viele davon auch heute noch gut nachkochbar. Auffällig ist die sehr, sehr häufige Verwendung von Liquamen, auch Garum genannt. Dies war das Maggi der Römer, und wurde ähnlich hergestellt wie die fermentierten Würzfischsoßen Asiens.

Wir verwenden heute in der Wielandshöhe natürliche Gemüsebrühe. Wenn man Pulver kauft, auch im Bioladen, muss man darauf achten, dass es hefefrei ist, denn in der Hefe steckt auch so etwas wie künstliches Glutamat. Wir verwenden Gemüsebrühepulver hauptsächlich für vegetarische Gerichte. Freilich, es geht auch ohne, aber ich habe Testprogramme am laufen gehabt, mit Gemüsebrühe abgerundet waren die Vegetarier glücklich.
Resümee: Irgendwie hat der Mensch unterbewusst immer die Sehnsucht nach dem Fleisch.

Vincents Garum-Sociotum©
Vom gesundheitlichen Standpunkt ist das folgende Liquamen-Rezept sehr zu empfehlen. Der Geschmack des fermentierten Fischs ist aus ästhetischen Gründen optimal durch Sardellen (Anchovis), getrockneten Steinpilzen und die dünnblättrigen Norialgen (Purpurtang) ersetzt. Es handelt sich bei diesem Rezept durchaus um eine Verbesserung des römischen Liquamen-Sociotum, der Luxusversion für die gehobenen Stände, also genau das Richtige für die Leser dieser Website.
Damit dürften Maggi & Co überflüssig sein.

100 g Sardellen bzw. Anchovis, möglichst nur gesalzen und nicht in Öl
1 TL Meersalz
3/8 l Weißwein
3 EL Weißweinessig
1 EL Steinpilzpulver
1 Blatt Nori-Algenblätter (Seaweed)

Sind die Sardellen in Öl eingelegt, diese mit heißem Wasser abspülen.
Alle Zutaten in eine Schüssel geben. Ist die hauchdünne Alge weich und aufgequollen, das Gemisch kurz aufkochen. Anschließend mixen und in eine Flasche abfüllen.
Im Kühlschrank mindestens 2 Monate haltbar.

 

Grünkohl

für einen Schwarzwälder ein gänzlich unbekanntes Gericht, wenn ich auch in meiner Hamburger Zeit zu einigen Grünkohlessen eingeladen war, selbst gekocht habe ich diesen noch nie!

Ein Bremer Jagdfreund brachte nun einige „Palmen“ frischen Grünkohls mit ins Münstertal, mit Brägen-, Grütz-, groben geräucherten Brat- & Pinkel-Würsten, Kassler, Speck und altem Lohhäuser Korn.

Es war gar nicht so schwierig, wir zupften die Blätter ab, Strünke raus und kurz blanchiert.

Dann ordentlich Zwiebel angehen lassen, Grünkohl dazu, mit Brühe auffüllen, das rohe Kassler und den Speck dazu und ca. 1 1/2 Stunden langsam kochen lassen.

Dann die Würste hinein, schön weiterdämpfen und nach 20 Min. wurde der Kohl abgeschmeckt.

Ich habe ihn, trotz Anweisung nicht durch den Wolf gelassen, dachte dann ist alles eine „Matsche“, was mir ganz gut gefallen hat, dem Jägersmann aus dem Norden nicht so, der wollte noch eine Grützwurst zerstören und untermischen.

Geschmeckt hat es jedenfalls sehr gut, und sicher ist, dass wir den Grünkohl nach den Feiertagen noch einmal kochen werden!

Der Korn hinterher war dringend nötig….

 

Putti und Frutti im Luxushotel

Wem Gedichte zu langweilig sind, der hat noch nie eines von Peter Rühmkorf gelesen, was ich als wirkliche Bildungslücke ahnde.

Seine Tagebücher sind auch sehr lesenswert. Hier einige Gedanken zum Thema „Einrichtung“:

Jetzt Hotel „Intercontinental“ Frankfurt /M. Immer wieder zum Lachen dieses Edelpopulistische superpostmoderne Styling. Kackfarbenes Marmorgebälk als Fahrstuhleinfassung mit weißen Taubenschisseinsprengseln dekorativ verunreinigt. Das Meublement in den Suiten mit biedermeierlich verhaltenen Beschlägen, an den Wänden kolorierte Stiche mit Putti und Frutti, auf sterile Art anheimelnd.
aus: Ich habe Lust, im weiten Feld…, Wallstein Verlag

So, und ich gebe jetzt auch noch meinen Senf dazu:
Innenarchitekten, die solche Luxushotels ausstatten, sind natürlich nicht doof. Sie wissen was sie tun, und dies sicher öfter gegen ihre eigene Überzeugung. Sie kommen den Bedürfnissen und Vorstellungen der sogenannten höheren Stände nach. Früher nannte man das Großbürgertum und die Leute hatte auch eine gewisse Klasse. Heute sind das oft verpupste Kleinbürger mit viel Geld und dementsprechend opulent-kompensierenden Statussymbolen. Was natürlich nicht heißt, dass alle so sind. Nach wie vor gilt der Spruch: “Es ist schwer, ein Vermögen zu verdienen, noch schwerer ist es, dieses mit Anstand auszugeben!”

 

Schnepfen

„Die jungen Schnepfen und Wachteln-

die sind ein köstlich Gericht,

jedoch auch die alten Schachteln-

mein Freund verachte sie nicht!“

So beginnt ein kleines Gedicht, das ich von einem Ostpreußischen Jäger „vermacht“ bekommen habe.

Beim Menü verlasse ich mich doch besser auf die jungen Schnepfen, aus denen wir ein „Crêpinette“, also eine Rolle aus ausgelösten Schnepfenbrüsten, Farce und Gemüse, alles eingepackt im Schweinenetz, hergestellt haben.

Im Ofen bei 175°C auf Kerntemperatur von 47° geschoben, 8 Min. ruhen lassen und aufschneiden.

Dazu gibt es eine cremige Apfelpolenta und etwas alten Balsamessig.

 

Saugen und Schlürfen

Wolfram Siebeck findet Pasta infantil. Der Mann hat sicher recht, denn der Saug- und Schlürfreflex des Babys verfolgt uns bis ins Greisenalter. Auch ist die Nudel eine nach nicht viel schmeckende Trägermasse, die erst durch gewisse Zutat an Reiz gewinnt. Auf was es jedoch beim Nudelessen wirklich ankommt, das ist die Person, die gegenübersitzt.

“Mama Pasta”, ein Foto aus dem Neapel-Häuptling