Einen Bekannten habe ich, der startet frühmorgens in die Unwägbarkeiten des Alltags mit dem Singen eines Chorals. Der andere braucht ein Drei-Personen-Frühstück für sich ganz alleine.
So ein Frühstück, mit zweierlei Käse, Schinken, Ei, vier Brötchen, einem Päckchen Butter, Marmelade, Fruchtsaft, Nutella und Speck gilt heute noch in meinem schwäbischen Umfeld mit Recht als obszön. Die tägliche Katastrophenmeldung, ohne die der Deutsche nicht den Tag beginnen kann, bezog sich neulich auf eine solche Art Malocherfrühstück. „Frühstück um einen Euro teurer, wahnsinnige Teuerungsrate!“ Rechnet man das auf ein schwäbisches Gsälzbrot-Frühstück um, so sind es maximal zwei Cent.
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Meinen Alltag beginne ich anders. In kleinsten Portionen flöße ich mir frühmorgens die alten Griechen ein. Irgendwann hatte ich in einem Anfall von Bildungshunger die gesamten, in kleinen gelben Reclam-Heftchen gebundenen griechischen Philosophen besorgt. Das sind im Bücherregal mindestens eineinhalb Meter und auf Biomasse umgerechnet mindestens der Mount Everest mit Hirn gefüllt. Heute kletterte ich wieder mal darin herum und fasste den Vorsatz, demnächst mal doch noch eine größere Reise zu machen, nämlich nach Griechenland.
Folgende Sentenzen der Erbauung erfreuten mich. Sie schienen mir weit mehr geeignet, den vor mir drohenden Tag zu bewältigen, als mir dies durch die zweifelhafte Hilfe eines Chorals angedeihlich werden könnte. Es geht um Aristoteles, der meinte, es sei eher die Seele, die den Leib in Schuss halte, als umgekehrt. Wie das Fass mehr den Wein enthält als der Wein das Fass, so hält die Seele mehr den Leib in sich, als der Leib die Seele.
Da kann man nicht widersprechen. Bei der Arbeit werde ich mir also Gedanken machen, warum man dauernd darüber nachdenkt und spricht, was man zu Essen hat, anstatt sich weiterführend damit beschäftigt, wie man essen soll. Für mich gilt: Man muss das rechte Maß finden, ohne an Kalorien zu denken. Man muss so einkaufen, dass man nicht an Chemie-Kontamination und Tierquälerei denken muss.
Hat man das sichergestellt, soll man sich freuen und niemals ein schlechtes Gewissen haben, weil man sich evtl. zuviel gefreut hat, also unmäßig war. Jedes Zuviel kann man mit einem späteren „Weniger“ ausgleichen, und um das hinzukriegen, braucht es niemals ein schlechtes Gewissen.
Mein Gott, was quälen sich viele Leute mit dem Irrsinn, der durch schlechtes Gewissen verursacht wird. Freilich, ganz ohne geht es auch nicht. Entscheidend ist die Empfindung der Freude. Viele sind so konsumvergiftet, sich nur noch am Teuren freuen zu können. Aber Epikur, der ja gerne als der Philosoph der Gourmets gehandelt wird, erheiterte sich sinngemäß über die kulinarische Lust eines frisch mit Schnittlauch bestreuten Butterbrots.