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Verfahren gegen Mandy S. könnte eingestellt werden – Das Medienlog vom Freitag, 28. Februar 2014

 

Zum zweiten Mal ist die als NSU-Unterstützerin verdächtigte Mandy S. am 90. Verhandlungstag vor Gericht erschienen. Wie am Tag zuvor hatte sie viele Fragen zu ihrer Zeit in der rechten Szene zu beantworten – was ihr nach Ansicht von Prozessbeobachtern durchaus glaubwürdig gelang. Doch einige Zweifel an der Vergangenheit der Zeugin seien geblieben. S. wurde „möglicherweise instrumentalisiert, ohne es zu ahnen“, berichtet Frank Jansen im Tagesspiegel. Aus Ermittlerkreisen hieß es, das Verfahren gegen sie werde vermutlich eingestellt.

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S. schilderte das Innere der rechten Szene, die sie vor Jahren verlassen haben will: Ein Bekannter habe ihr eine Bombenbauanleitung in die Hand gedrückt, ein anderer dem Satanismus angehangen. „Der 90. Tag im NSU-Prozess ist einer der gruseligsten“, resümiert Tagesspiegel-Autor Jansen. Die 38-Jährige sei anscheinend als „naives Skinhead-Mädchen der männerdominierten Szene nicht gewachsen“ gewesen, bei der Vernehmung habe sie sich ihre Nazi-Vergangenheit von der Seele reden wollen.

Die Zeugin habe versucht, „einen klaren Trennstrich zu ziehen“, schreibt Christoph Trost von der Nachrichtenagentur dpa. Sie sei nicht restlos überzeugend gewesen: „Mandy S. war über viele Jahre hinweg viel tiefer in die sächsische Neonazi-Szene verstrickt, als sie im Prozess glauben machen will.“ Zudem sei die Frage offen geblieben, wie sie über all die Jahre nichts von der Existenz des NSU erfahren haben kann, obwohl ihre Bekannten über Jahre Kontakt zu der Gruppe pflegten.

Die Angaben hatte sich die Zeugin sorgfältig zurechtgelegt: „S. gibt nur zu, was garantiert verjährt ist“, heißt es auf ZEIT ONLINE. Doch auch an diesen Einlassungen bestünden noch Zweifel. S. habe „ein eigentümliches Verständnis von Moral“ – sie habe kein Problem damit gehabt, Menschen zu verstecken, die auf der Flucht vor der Justiz waren.

Thema waren auch die Ausweise von zwei Nürnberger Tennisclubs und Impfpässe für Katzen, die auf S.‘ Namen ausgestellt waren – angeblich ohne das Wissen der Zeugin: „Nach zwei Stunden Befragung hat der Richter die Zeugin endlich dort, wo er sie hinhaben wollte“, schreibt Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen. Auf die Frage, wie ihr Name auf die Ausweise komme, sei S. vorbereitet gewesen. Sie habe gewusst, dass der Tennisclub gar keine Mitgliedskarten ausgebe.

Sie habe jedoch nicht auf alles eine Antwort gehabt: Auf einem der Ausweise stand S.‘ damalige Adresse. „Woher hatte Zschäpe diese Anschrift, wenn es seit 1998 angeblich keinen Kontakt mehr gab? S. kann sich das nicht erklären“, heißt es in der Süddeutschen Zeitung.

S. hatte tatsächlich zweimal über mehrere Jahre in Nürnberg gelebt. Denkbar ist deswegen, dass sie mit der mittlerweile verbotenen Fränkischen Aktionsfront in Kontakt gestanden haben könnte, schreibt Jansen im Tagesspiegel. Ermittler hielten es für möglich, dass sich darüber eine Verbindung zum NSU ergeben könnte. Sie vermuteten, dass Neonazis aus Nürnberg der Terrorgruppe Hinweise gaben – in der Stadt verübte der NSU laut Anklage drei Morde an Türken.

Die Aussage von S. war nicht die einzige Besonderheit des Verhandlungstags: Auf der Zuschauertribüne hatten laut Medienberichten mehrere Anhänger der rechten Szene Platz genommen. In der ersten Reihe saßen sieben Freunde des Angeklagten Ralf Wohlleben, der am Donnerstag seinen 39. Geburtstag hatte, wie unter anderem Per Hinrichs in der Welt berichtet. Wohlleben habe zur Begrüßung den Daumen nach oben gereckt. Unter den Geburtstagsgästen habe sich auch der vorbestrafte Neonazi Sebastian Dahl befunden.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 3. März 2014.